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Selbsthilfe unzulässig

Von Christoph Krones

Recht

Vor jeder Abschleppung soll der Besitzer selbst die Chance haben, sein Fahrzeug zu entfernen.


Jeder, der sich mit einem Pkw, Lkw oder sogar einem Motorrad im Straßenverkehr bewegt, hat sich schon einmal über falsch abgestellte Fahrzeuge geärgert. Schnell ist man gewillt, den Versuch zu starten, das Fahrzeug abschleppen zu lassen. Doch ist das so einfach möglich? Am Ende des vergangenen Jahres hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Grundsätzlich ist vorweg festzuhalten, dass, bevor ein widerrechtlich, aber nicht behindernd abgestelltes Fahrzeug abgeschleppt werden kann, aus der Zulassungsevidenz der Zulassungsbesitzer erhoben werden muss. Vor der Abschleppung soll dieser nämlich selbst die Chance haben, sein Fahrzeug zu entfernen.

Polizei unzuständig,weil Privatparkplatz

Folgender Sachverhalt liegt der gegenständlichen Entscheidung des OGHs zugrunde: Eine Dame mietet in diesem Fall einen Parkplatz in einer Nebenfahrbahn. Die Beschilderung durch Verkehrszeichen um den Parkplatz weist darauf hin, dass es sich bei diesem Parkplatz um einen Privatgrund handelt und dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden.

Die spätere Beklagte stellt ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz der Kläger - ohne deren Zustimmung - ab. Aus diesem Grund kann ein Herr, der über die Berechtigung der Parkplatzmieterin zum Abstellen seines Fahrzeuges verfügt, seinen Pkw dort nicht abstellen. Er stellt sein Fahrzeug stattdessen in der Kurzparkzone ab und erhält, da er dort zu lange gestanden ist, einen Strafzettel.

Der zur Benutzung des Parkplatzes berechtigte Herr lässt am Fahrzeug der späteren Beklagten einen Zettel zurück, worauf er auf das Parkverbot verweist, die Telefonnummer der Parkplatzmieterin anführt und um telefonische Kontaktaufnahme ersucht. Ein Anruf erfolgt nicht. Die Polizei sieht sich als unzuständig, da es sich um einen Privatparkplatz handelt.

Mehrere Versuche der Parkplatzmieterin, die Halterin des Fahrzeuges in der Umgebung ausfindig zu machen, sind nicht von Erfolg gekrönt. Aus diesem Grund gibt die Parkplatzmieterin einem Abschleppunternehmen den Auftrag, das widerrechtlich abgestellte Fahrzeug zu entfernen. Tags darauf wird das Fahrzeug abgeschleppt und auf das Firmengelände des Abschleppunternehmens transportiert. Dort befindet es sich bis heute. Die Kosten des Abschleppunternehmens setzen sich aus der Abschleppung selbst (300 Euro), der Sicherung der Ladung (18 Euro) und der am Wochenende durchgeführten Abschleppung (60 Euro) zusammen. Die tägliche Standgebühr auf dem Firmengelände des Abschleppunternehmens beträgt 24 Euro.

Lenkerin "verzogen",Schreiben zurückgestellt

Die Parkplatzmieterin zediert ihre Schadenersatzansprüche gegen die Lenkerin des widerrechtlich abgestellten und abgeschleppten Fahrzeuges an das Abschleppunternehmen, die spätere Klägerin.

Bevor das Abschleppunternehmen gerichtliche Schritte setzt, schickt es mehrere Aufforderungsschreiben an die Lenkerin des Fahrzeuges, die alle mit dem Vermerk "verzogen" zurückgestellt werden. Eine Abfrage beim Zentralen Melderegister (ZMR) ergibt, dass die spätere Beklagte über keinen aktuellen Wohnsitz verfügt.

In weiterer Folge bringt das Abschleppunternehmen Klage ein. Das Erstgericht weist die Ansprüche des Abschleppunternehmens gegenüber der Beklagten, die durch einen Abwesenheitskurator vertreten wird, ab. Diese Klagsabweisung begründet das Erstgericht damit, dass Selbsthilfe zum Schutz des Besitzes nur in Ausnahmefällen zulässig ist. § 344 Satz 1 ABGB, worauf verwiesen wird, sei hier nicht anwendbar, da staatliche Hilfe, wie es die erwähnte Norm verlangt, in diesem Fall nicht zu spät gekommen sei. Deshalb sei auch die von der Parkplatzmieterin ergriffene Selbsthilfe an sich schon rechtswidrig.

Die Klägerin legt Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts ein. Das Berufungsgericht gibt dieser nicht Folge und führt in seiner Entscheidung aus, dass Selbsthilfe grundsätzlich nur mit angemessenen Mitteln erfolgen kann. Entscheidend dabei sei eine Interessensabwägung. Insbesondere hatte die Beklagte ihr Fahrzeug nicht auf einem Parkplatz abgestellt, auf dem Einsatzfahrzeuge oder andere Fahrzeuge behindert worden wären. Der Parkplatzmieterin seien lediglich finanzielle Nachteile entstanden. Die Behinderung der Benutzung des Parkplatzes sei nicht ersatzpflichtig.

"Die Abschleppungwar unangemessen"

Der OGH schließt sich den Entscheidungen der Vorinstanzen an: Die Abschleppung sei unangemessen gewesen und daher als unerlaubte Selbsthilfe zu sehen. Vor dem Abschleppen hätte die Parkplatzmieterin aus der Zulassungsevidenz die Zulassungsbesitzerin erheben lassen müssen, um dieser die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen (OGH 20.12.2017, 10 Ob 34/17y).

Zum Autor

Christoph

Krones

ist als Rechtsanwalt in Wien tätig. Im Bereich des Zivil- und Zivilverfahrensrecht zählt das Verkehrs- und Reiserecht zu seinen Spezialgebieten. privat