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(Un-)Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten

Von Oliver Walther

Recht

In der letzten Parlamentssitzung wenige Tage vor der Nationalratswahl im Oktober 2017 haben SPÖ, FPÖ und Grünen im Eilverfahren die (angeblich) endgültige Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten beschlossen. Von einer generellen Gleichbehandlung kann jedoch keine Rede sein.

Das österreichische Arbeitsrecht unterteilt die Arbeitnehmerschaft seit jeher in Arbeiter und Angestellte. Diese Unterscheidung ist vor allem für die Frage von Bedeutung, welche Rechtsgrundlagen beziehungsweise Kollektivverträge auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Für die Einteilung in die eine oder die andere Gruppe ist die verrichtete Tätigkeit entscheidend. Angestellter ist, wer kaufmännische Dienste, höhere nicht kaufmännische Dienste oder Kanzleiarbeiten leistet. Arbeiter ist jeder, der nicht als Angestellter gilt. Mit der am 12. Oktober 2017 im Nationalrat beschlossenen Gesetzesänderung sollten auch die letzten Unterschiede beseitigt werden.

Entgeltfortzahlung neu

Die erste wesentliche Neuerung betrifft die Vereinheitlichung der Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unglücksfall, wobei die Entgeltfortzahlung der Angestellten an die Systematik der Arbeiter angeglichen wurde. Das bedeutet, dass in Zukunft auch für Angestellte der Betrachtungszeitraum das Arbeitsjahr ist und kein Anspruch auf einen reduzierten Grundanspruch bei Wiedererkrankung besteht; die bisherige komplizierte Wiedererkrankungsregel entfällt. Bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres kommt es somit nun bei beiden Berufsgruppen zu einer Zusammenrechnung der Anspruchszeiten.

Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres steht der Anspruch wieder in vollem Umfang zu. Im Gegenzug erhalten Angestellte -wie bisher die Arbeiter - bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten separate Entgeltfortzahlungsansprüche pro Anlassfall, ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung ("zweiter Topf"). Schließlich ist noch vorgesehen, dass künftig auch bei Angestellten durch den Kollektivvertrag oder eine Betriebsvereinbarung vereinbart werden kann, dass sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Kalenderjahr richtet.

Sowohl Angestellte als auch Arbeiter haben ab 1. Juli 2018 bereits nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses Anspruch auf acht Wochen volle Entgeltfortzahlung, und nicht wie bisher erst nach fünfjähriger Dauer. Anders als bisher gebührt die Entgeltfortzahlung über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus auch dann, wenn dieses im Krankenstand oder im Hinblick auf einen Krankenstand einvernehmlich beendet wird.

Angleichung bei Kündigungen

Als wesentlich weniger geglückt bezeichnet werden dürfen die Änderungen im Zusammenhang mit der Auflösung von Dienstverhältnissen. Unproblematisch ist zunächst die Beseitigung einer Benachteiligung bestimmter teilzeitbeschäftigter Angestellter. Nach der bis 31. Dezember 2017 gültigen Rechtslage galten die Kündigungsbestimmungen des § 20 AngG nur dann, wenn die Arbeitszeit bezogen auf den Monat mindestens ein Fünftel des 4,3-fachen der Normalarbeitszeit betragen hat. Diese Einschränkung ist mit 1. Jänner 2018 weggefallen. Die Kündigungsbestimmungen des AngG finden nun unabhängig vom Ausmaß der Beschäftigung auf alle Angestellten Anwendung.

Das Herzstück der beabsichtigten Harmonisierung ist jedoch die Angleichung der Kündigungsfristen und -termine der Arbeiter an die für Angestellte geltenden Regelungen. Mangels einer für den Arbeiter günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis künftig nur mehr mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten 15. Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten 25. Dienstjahr auf fünf Monate. Eine Verkürzung der Kündigungsfristen ist nicht möglich, jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am 15. oder am letzten des Kalendermonats endet. Arbeiter können das Dienstverhältnis indes mit dem letzten Tag eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen.

Für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, können durch Kollektivvertrag abweichende Regelung (auch kürzere Kündigungsfristen) festgelegt werden. Dienstverhältnisse, die nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs vereinbart sind, können während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Frist gekündigt werden.

Die neuen Bestimmungen, die auf nach dem 31. Dezember 2020 ausgesprochene Beendigungen anzuwenden sind, bedeuten einen massiven Eingriff in bestehende Verträge. Kündigungsfristen werden um ein Vielfaches verlängert, und Kündigungen durch den Arbeitgeber sind nur mehr zum Quartalsende möglich. Während Arbeitgeber in Zukunft bei neuen Verträgen - wie bei den Angestellten mittlerweile üblich - den 15. und den Monatsletzten als Kündigungstermine festlegen können (und sollten), ist dies bei bestehenden Verträgen ohne Zustimmung des Arbeiters nicht möglich. Langjährig beschäftige Arbeiter werden dadurch sogar bessergestellt als Angestellte.

Unterschiede bei Lohnniveau

Abgesehen davon bestehen auch in Zukunft Unterschiede, wie etwa bei den Entlassungsgründen, die für Arbeiter enger gefasst sind als für Angestellte. Auch das Konkurrenzverbot ist für Angestellte wesentlich strenger, wofür es jedoch keine Rechtfertigung (mehr) gibt. Ebenso wird es weiterhin unterschiedliche Kollektivverträge mit unterschiedlichem Lohnniveau und getrennte Betriebsräte für Arbeiter und Angestellte geben, was einen erheblichen administrativen Aufwand bedeutet. Auch die Ungleichbehandlungen bei Berufsunfähigkeit und Invalidität wurden nicht beseitigt.

Von einer vollständigen Beseitigung der letzten Ungleichheiten - wie von den für diesen Gesetzesbeschluss verantwortlichen Parteien suggeriert -kann daher keine Rede sein. Die neuen Regeln bringen deutliche Erschwerungen für Arbeitgeber mit sich, denen jedoch kein adäquater Ausgleich gegenübersteht. Möglichkeiten dazu hätte es genug gegeben. Aber das haben kurzfristig verteilte "Wahlzuckerl" nun einmal an sich.

Trotz Gesetzesänderung kann von einer endgültigen Gleichstellung der Arbeitsverhältnisse keine Rede sein.

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