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Die Verrechtlichung des Fußballs schreitet voran

Von Christoph Krones

Recht

Da es kein einheitliches "Fußballrecht" gibt, sind Verbandsregelwerke und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch als Rechtsquellen heranzuziehen - und diese sind je nach Land verschieden.


Die Fußballweltmeisterschaft in Russland ist im vollen Gange. Mittlerweile konnten wir schon, wie bei Großereignissen im Fußball üblich, die ein oder andere Überraschung erleben. Es bleibt abzuwarten, welche Mannschaft den Fifa-WM-Pokal am 15. Juli 2018 in Moskau in den russischen Himmel heben wird.

Die Voraussetzungen für eine so beliebte Sportart wie den Fußball sind, wie so oft, Regeln. Ohne Regeln wäre es sinnlos, ein Fußballspiel überhaupt anzupfeifen und auszutragen. Aber auch abseits des Platzes schreitet die Verrechtlichung des Fußballs immer schneller voran. Das hat sowohl mit der immer größeren Vermarktung wie auch mit der wachsenden Professionalisierung, vor allem des europäischen Fußballs, zu tun.

Spätestens seit 1995 und dem "Bosman-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs ist Fußballfans die Bedeutung des Rechts im Fußball bewusst. Das wegweisende "Bosman-Urteil" besagt insbesondere, dass ein Profi-Fußballer innerhalb der Europäischen Union nach dem Ende seines Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln kann. Abgesehen davon führte das "Bosman-Urteil" dazu, dass nationale Beschränkungen für Profisportler innerhalb der Europäischen Union weitestgehend abgebaut werden mussten.

Auch wenn es kein einheitliches "Fußballrecht" gibt, sind die Verbandsregelwerke (Fifa, Uefa oder ÖFB) und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) sowie unterschiedliche Materiengesetze (zum Beispiel Arbeits-, Unternehmens- oder Strafrecht) als Rechtsquellen im Fußballsport heranzuziehen. Die erwähnten Rechtsquellen und -gebiete haben in allen Bereichen des Fußballs ihre unterschiedliche Bedeutung.

Klage und Beschwerdebei der Fifa nach Foul

Angefangen bei den Spielern, ihren Verträgen und arbeitsrechtlichen Situationen, worüber ich in meinem vorigen Beitrag in der "Wiener Zeitung" vom 1. Juni 2018 geschrieben habe, über die Vereine und deren wirtschaftliche Zielsetzung bis hin zu den Fans und deren Sicherheit im Stadion, spielen die rechtlichen Aspekte im Fußball eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Fußballfans dürften sich in diesem Zusammenhang an das Finale der Uefa-Champions-League 2018 zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid erinnern. Im Zuge dieses Spiels verletzte Sergio Ramos, Verteidiger des "weißen Balletts", den Stürmer der "Reds", Mohamed Salah, durch ein Foul, sei es beabsichtigt oder nicht, an der Schulter. Diese Verletzung hatte die Auswechslung von Mohamed Salah zur Folge, die den FC Liverpool in weitere Folge deutlich schwächte. Real Madrid gewann das Finale mit 3:1.

Basierend auf dem erwähnten Foul von Sergio Ramos an Mohamed Salah hat ein ägyptischer Anwalt mittlerweile Klage gegen Sergio Ramos erhoben und eine Beschwerde bei der Fifa eingereicht. Der Anwalt begründete die Klage im Wesentlichen damit, dass Mohamed Salah und dem ägyptischen Volk physische und psychische Schmerzen zugefügt worden seien.

Wie groß wären nun die Erfolgsaussichten einer solchen Klage unter Zugrundelegung des österreichischen Rechts? Ganz grundsätzlich ist dabei an allfällige Schadenersatzansprüche gemäß § 1293 ff ABGB und Fragen einer Körperverletzung gemäß § 1325 ABGB zu denken. Wesentlich für die erwähnten Schadenersatzansprüche wäre, dass der foulende Spieler, im erwähnten Fall eben Sergio Ramos, die Verletzung von Mohamed Salah durch ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten verursacht hätte.

Entsprechend der österreichischen Lehre und Rechtsprechung ist es so, dass ein Foul, das zur Verletzung eines Gegenspielers führt, grundsätzlich nicht als rechtswidrig behandelt wird. Dadurch hat sich nämlich nur ein Risiko verwirklicht, dem sich alle Spieler bewusst aussetzen. Darüber hinaus hätte der gefoulte und verletzte Spieler den Beweis zu erbringen, dass das Verhalten des foulenden Spielers "über einen beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausging" (OGH 22.09.1987, 5 Ob 578/87). Ein solcher Beweis wird, in der Regel, nicht ganz einfach zu erbringen sein. Aus einem Foul, wie dem von Sergio Ramos an Mohamed Salah, könnte in Österreich daher wahrscheinlich kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden. Die Klage wäre wohl abzuweisen.

Rechtliche Folgen lange nach Abpfiff des Spiels möglich

Der geschilderte Fall zeigt jedenfalls klar auf, dass es auch im Fußballsport zu interessanten und durchaus folgenschweren rechtlichen Auseinandersetzungen kommen kann, auch lange nachdem ein Spiel bereits abgepfiffen worden ist.

Es wird daher auch aus rechtlicher Hinsicht spannend sein, die aktuelle Fußballweltmeisterschaft zu verfolgen. Man wird sehen, ob rechtlich relevante Ereignisse in Russland die Gerichte noch befassen werden, wenn der nächste Weltmeister schon längst feststeht.

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