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Auf der Schnellstraße zum Recht

Von Sophie Martinetz und Sophie Werner

Recht

Legal Design Thinking oder wie man komplexe Anforderungen im Rechtsbereich kreativ und strukturiert lösen kann.


Umdenken ist manchmal gar nicht so einfach, sind wir doch darauf trainiert, sich wiederholende Stimuli zu verarbeiten und sie in klaren Schemata anzulegen. Das "Non plus Ultra" bei immer wiederkehrenden Problemen ist eine möglichst automatisierte Lösung. Dieses Verhalten führt bei komplexen Herausforderungen aber oft in eine Sackgasse. "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind", wusste schon Albert Einstein. Und genau hier setzt die Design Thinking Methode an.

Legal Design Thinking ist eine ganzheitliche und auf den Nutzer (wie Mandanten, Kläger, Richter, Vertriebsmitarbeiter) zentrierte Technik, um Lösungen zu finden, die aus NutzerInnensicht überzeugend sind - wohl gemerkt, nicht aus Anwenderseite (zum Beispiel Anwalt oder Rechtsabteilung).

Es gibt verschiedene Variationen des Design Thinking Prozesses mit unterschiedlich vielen "Stufen". Am bekanntesten ist dabei wahrscheinlich das Fünf-Phasen-Modell des Hasso-Plattner Institute of Design at Stanford. Hier wird kategorisiert in: mitfühlen, definieren, Ideen generieren, Prototypen kreieren und testen.

Wie funktioniert das konkret? Legal Design Thinking basiert auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Setting zusammenarbeiten. Gemeinsam entwickeln sie für die Zielgruppe relevante Fragestellungen, die die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen in den Mittelpunkt stellen. Anschließend erarbeiten sie Ideen, die rasch prototypisiert werden sollen. Dieser Ansatz ist eine Kombination aus Verstehen, Beobachten, Verfeinern, Ideenfinden, Ausführen und Lernen. Das Testen geht quasi Hand in Hand mit dem Kreieren eines Prototyps und ist ein Vor und Zurück, bei dem der Nutzer nun erstmals auf das Produkt reagieren kann und Feedback gibt. Als Design Thinker versucht man zuerst, herauszufinden, was der Bedarf der Zielgruppe ist, und schließlich, das Problem zu identifizieren und zu konkretisieren. Das Resultat sollte die Hauptpunkte umfassen, die dem potenziellen Nutzer wichtig sind.

Dieses Modell ist nicht linear, sondern eine iterative Schleife des Hinterfragens und Verbesserns. Bildlich kann man sich einen Kreisverkehr vorstellen. Jede Ausfahrt ist zu jeder Zeit möglich, und selbst, wenn man sich entschieden hat, kommt man oftmals zum nächsten Kreisverkehr und kann einen anderen Weg zum Ziel wählen.

Grundsätzlich sehen sich derzeit viele Juristen den neuen Herausforderungen der Digitalisierung gegenüberstehen. Langsam aber doch entwickeln sie Effizienzen in der eigenen Arbeitsweise und neue, digitale Geschäftsmodelle. Hier helfen bewährte Routine und Ansätze nicht viel weiter. Und hier setzt Legal Design Thinking konkret an.

Es soll den Nutzern des Rechts die beste Nutzererfahrung ermöglichen. Anwendungsfälle sind etwa die künftige Art der Kommunikation mit Mandanten, das Angebot standardisierter Rechtsleistungen sowie die Hebung interner Büroabläufe, um sich mittelfristig einen echten Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. Man versetzt sich also beim gesamten Prozess in die Rolle des Users.

Das Konzept lässt sich in den juristischen Alltag einbauen, allerdings nicht zwischen der Bearbeitung von Akten: Legal Design Thinking braucht Freiraum und Platz abseits der täglichen Arbeit, idealerweise als Seminar oder Gruppenübung und mit der Absicht, entwickelte Prototypen und Ideen auszuprobieren. Future-Law bietet gemeinsam mit Wonderwerk erstmalig in Österreich Legal Design Thinking Workshops an.

Bis Ende dieses Jahres wird künftig an dieser Stelle jeden letzten
Freitag im Monat eine Kolumne eines Experten der Plattform Future-
Law zum Thema Legal Tech erscheinen.

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