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Ein Weihnachtsgeschenk vom EuGH für Hersteller von Luxuswaren

Von Maria Dreher und Lutz Riede

Recht

Die Hersteller dürfen ihren Händlern den Onlinevertrieb über Drittplattformen wie Amazon oder eBay verbieten.


Ein aktuelles Steckenpferd der EU-Kommission ist die Verwirklichung des "Digitalen Binnenmarkts". Teil dieser Strategie ist die Förderung des grenzüberschreitenden E-Commerce innerhalb der EU. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Verfahren "Coty" (Urteil vom 6.12.2017, C-230/16) in diesem Kontext folgende Frage zu beantworten: Dürfen Hersteller von Luxuswaren ihren Vertriebshändlern den Verkauf im Internet über Drittplattformen wie Amazon oder eBay verbieten?

Zum Hintergrund: Selektive Vertriebssysteme sind vor allem für Hersteller von Luxuswaren und technisch komplexen Waren, bei denen Beratung erforderlich ist, bedeutsam: Die Waren werden nur an autorisierte Händler verkauft, die unter anderem für die Warenpräsentation und das Einkaufserlebnis bestimmte Qualitätskriterien erfüllen müssen. Hersteller versuchen so, die Integrität ihrer Marke zu wahren. Oft enthalten selektive Vertriebssysteme auch Einschränkungen zum Online-Verkauf.

Schutz des Luxusimage kann Plattformverbot rechtfertigen

Der Europäische Gerichtshof hatte schon in Pierre Fabre (C-439/09) ausgesprochen, dass Vorgaben, die de facto auf ein generelles Verbot des Internetverkaufs durch Händler hinauslaufen, unzulässig sind. Grund ist, dass dies die Möglichkeit eines zugelassenen Händlers, die Produkte an Kunden außerhalb seines vereinbarten Gebiets oder Tätigkeitsbereichs zu vertreiben, erheblich einschränkt.

Offen blieb aber, ob Drittplattformverbote im Speziellen (bei denen der Internetverkauf über eigene Webseiten erlaubt bleibt) kartellrechtlich zulässig sind. Auch solche Klauseln schränken die Absatzmöglichkeiten der betroffenen Händler ein. Die EU-Kommission, Wettbewerbshüter und Gerichte in diversen Mitgliedstaaten - vor allem Deutschland - waren sich in dieser Frage bis jetzt uneinig. Die Entscheidung im Fall Coty war daher mit Spannung erwartet worden.

Zum Fall Coty: Coty Germany, ein Anbieter von Luxus-Kosmetik, verkauft in Deutschland Markenartikel über ein selektives Vertriebsnetz, also über autorisierte Händler. Zwar dürfen diese die Waren im Internet - über ein eigenes "elektronisches Schaufenster" - verkaufen, nicht aber über (für den Verbraucher als solche erkennbare) Drittplattformen. Einer der Händler, Parfümerie Akzente, vertrieb die Produkte trotzdem über den Marktplatz auf Amazon.de, wogegen Coty - erfolglos - vor dem Landesgericht Frankfurt klagte. Das Oberlandesgericht Frankfurt als Berufungsgericht sah dies nicht so eindeutig und ersuchte den EuGH um Klärung.

Dieser stellte klar, dass selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl von Händlern nach qualitativen Kriterien erfolgt, grundsätzlich zulässig sind. Voraussetzung ist, dass die Eigenschaften des Produkts (mit Blick auf Qualität und richtigen Gebrauch) ein solches Vertriebssystem erfordern. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Auswahl der Händler anhand objektiver Gesichtspunkte erfolgt, die Qualitätskriterien einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und dass die Kriterien verhältnismäßig sind.

Ob ein solches Vertriebssystem auch erforderlich sein kann, um das "Luxusimage" eines Produkts zu schützen, war im Nachgang an Pierre Fabre umstritten. Manche lasen die frühere Entscheidung so, dass die Wahrung des Luxusimages einer Marke allgemein keine Rechtfertigung (mehr) für qualitative Vorgaben im Vertrieb darstellt. Dem erteilte der EuGH in Coty eine Absage: In Pierre Fabre bewirkten die Anforderungen an die Vertriebshändler de facto einen gänzlichen Ausschluss des Internets als Verkaufskanal (weil der Verkauf in einem physischen Raum und in Anwesenheit eines diplomierten Pharmazeuten erfolgen musste). Nur für diesen speziellen Fall komme der Schutz des Prestigecharakters als Rechtfertigung nicht in Frage, die Entscheidung sei zudem nicht verallgemeinerungsfähig, so der EuGH.

Die Wahrung des Luxusimage ist nach dem EuGH ein legitimes Ziel für Plattformverbote: Nur so könne der Markenhersteller - der mit dem Plattformbetreiber in keinem Vertragsverhältnis steht - sicherstellen, dass seine Qualitätsvorgaben eingehalten werden. Zudem stehe es den Händlern hier frei, weiterhin ihren eigenen Online-Shop zu betreiben. Das Verbot muss einheitlich gegenüber allen Händlern gelten und darf keine unverhältnismäßige Einschränkung darstellen.

Entscheidung hat über den Anlassfall hinaus Bedeutung

Die Entscheidung hat somit über den Anlassfall hinaus Bedeutung und schafft Klarheit für die Luxusbranche: Plattformverbote können zulässig sein. Diese müssen aber umsichtig formuliert sein. Die Hersteller sollten ihre Vertragsklauseln zum Internetvertrieb daher sorgfältig auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen und gegebenenfalls Alternativen erwägen (zum Beispiel Qualitätsvorgaben im Verhältnis zu Plattformbetreibern).

Unklarheit besteht indes für Produkte, die nicht eindeutig als "Luxuswaren" einzuordnen sind - der deutsche Wettbewerbshüter kündigte bereits eine enge Auslegung der Entscheidung an. Die Einordnung, was ein Luxusprodukt ist und was nicht, wird mitunter schwierig sein.

Gastkommentare

Maria Dreher ist Rechtsanwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien und auf Kartellrecht und Außenhandel spezialisiert.

Lutz Riede ist Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien und Experte für Vertriebsrecht und Verbraucherschutzrecht.

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