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Plattform-Betreiber im Fokus

Von Franz Lippe

Recht
© Fotolia/tomass2015

Gastbeitrag: Auf Facebook gab es beleidigende Postings gegen die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig, der EuGH prüft die Überwachungspflicht Sozialer Netzwerke. Die rechtlichen Hintergründe dazu.


In Zeiten, in denen Shitstorms, Hasspostings und Hetze in Sozialen Medien in aller Munde sind, stehen neben den Verfassern rechtswidriger Postings auch die Plattform-Betreiber selbst im Fokus. Aus Anlass einer Klage der ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig wegen beleidigender Postings auf Facebook hat der Oberste Gerichtshof (OGH) nun eine Reihe von Fragen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Reichweite der Pflichten von Host-Providern - wie etwa von Betreibern Sozialer Netzwerke - gestellt.

Im Anlassfall bezeichnete ein Nutzer im Begleittext eines auf Facebook veröffentlichten Fotos von Glawischnig diese unter anderem als "miese Volksverräterin", "korrupten Trampel" beziehungsweise Mitglied einer "Faschistenpartei". Die Identität des Nutzers war unbekannt, somit konnte dieser auch nicht selbst zur Verantwortung gezogen werden. Daher wurde Facebook unter anderem zur Löschung des Postings aufgefordert. Da dieses Einschreiten ohne Reaktion blieb, klagte Glawischnig Facebook, es künftig zu unterlassen, Lichtbilder von ihr mit den inkriminierten Behauptungen im Begleittext in wörtlicher und sinngleicher Form zu veröffentlichen respektive zu verbreiten.

Es geht um die Auslegungder E-Commerce-Richtlinie

Dass es überhaupt zunächst einer außergerichtlichen Aufforderung an Facebook bedurfte, das Posting zu entfernen, liegt am Haftungsprivileg für Host-Provider: Nach der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-RL) sind Dienste der Informationsgesellschaft, die durch einen Nutzer eingegebene Informationen speichern (Host-Provider), nicht verantwortlich, wenn sie kein Bewusstsein von einer rechtswidrigen Information haben. Sie sind es auch dann nicht, wenn sie die Information unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihr sperren, sobald dieses Bewusstsein vorliegt. Weiters sind Host-Provider nicht allgemein verpflichtet, die gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Anderes gilt nach der - freilich österreichischen - Rechtsprechung dann, wenn dem Host-Provider schon mindestens eine entsprechende Rechtsverletzung bekannt ist und sich die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen durch einzelne Nutzer konkretisiert.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ersuchte nun der OGH im Anlassfall den EuGH um Auslegung der E-Commerce-RL: Kann ein Host-Provider neben der Löschung der konkret beanstandeten Information eines Nutzers, die er nicht unverzüglich nach Kenntnis entfernt hat, auch dazu verpflichtet werden, andere wortgleiche Informationen zu entfernen? Würde eine solche Verpflichtung weltweit oder nur im jeweiligen Mitgliedsstaat gelten? Wären davon nur Informationen des jeweiligen Nutzers erfasst oder alle wortgleichen Informationen? Zugleich will der OGH aber auch wissen, ob sich eine solche Verpflichtung - im jeweiligen Umfang - auch auf sinngleiche Informationen erstrecken würde.

Host-Providern drohen massive logistische Herausforderungen

Die möglichen Konsequenzen der Entscheidung des EuGH können für Betreiber von Sozialen Netzwerken, von kleineren Internetforen oder Online-Gästebüchern, aber auch für die von rechtswidrigen Inhalten betroffenen Personen folgenschwer sein: Urteilt der EuGH zugunsten der Host-Provider, wären diese überhaupt nur angehalten, etwa ein konkret beanstandetes, rechtswidriges Posting eines Nutzers zu entfernen beziehungsweise zu sperren. Vor ähnlichen künftigen Rechtsverletzungen, insbesondere durch den jeweiligen Nutzer, würde die vom Posting betroffene Person dann überhaupt nicht geschützt: Sie müssten jedes Mal aufs Neue den Plattform-Betreiber zunächst außergerichtlich zur Löschung auffordern und - im Falle mangelnden Tätigwerdens - klagen.

Am anderen Ende der Bandbreite möglicher Entscheidungen des EuGH stünde jedoch eine Verpflichtung des Host-Providers - unabhängig vom Ort der Verbreitung und der Person des Nutzers -, von sich aus dafür zu sorgen, sämtliche im Verhältnis zum konkreten rechtswidrigen Posting wortgleichen Behauptungen, aber auch alle sinngleichen Behauptungen zu entfernen. Eine solche Verpflichtung würde insbesondere die Betreiber großer Sozialer Netzwerke vor logistische Herausforderungen stellen: So wurde auch im Laufe des Anlassverfahrens argumentiert, dass es für Facebook zwar noch möglich sei, automationsunterstützt wortidente Begleittexte zu filtern und zu löschen, dies jedoch hinsichtlich sinngleicher Äußerungen beinahe unmöglich sei.

Dass es überhaupt zu einem Vorgehen gegen Host-Provider im Fall rechtswidriger Inhalte ihrer Nutzer - und nicht gleich gegen diese Nutzer selbst - kommt, liegt auch an dem Umstand, dass sehr oft die Identität solcher Nutzer im Dunklen bleibt. Offenbart ein Nutzer selbst nicht seine Identität, bleibt einem Betroffenen nur, vom Host-Provider im Vorfeld die Bekanntgabe von Namen und Adresse des Nutzers zu fordern. Doch auch damit wird der Nutzer oft nicht greifbar, nämlich, wenn auch der Host-Provider nicht über die korrekten Daten verfügt. Das ist in der Praxis (Stichwort: Fake-Profile) allzu oft der Fall.

Verpflichtende Erhebung der Nutzeridentität möglich

Wirksame Abhilfe könnte hier nur der radikale Zugang schaffen, eine Verpflichtung der Betreiber zu normieren, die wahre Identität ihrer Nutzer vor der Registrierung zu erheben. Dadurch würde aber auch der Host-Provider selbst aus der Schusslinie genommen, weil dann Betroffene ohnedies gegen die Nutzer direkt vorgehen könnten, soweit dann überhaupt noch notwendig: Im Fall verpflichtender Identitätsbekanntgabe vor Registrierung etwa in Sozialen Netzwerken wäre ohnedies mit einem drastischen Rückgang rechtswidriger Inhalte zu rechnen.

Unabhängig davon, wie die Entscheidung des EuGH ausfallen wird, ist jedoch eins gewiss: Auch wenn ein Host-Provider zunächst nicht unmittelbar für rechtswidrige Informationen seiner Nutzer haftet, sollte er doch tunlichst darauf achten, Mechanismen zu etablieren, um unverzüglich nach Kenntnisnahme einer rechtswidrigen Information diese rechtzeitig löschen oder sperren zu können und dies dann auch tatsächlich zu tun.

Franz Lippe ist Partner und Rechtsanwalt bei Preslmayr Rechtsanwälte. Er ist auf Medien- & Datenschutzrecht spezialisiert.