Zum Hauptinhalt springen

Unternehmen in der Krise

Von Anton Schmidl

Recht

Ein aktuelles Fachgutachten schafft mehr Klarheit im "Going-Concern-Dilemma", wonach bei der Bewertung von Bilanzposten von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen wird.


Unternehmertum bedeutet Risiko - das zeigen nicht zuletzt die jüngsten spektakulären Pleiten der Republik, angefangen von Niki bis hin zu Forstinger und Svoboda. Ohne unternehmerisches Risiko gäbe es aber auch keine Marktwirtschaft. Genau in diesem Zwiespalt befindet sich die Geschäftsführung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, wenn sich das betreffende Unternehmen in der Krise befindet.

In Österreich herrscht generell einige Verwirrung und Vermischung von Bilanzrecht und Insolvenzrecht. Obwohl nach Bilanzrecht eigentlich von der Fortführung des Unternehmens als Postulat auszugehen ist, war bislang das Insolvenzrecht eher maßgeblich. Dies ist deshalb problematisch und widersprüchlich, weil das Insolvenzrecht generell risikoavers und auf Verwertung des Vermögens sowie Gläubigergleichstellung gerichtet ist, wohingegen das Bilanzrecht als Teil des Unternehmensrechtes die Risken- und Chancenaffinität von Unternehmern betont.

Mehr Klarheit schafft nun das Ende 2017 verabschiedete Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder: Hier wird auch auf die Verpflichtungen und Möglichkeiten der Darstellung der Situation des Unternehmens im Anhang hingewiesen. Bestehen erhebliche Zweifel an der Unternehmensfortführung (zum Beispiel bei negativem Eigenkapital) und ist ein Abgehen von Fortführungswerten noch nicht notwendig, so sind die wesentlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Unternehmensfortführung anzugeben.

Enthaftung in schwierigen Unternehmenssituationen

Diese Anhangangabe stellt die Manifestation der Ex-ante-Beurteilung des Abschlussaufstellers dar und dient damit im weitesten Sinne auch der Enthaftung in schwierigen Unternehmenssituationen. Nach dem Grundsatz: "Wer schreibt, der bleibt" sind also ausführliche Anhangangaben in Verbindung mit der Krisensituation im Jahresabschluss geboten und sinnvoll.

Das Gutachten schlägt in dieselbe Kerbe wie ein viel beachtetes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) Anfang letzten Jahres: In dem Urteil des obersten deutschen Bundesgerichts, das nach der Insolvenz eines Unternehmens die Aufklärungspflicht des Steuerberaters sowie dessen Erstellung des Jahresabschlusses bekrittelt, wird der redliche Bilanzersteller beziehungsweise Steuerberater entlastet - so paradox das klingen mag. Der BGH unterscheidet nämlich klar zwischen Insolvenzrecht und Unternehmensrecht. Zu unterscheiden ist demnach der Begriff der Fortbestehensprognose als insolvenzrechtliches Instrument zur Verneinung einer Überschuldung von dem Begriff der Fortführungsprognose, der für bilanzrechtliche Gegebenheiten die Fortführungsprämisse untermauert. Es wird weiters auch festgehalten, dass das "Going-Concern-Prinzip" und damit die Bilanzierung zu Fortführungswerten solange gilt, solange eine Fortführung nicht in hohem Maße unwahrscheinlich erscheint.

Selbst Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens führen vordergründig noch nicht zu einem Abgehen von der Fortführungsbilanzierung. Dies erfolgt erst dann, wenn objektiv betrachtet nur mehr die Einstellung der Unternehmenstätigkeit möglich oder beabsichtigt ist.

Nicht der Steuerberater ist verpflichtet, eine Überschuldungs- oder Fortführungsbeurteilung durchzuführen, dies ist Aufgabe des Abschlussaufstellers, nämlich des gesetzlichen Vertreters. Da der Steuerberater bei Erstellung des Jahresabschlusses aber regelmäßig auch den Anhang erstellt, ist er nach in Österreich seit vielen Jahren vorliegenden Grundsätzen bei der Erstellung von Jahresabschlüssen verpflichtet, bei seinen Klienten genaue Erkundigungen zu Fragen der Überschuldung bei negativem Eigenkapital einzuholen. Lapidare Erklärungen wie: "Eine Überschuldung liegt aufgrund des Vorhandenseins stiller Reserven nicht vor" oder Ähnliches wird dabei wohl regelmäßig zu wenig sein.

Allerdings liegt eine Überschuldung wesentlich schneller vor, nämlich bei überwiegender Wahrscheinlichkeit. Ein Abgehen von der Fortführungsannahme der Bewertung im Bilanzrecht ist erst bei hohem Maße der Unwahrscheinlichkeit gegeben.

Klare Trennung von Bilanzaufstellung und Insolvenz

Das Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ebenso wie das deutsche Urteil helfen bei der Bewältigung komplexer Krisensituationen - wie sie im Wirtschaftsleben regelmäßig vorkommen. Das Fachgutachten deshalb, weil es zur Entwirrung dieser komplexen Situation beiträgt. Das deutsche Urteil deshalb, weil zwar die eigentlich selbstverständliche Pflicht der Steuerberater zur Plausibilisierung der Fortführungsannahme festgehalten wird, aber insbesondere Bilanzaufstellung und Insolvenz klar trennt.

Anton Schmidl ist Partner der SOT im internationalen Netzwerk von Crowe Horwath und Leiter der Arbeitsgruppe Going Concern des Fachsenats für Unternehmensrecht sowie Lektor an der WU Wien und Universität Klagenfurt. SOT