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Wer die Ausbildung verweigert, den bestraft nicht nur das Leben

Von Wolfgang F. Vogel

Recht

Seit 1. Juli müssen Erziehungsberechtigte dafür sorgen, dass Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen über den Pflichtschulabschluss hinaus in Anspruch nehmen. Sonst drohen Strafen.


Mangelhafte Ausbildung bestraft das Leben - und der Arbeitsmarkt. Am 1. Juli kam auch noch die Verwaltungsbehörde dazu. Konkret: Erziehungsberechtigte sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen über den Pflichtschulabschluss hinaus in Anspruch nehmen. Wenn nicht, drohen Strafen in Form von Geldstrafen zwischen 100 und 500 Euro; im Wiederholungsfall von 200 bis 1000 Euro.

Jugendliche, die ohne ein Ausbildungsziel einfach nur so als Hilfsarbeiter tätig sind, soll es nicht mehr geben. Es sollte sie schon seit zwei Jahren nicht mehr geben, nunmehr kann aber dieses Ziel mit Geldstrafen erzwungen werden. Diese letzte Etappe des Ausbildungspflichtgesetzes kommt zu einem Zeitpunkt unter die Leselampen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, an dem das Arbeitsmarktservice als die Behörde, die es vornehmlich betreffen wird, eher weniger als mehr Geld zur Erfüllung der Aufgaben haben wird.

Man könnte auch sagen, die Vergangenheit holt da die Arbeitsmarktpolitik ein: Das Gesetz gibt es dem Grunde nach als Absichtserklärung schon seit zwei Jahren, vor einem Jahr wurde es konkretisiert und nunmehr, ab dem 1. Juli 2018 können auch Strafen verhängt werden. Straffällig sind Erziehungsberechtigte, die es unterlassen, dafür zu sorgen, dass Jugendliche "einer Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahme nachgehen", wie es § 4 des Ausbildungspflichtgesetzes (APflG) normiert. Wer gleich nach dem Pflichtschulabschluss eine Lehre beginnt oder eine weiterführende Schule besucht, unterfällt dem Gesetz erst, wenn er das vorzeitig abbricht.

Natürlich ist nicht alles, was so angeboten wird, geeignet, diese Ausbildungspflicht zu erfüllen. Die Maßnahme oder Beschäftigung muss mit einem Perspektiven- oder Betreuungsplan vereinbar sein, der vom Arbeitsmarktservice (AMS) oder vom Sozialministeriumservice (SMS) erstellt wurde. Für die Erstellung dieser Perspektiven- und Betreuungsplänen werden Grundsätze von einem Beirat festgelegt. Dazu gibt es schon einen ersten Katalog. Die Erfüllung der Ausbildungspflicht kann insbesondere erfolgen durch:

Teilnahme an Kursen, die auf schulische Externistenprüfungen oder auf einzelne Ausbildungen vorbereiten (zum Beispiel Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Pflichtschulabschlussprüfung oder Berufsausbildungsmaßnahmen);

Ausbildung in einem Pflegehilfelehrgang, in einer zahnärztlichen Assistenz, zum medizinischen Masseur, zum Heilmasseur, zum Rettungssanitäter sowie zum Notfallsanitäter;

Ausbildung in einem Sozialbetreuungsberuf;

Teilnahme an einem für den Jugendlichen geeigneten anerkannten arbeitsmarkt- oder bildungspolitischen Angebot, das zielgerichtet auf eine Integration oder Reintegration in weiterführende Ausbildungs- und Bildungsangebote vorbereitet;

Teilnahme an einem für das Ergreifen einer weiterführenden (Aus-)Bildung erforderlichen Sprachkurs für Jugendliche, die der besonderen Förderung in der deutschen Sprache bedürfen;

Teilnahme an einer Maßnahme für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf, die deren Integration in den Arbeitsmarkt erleichtert.

Eine Liste, die durchaus bekannt vorkommen könnte. Immerhin sind sehr viele Maßnahmen, die da aufgezählt werden, solche, die von der Bundesregierung zum Kürzen ins Auge gefasst worden sind. Trost spendet hier das Gesetz: Ausbildungsfreie Zeiträume von bis zu vier Monaten innerhalb von zwölf Kalendermonaten stellen keine Verletzung der Ausbildungspflicht dar. Dasselbe gilt für Zeiträume (Wartezeiten), in denen trotz Bereitschaft der Jugendlichen keine Ausbildungsmaßnahmen bereitgestellt werden können. Was ja auch schon als elegantes Hintertürl des Gesetzes gesehen werden kann: Acht Monate des Jahres warten auf eine Maßnahme, die sich eh niemand leisten kann, und vier Monate Urlaub von diesem Warten. Beides kann sinnvoll genutzt werden für Praktika und andere prekäre Arbeitsformen.

Die "Generation Praktikum" muss also nicht unter Artenschutz gestellt werden. Sie wird überleben, und zwar nicht nur als zartes Pflänzchen. Es ist also nicht so, dass Jugendliche, die zwar möchten, aber keine Ausbildungsmöglichkeit finden, auch schon den Strafmaßnahmen anheimfallen. Das wäre ja ungerecht.

Die Jugendlichen fallen ja nicht direkt den Strafmaßnahmen anheim. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten der betroffenen Jugendlichen sehr wohl. Und sie haben sich dabei an einen Perspektiven- und Betreuungsplan zu halten. Diesen Plan soll das AMS oder das SMS bewerten. Am besten vorher, denn Beschäftigungen, die Jugendliche ohne diese Vereinbarung aufgenommen haben oder die mit einem bestehenden solchen Plan nicht vereinbar sind, werden anhand der Anmeldungen zur Sozialversicherung ermittelt.

Die betroffenen Jugendlichen und deren Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten werden sodann zu einem Beratungsgespräch eingeladen, in dem - individuell und auf die Besonderheiten des Einzelfalls zugeschnitten - die allenfalls möglichen Vorteile durch die Beschäftigung und die Nachteile für die Chancen qualifizierterer Beschäftigung oder sonstige Entwicklungschancen des Jugendlichen erörtert und abgewogen werden. Bleiben Einladungen zum Beratungsgespräch unbeachtet, so wird schriftlich darauf hingewiesen, dass dies verpflichtend ist und bei wiederholter Nichtbeachtung der Einladung die Ausbildungspflicht verletzt wird.

Ganz schön viele neuen Aufgaben für das AMS, das ja auch jetzt schon nicht an Mangel leidet. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Kreis derer, die dieses Gesetz umfasst, doch sehr weit ist. Die Ausbildungspflicht betrifft Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, die die allgemeine Schulpflicht erfüllt haben und sich nicht nur vorübergehend in Österreich aufhalten. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind ausbildungspflichtig, Asylwerber hingegen nicht.

Ein Trost: Die organisatorischen und administrativen Rahmenbedingungen traten bereits mit 1. August 2016 in Kraft, die Ausbildungspflicht ist erst ab 1. Juli 2017 wirksam, und Verwaltungsstrafen bei Nichterfüllung der Ausbildungspflicht dürfen überhaupt erst seit 1. Juli 2018 und dann nur über Tatbestände nach diesem Datum verhängt werden.

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