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Ein grundsätzliches Detail

Von Walter Hämmerle

Recht

Alfred Noll, Verfassungssprecher der Liste Pilz, sorgt sich um den Einfluss von Sebastian Kurz.


Wien. Es ist eher ungewöhnlich, dass einen Abgeordneten der Opposition die Sorge um einen Machtverlust des Bundeskanzlers umtreibt. Die Regel ist eher der umgekehrte Sachverhalt, schließlich ist es das abstrakte Ziel der parlamentarischen Minderheit, der Macht der Mehrheit Grenzen zu setzen - je mehr, desto besser.

Alfred Noll, Rechtsanwalt und Verfassungssprecher der Liste Pilz, ist es, der sich Sorgen um den Einfluss von Sebastian Kurz macht. Und er meint das nicht einmal kokett, sondern ganz grundsätzlich. Daran ändert auch nichts, dass der eigentliche Anlass für Normalsterbliche maximal nebensächlich anmutet.

"Nähe von Verfassungsagenden und Kanzleramt Wert an sich"

Noll stößt sich an einem Detail des Bundesministeriengesetzes im Zusammenhang mit der Vollziehung des Verfassungsgerichtshofsgesetzes. Mit der Verschiebung der Verfassungsagenden vom Kanzleramt zum neuen Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz habe, so Noll, die Koalition einen "Kulturbruch" begangen, der nicht nur "anderen schadet, sondern auch einem selbst nichts nutzt". Mit Letzterem zitiert der Verfassungsexperte und Montesquieu-Jünger Noll (sein 620-Seiten-Wälzer über das Denken des französischen Rechtsphilosophen erscheint im April) die Definition des italienischen Wirtschaftshistorikers Carlo Cipolla für Dummheit.

Aber zurück zur Sache. Aus Sicht Nolls war die Nähe der Verfassungsagenden zum Kanzleramt ein Wert an sich; das zeige sich auch darin, dass etliche ehemalige Leiter des Verfassungsdienstes später zu Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs aufgestiegen sind, etwa Ludwig Adamovich und Gerhart Holzinger. Oder, um es mit Noll zu sagen: "Es kann dem Kanzler nicht egal sein, wer Leiter des Verfassungsdienstes ist." Doch nun ressortiert diese Abteilung, zur Sektion aufgewertet, beim neuen Ministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Und genau darin sieht der Rechtsexperte eine Schwächung des Kanzlers.

Das ist der größere Rahmen von Nolls Kritik. Wobei zu sagen ist, dass andere Kenner der Materie, etwa der bereits erwähnte ehemalige VfGH-Präsident Adamovich, in der Verschiebung der Verfassungsagenden kein Problem erkennen. Im kleineren Zusammenhang konzentriert sich die Kritik auf mögliche negative Folgen einer überhasteten Beschlussfassung des Bundesministeriengesetzes im Jänner. Die Abgeordneten hatten de facto keine Möglichkeit, das Gesetz kritisch zu diskutieren. Diese Sorge ist nun Gegenstand einer Anfrage Nolls an Josef Moser, den Minister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, die vergangene Woche eingebracht wurde.

Im Detail geht es um mögliche Unschärfen im Zusammenhang mit der Verschiebung der Verfassungsagenden; etwa ob es mit dem Sinn der Verfassung vereinbar ist, dass das Einbringen von Anklagen gegen Landeshauptleute durch einen Minister statt des Kanzlers stattfindet; oder um die Zuständigkeit von Kundmachungen; und dass auch ÖVP und FPÖ kein volles Vertrauen in ihre legistische Kunst hätten, belege, dass sie trotz des Globalverweises im Ministeriensgesetz im Hinblick auf die neue Zuständigkeit in Gesetzesentwürfen wiederholt die volle Namensnennung des neuen Ressorts anführen.

"Der eine oder andere legistische Lapsus könnte unterlaufen"

In Summe alles keine große Sache, wie auch Noll zugibt. Für relevant hält er es trotzdem, weil Josef Moser mit Hochdruck an einem Kehraus für nicht mehr in Anwendung befindliche Gesetzestexte arbeitet. Dieser will alle Vorschriften des Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechts außer Kraft setzen, die älter als 18 Jahre alt sind und von den Ministern als verzichtbar gemeldet werden. Noll befürchtet, dass dabei der eine oder andere legistische Lapsus unterläuft. Mit dann womöglich größeren Folgen.