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Auf dem Holzweg aus den Schulden

Von Wolfgang Vogel

Recht

Schuldner sollen im Privatkonkurs auf jeden Fall einen Zahlungsplan mitliefern, - auch wenn das Justizministerium dies auf der Homepage nicht verlangt.


"Die Schuldnerin/der Schuldner braucht keinen Zahlungsplan anzubieten, wenn sie/er in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich kein pfändbares Einkommen bezieht oder dieses das Existenzminimum nur geringfügig übersteigt." Mit dieser eigenwilligen Interpretation des § 194, Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung lockt das Justizministerium im Internet Bürgerservice "Formulare" verschuldete Menschen auf einen Holzweg, der sie aus den Schulden führen soll.

Die erste Fußangel kommt schon im § 200, Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung daher. "Über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens ist erst zu entscheiden, wenn einem Zahlungsplan, obwohl er zulässig gewesen ist und die für das Verfahren geltenden Vorschriften beachtet worden sind, die Bestätigung versagt wurde." Nirgends ein Hinweis, dass in bestimmten Fällen kein Zahlungsplan angeboten werden muss. Also noch einmal zurück zu § 194 (1) Satz 3: "Bezieht der Schuldner in diesem Zeitraum voraussichtlich kein pfändbares Einkommen oder übersteigt dieses das Existenzminimum nur geringfügig, so braucht er keine Zahlungen anzubieten."

Zahlungen sind, planmäßig zusammengefügt, ein Zahlungsplan. Der Schuldner, der am Existenzminimum lebt, braucht also keine Zahlungen anbieten; wohl aber einen Zahlungsplan. Dies ist eine Meinung in einer Diskussion, die derzeit in den Fachmedien wogt. Andere meinen, dass ein Plan, in dem keine Zahlungen drinnen sind, kein Zahlungsplan sein kann. Genau diese Meinung kollidiert mit der Praxis am meisten.

Die Praxis schaut anders aus. Der Zahlungsplan ist ein Angebot an die Gläubiger, den diese annehmen können, Verbesserungen vorschlagen können - oder eben ablehnen. Er ist die direkte Fortsetzung des Zwangsausgleichs, der ein österreichisches Erfolgsmodell ist. Der Zahlungsplan ist der Versuch, eine gestörte Kommunikation zwischen Schuldner und Gläubigern wieder herzustellen.

Das Abschöpfungsverfahren kann auch ohne Zustimmung der Gläubiger eingeleitet werden. Es wird praktisch über die Köpfe der Gläubiger hinweg abgewickelt und genau das ist es, was die Rechtspfleger, die ja nunmehr im Privatkonkurs die Hauptlast tragen, am meisten scheuen.

Und nun sollten sie auch entscheiden, ob der Privatkonkurs völlig am Gläubiger vorbeigeht.

Die ersten Anträge, die ohne Zahlungspläne an die Gerichte gingen, spürten diese Ablehnung sehr deutlich: Die Anträge kamen gleich wieder zurück an die Antragsteller mit Verbesserungsaufträgen, die hohe Hürden darstellten. So ist ja dieses neue fünfjährige Abschöpfungsverfahren mit einer Anspannungsregel behaftet: Der Schuldner muss den Nachweis erbringen, dass er sich um eine Arbeit bemühen wird und dass er - oder natürlich auch sie - keine zumutbare Arbeit ablehnen wird.

Wesentlich griffiger ist allerdings die Forderung nach einer - teilweisen - Sicherstellung der Kosten des einzusetzenden Treuhänders. Da wird in der Regel die Hälfte der zu erwartenden Kosten verlangt: immerhin 360 Euro. Und da zeigt sich eine weitere Schwäche des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes: Der Schuldner muss nachweisen, dass er keine Zahlung leisten kann, muss aber immerhin nachweisen, dass er monatlich 12 Euro als Honorar für den Treuhänder aufbringen kann.

Und genau da setzt die eigentlich massivste Kritik an diesem Teil der Novelle ein: Warum werden diese 720 Euro nicht den Gläubigern zur Verfügung gestellt; oder besser, warum sollten nicht sie die wirtschaftliche Entscheidung darüber treffen, ob sie diesen Betrag annehmen und damit einem Zahlungsplan zustimmen. Oder ob sie sich mit dem Schuldner um eine Verbesserung bemühen. Ablehnen können sie das Angebot ja immer noch. Dann waren sie aber immerhin am Verfahren beteiligt.

Es ist aber mehr als verständlich, dass die Rechtspfleger nicht die volle Last der Entscheidung über die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens tragen wollen und dazu den Zeitraum von ganzen sieben Jahren in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Noch dazu wo es eigentlich nicht verständlich ist, warum beim Zahlungsplan die Einkommenssituation der kommenden fünf Jahre berücksichtigt wird, beim direkten Zugang zum Abschöpfungsverfahren jedoch ein Zeitraum von sieben Jahren.

Man könnte höchstens annehmen, dass man spekulative Planungen ausschalten will: etwa dass jemand fünf Jahre durchtaucht, um dann nach der Restschuldbefreiung loszulegen. Allerdings dürfte da die siebenjährige Beobachtungszeit kaum ein taugliches Mittel sein.

Überhaupt ist es erstaunlich, warum sich da niemand Gedanken darüber gemacht hat. Dabei geht es aus dem § 194 (1) IO hervor. Der erste Satz befasst sich mit der Einkommenssituation der kommenden fünf Jahre, nach der sich die angebotene Quote des Zahlungsplanes richten muss. Satz zwei lautet: "Die Zahlungsfrist darf sieben Jahre nicht übersteigen." Diese Zahlungsfrist begrenzt also einen Zeitraum - nur auf den kann sich Satz drei beziehen: "Bezieht der Schuldner in diesem Zeitraum voraussichtlich kein pfändbares Einkommen oder übersteigt dieses das Existenzminimum nur geringfügig, so braucht er keine Zahlungen anzubieten."

Gastkommentar

Wolfgang

Vogel

studierte Rechtswissenschaft, Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Graz, Linz, Hagen (Nordrhein-Westfalen), Milton Keynes (England) und Wien. Er ist derzeit für eine Unternehmensgruppe tätig, die sich bemüht, Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

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