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Zeitliches Dilemma zwischen Theorie und Praxis

Von Georg Eisenberger und Elisabeth Furherr

Recht

Mit dem "Umweltpaket", das der Ministerrat am Mittwoch beschlossen hat, wird die dritte Säule der Aarhus-Konvention der EU, die 2005 von Österreich ratifiziert wurde, in den ausstehenden Umweltmaterien des Bundes im Bereich Wasser, Luft und Abfall umgesetzt. Die Beschleunigung von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) wurde angekündigt.

In den UVP-Feststellungsverfahren (UVP) nach § 3 Abs 7 UVP-G soll grundsätzlich rasch festgestellt werden, ob ein Vorhaben umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig ist oder nicht. Der Gesetzgeber sieht dabei eine Frist von sechs Wochen für die erste Instanz (§ 3 Abs 7 UVP-G) und von weiteren sechs Wochen für das Bundesverwaltungsgericht (§ 40 UVP-G) vor. Zuzüglich Beschwerdefrist von vier Wochen sollte man als Bewilligungswerber also in spätestens 16 Wochen wissen, ob ein Vorhaben UVP-pflichtig ist oder nicht. Das sind also vier Monate Vorlaufzeit, bevor das eigentliche Projektverfahren beginnen kann. Dieser im europäischen Vergleich durchschnittliche Projektvorlauf allein sollte die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich nicht nachhaltig beeinträchtigen. So viel zur Theorie.

Sechswöchige Frist schon in erster Instanz nicht eingehalten

In der Praxis stellt sich die Sache dann aber regelmäßig ganz anders dar. An einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) (W1182182922-1/9E) lässt sich die Problematik leicht nachvollziehen. Das BVwG hält dort fest: "Sind (wie praktisch regelmäßig, Anm.) mehrere Sachverständigengutachten einzuholen, kann eine Entscheidungsfrist von sechs Wochen bei realistischer Betrachtung per se kaum eingehalten werden." Die Praxis bestätigt das eindrucksvoll. In mittlerweile der Mehrzahl von Fällen, in denen Sachverständigengutachten eingeholt werden, wird die sechswöchige Frist schon in erster Instanz nicht eingehalten.

Die Nichteinhaltung der Frist berechtigt zwar "bei überwiegendem Verschulden der Behörde" zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde. Damit fängt das Zeitdilemma aber erst an. Im zitierten Erkenntnis vertritt das BVwG die Auffassung, ein überwiegendes Verschulden der Behörde treffe nur die eigene Behörde, nicht aber andere Behörden oder langsam arbeitende Sachverständige. Und außerdem habe die Behörde auch im Feststellungsverfahren nach Überreichung der Säumnisbeschwerde die von § 16 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) für normale Verfahren gewährten vollen drei Monate Zeit, das erstinstanzliche Erkenntnis nachzuholen. Erst dann müssten die Unterlagen an das BVwG übermittelt werden.

Und nach der Beschwerde, zu der auch NGOs berechtigt sind, hat das BVwG wiederum sechs Wochen Zeit. Gerade bei Beschwerden von NGOs zieht das BVwG aber ebenfalls häufig Sachverständige bei. Angesichts der Beobachtung des BVwG, wonach sechs Wochen für ein Verfahren mit Sachverständigen nicht ausreichen, lässt sich leicht der Schluss ziehen, dass auch das BVwG selbst die gesetzlich vorgegebenen sechs Wochen häufig nicht einhalten kann. So mag es kaum verwundern, dass eine Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr keine Seltenheit ist, bis feststeht, ob einzelne Bewilligungsverfahren oder ein großes Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchzuführen sind. Das dagegen ist als Vorlaufzeit für ein Verfahren im europäischen Vergleich eindeutig zu lang und stellt einen massiven Wettbewerbsnachteil für den Wirtschaftsstandort dar.

Verschärft wird dieses Zeitdilemma durch eine kürzlich ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) (20. 12. 2017, Ra 2017/04/0060). Dieser hat nämlich ausgesprochen, dass die Sperrwirkung des § 3 Abs 6 UVP-G, also das Verbot der Erteilung von Einzelmateriengenehmigungen bis zum Abschluss des Feststellungsverfahrens, auch auf Feststellungsverfahren nach § 3 Abs 7 UVP-G anzuwenden ist. Bis zum Abschluss eines durch die Standortgemeinde, den Umweltanwalt oder die Behörde eingeleiteten Feststellungsverfahrens (zum Beispiel nach einem wasserrechtlichen Bewilligungsantrag) "ruht" somit das anhängige Bewilligungsverfahren. Der Zeitverlust vor Beginn des eigentlichen Bewilligungsverfahrens von bis zu einem Jahr und mehr entsteht somit auch bei gänzlich unberechtigten Anträgen für eigentlich eindeutig unter den Schwellenwerten liegende Projekte.

Risiko einer falschenBewilligung trägt Projektant

Das wäre nicht notwendig, und hier ist der Gesetzgeber gefordert. Gerade bei großem Widerstand gegen ein Projekt und absehbarem Durchlaufen des Instanzenzuges in den Einzelverfahren führt die Sperrfrist zu einer unzumutbaren und standortfeindlichen Zeitverzögerung. Wenn schon - mit Billigung des BVwG - die Feststellungsverfahren regelmäßig deutlich länger dauern als im Gesetz vorgesehen, dann sollte es selbstverständlich sein, dass diese Zeit nicht ungenutzt verstreicht. Die Zeit soll für das vom Projektanten für richtig befundene Verfahren genutzt werden. Das Risiko einer falschen Bewilligung trägt ohnedies der Projektant.

Die Dauer der Umweltverträglichkeitsprüfung zieht
sich bereits beim Feststellungsverfahren in die Länge.

Zu den Autoren

Elisabeth Furherr arbeitet in der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Österreichischen Wirtschaftskammer.

Georg Eisenberger ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei Eisenberger & Herzog und unterrichtet an der Universität Graz.