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"Den männlichen Kollegen wird mehr zugetraut"

Von Rosa Eder-Kornfeld

Recht

Top-Juristin Jasna Zwitter-Tehovnik über Frauenkarrieren im Anwaltsberuf.


Wien. Der Beruf des Rechtsanwalts war Jahrhunderte lang Männern vorbehalten. Als erste Anwältin wurde in Österreich 1928 Marianne Beth zugelassen, nachdem 1922 in Deutschland Maria Otto der Zutritt in den erlauchten Kreis gestattet wurde. Mittlerweile sind hierzulande 20 Prozent der rund 6300 Anwälte weiblich, bei den rund 2200 Rechtsanwaltsanwärtern beträgt der Frauenanteil sogar 50 Prozent. Bis zum Kanzleipartner steigen Frauen jedoch nur sehr selten auf. Eine, die diesen Schritt getan hat, ist Jasna Zwitter-Tehovnik. Die gebürtige Kärntner Slowenin hat in Salzburg, im französischen Rennes und in New York Rechtswissenschaften studiert. Seit elf Jahren ist sie Equity-Partnerin bei der weltweit tätigen Anwaltskanzlei DLA Piper. Tätig ist sie vorwiegend im Bank- und Finanzrecht und bei grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten. Die 42-Jährige gehört hierzulande auch zu den wenigen Anwälten mit vier Zulassungen: Neben Österreich ist Zwitter-Tehovnik in Slowenien, in England und Wales sowie in New York zugelassen. Und sie ist Mutter von zwei Kindern. Trotz eines kurzfristig angesetzten Gesprächs mit der "Wiener Zeitung" anlässlich des Internationalen Frauentages wirkt die Top-Juristin alles andere als gestresst. Als Kanzleipartnerin kann sie sich ihre Zeit gut einteilen.

"Der Frauentag ist wichtig wie eh und je", betont sie. Damit Frauen im Beruf vorankommen, müssten sie die Chancen ergreifen, die sich ihnen bieten. Teilweise sei es aber schwierig, Frauen von Stufe zu Stufe höher zu bringen. Den einen spezifischen Grund für den geringen Frauenanteil in der Anwaltschaft gibt es ihrer Ansicht nach nicht. Sie persönlich habe aber beobachtet, dass Frauen nach der Anwaltsprüfung manchmal aus privaten Gründen zurückstecken. "Oder sie überlegen sich schon lange bevor sie Kinder haben, wie sie das mit ihrer Tätigkeit vereinbaren können."

Nach dem Studium eine Stelle in einer Kanzlei zu finden, sei für junge Juristinnen aber kein Problem. "Man lässt die Frauen rein", so Zwitter-Tehovnik. Aber dann sei viel Durchsetzungsvermögen gefragt, denn: "Den männlichen Kollegen wird von vornherein mehr zugetraut." Umso wichtiger sei es für Frauen, in den eigenen Interessensgebieten rasch Expertise zu entwickeln und mit Know-How zu punkten.

Eine Frage der Organisation

Dass Jus-Absolventinnen vermehrt in den Richterberuf drängen, verwundere nicht, denn er lasse sich besser mit der Familie vereinbaren. Mittlerweile gibt es in Österreich bereits mehr Richterinnen als Richter. Das sollte doch erfreulich sein? Schon, meint Zwitter-Tehovnik. Für Männer sei der Berufsstand dann aber nicht mehr so attraktiv, wendet sie ein. Auch die neue Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, hat in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" moniert, dass Männer kein Interesse mehr am Richterberuf zeigen würden.

Der Anwaltsberuf sei auf jeden Fall sehr zeitintensiv, räumt Jasna Zwitter-Tehovnik ein. Den Geschichten von der 80-Stunden-Woche steht sie jedoch mit Skepsis gegenüber: "Man kann nicht von jedem verlangen, dass er jeden Tag von 8 bis 22 Uhr produktiv ist." In ihrer Kanzlei werden siebeneinhalb Stunden "billable time" (dem Klienten verrechenbare Zeit) verlangt. Alles andere sei eine Frage der Zeiteinteilung und persönlichen Organisation.

"Heiraten Sie einen Juristen"

"Ein Verwandter, der in den 1970er-Jahren Jus studiert hat, hat mir erzählt, dass man damals den wenigen Jus-Studentinnen geraten hat: ‚Heiraten Sie doch einen Juristen und werden Sie so Frau Doktor‘", erzählt die Anwältin. Und das sogar auf der Universität. Heute ist das Jus-Studium bei jungen Frauen beliebter denn je. Von Bewerbungen überschwemmt werde ihre Kanzlei aber nicht, sagt Zwitter-Tehovnik.

In der österreichischen Frauenpolitik sieht sie derzeit nicht unbedingt einen Fortschritt, teilweise sogar eine Rückwärtstendenz, "wenn zum Beispiel Gemeinden Müttern eine Herdprämie zahlen, wenn sie zuhause bleiben". Um die Erwerbstätigkeit von Frauen und damit auch ihre finanzielle Unabhängigkeit zu fördern, brauche es vor allem qualitativ hochwertige Kinderbetreuung mit relativ langen Öffnungszeiten. Mädchen würden auch meistens immer die gleichen, typischen Berufe ergreifen, die noch dazu schlechter bezahlt seien. Einzelne "Schnuppertage", um sie auch für technische oder naturwissenschaftliche Berufe zu begeistern, seien aber zu wenig.