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Kürzer und billiger

Von Helmut Schmidt

Recht
Helmut Schmidt von Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte Graz/Wien ist auf M&A, Gesellschaftsrecht und Umgründungen spezialisiert.
© privat

Seit 25. April liegt ein Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission bezüglich Digitalisierung im Gesellschaftsrecht vor.


Der Antragsteller soll nicht mehr physisch - etwa bei einer Behörde - erscheinen müssen.
© Fotolia/Westend61

"Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir in der sich schnell entwickelnden Welt am Ball bleiben - und das geht am besten digital", sagte Vera Jourová, Justizkommissarin der Europäischen Union, im Rahmen des Treffens der EU-Regierungschefs, das im September 2017 in Tallinn unter dem Titel "Crossing Borders, Digitally" stattfand. Die Themen: Digitalisierung im Gesellschaftsrecht und grenzüberschreitende Mobilität für Unternehmen. Dass das Gastgeberland Estland bei der Digitalisierung in der EU eine Vorreiterrolle einnimmt, ist bekannt - dort kann man bereits seit Jahren online wählen, online Verträge unterzeichnen und auch Gesellschaften online gründen.

Seit 25. April 2018 liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht vor. Damit werden digitale Lösungen für Formalitäten im Laufe des Lebenszyklus einer Gesellschaft angestrebt, mit dem Ziel, die Behördenkontakte zu vereinfachen, die Bearbeitungsdauer zu verkürzen sowie die Kosten zu senken. Worum geht es nun konkret?

Die Gründung einer Gesellschaft oder die Errichtung einer Zweigniederlassung soll vollständig online erledigt werden können, ohne dass der Antragsteller physisch bei einer Behörde oder einer sonstigen Person oder Stelle erscheinen muss. Die Bearbeitung soll innerhalb einer Maximalfrist von fünf Arbeitstagen nach Erhalt sämtlicher Unterlagen erfolgen. Die Mitgliedsstaaten haben zur Vereinfachung des Gründungsprozesses den Antragstellern Muster der Gründungsurkunden online zur Verfügung zu stellen.

Einen ähnlichen Schritt hatte der österreichische Gesetzgeber im Rahmen der letzten GewO-Novellen gesetzt. Durch das GewerbeInformationsSystem Austria (GISA) kann nunmehr jeder Unternehmer österreichweit eine elektronische Gewerbeanmeldung durchführen und muss dafür nicht mehr persönlich vor der Gewerbebehörde erscheinen. Zudem sind die wichtigsten unternehmensbezogenen Daten sämtlicher Gewerbebetriebe, die in Österreich niedergelassen sind online und kostenlos für jedermann zugänglich.

Es soll künftig der Grundsatz der einmaligen Erfassung gesellschaftsrechtlicher Informationen in grenzüberschreitenden Fällen gelten. Jener Mitgliedsstaat, in dem eine Gesellschaft eingetragen ist, ist verpflichtet, die Mitgliedsstaaten, in denen eine Zweigniederlassung eingetragen ist, mit Hilfe des Systems der Registervernetzung von Änderungen (zum Beispiel Firmenwortlaut, Anschrift) zu unterrichten. Durch diese Registervernetzung soll zudem nachprüfbar sein, ob Personen, die als Geschäftsführer eingetragen werden sollen, in einem anderen Mitgliedsstaat bereits für ungeeignet erklärt wurden.

Der kostenlose Zugang zu Informationen über eine Gesellschaft soll erweitert werden. Nicht nur der Name, die Anschrift, die Eintragungsnummer und die Rechtsform, sondern auch allfällige Angaben zur Webseite, zum Unternehmensgegenstand, zur Anzahl der Beschäftigten, zu den vertretungsbefugten Organen, zur Rechtsstellung der Gesellschaft (gelöscht, in Liquidation oder Ähnliches) sowie zu allfälligen Niederlassungen in den Mitgliedstaaten, sollen den Nutzern künftig kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Voraussetzung ist jedoch stets, dass diese Informationen in den jeweiligen nationalen Registern verzeichnet sind.

Derzeit erhält man derartige Informationen in Österreich kostenpflichtig durch eine Firmenbuchabfrage im Internet über sogenannte "Verrechnungsstellen" sowie bei den Firmenbuchgerichten, Notaren, Anwälten und Wirtschaftstreuhändern. Wenn jedoch eine öffentliche Urkunde zwecks Vorlage vor einer Behörde benötigt wird, dann bleibt der Weg zum Landesgericht oder zum Notar nicht erspart, denn nur dort werden kostenpflichtig beglaubigte Auszüge erstellt.

Die Mitgliedsstaaten haben eine sichere elektronische Identifizierung anhand von elektronischen Identifizierungsmitteln zu gewährleisten. In Österreich käme hierfür etwa die Bürgerkarte, die als ein amtlicher Ausweis im elektronischen Verwaltungsverfahren gilt, in Betracht. Außerdem sollen sich die Nutzer aus allen Mitgliedstaaten auf die in das Unternehmensregister eingegebenen und öffentlich zugänglich gemachten Informationen verlassen können, wodurch die im österreichischen Unternehmensgesetzbuch (§ 15 UGB) statuierten Grundsätze des Vertrauens- und Verkehrsschutzes nunmehr eine europaweite Geltung entfalten würden. Weitere Schritte - wie zum Beispiel die Veröffentlichung in nationalen Amtsblättern oder etwa eine Einsichtnahme in solche - sollen künftig nicht mehr erforderlich sein.

Kommt die Richtlinie in der nun vorgeschlagenen Form, so scheint Österreich für diese neuen Herausforderungen auf nationaler Ebene gut gerüstet zu sein. Die Digitalisierung und bessere Vernetzung unter den Registerämtern der Mitgliedstaaten sind eine wesentliche Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des EU-Binnenmarktes in der Zukunft.

Ein Blick in die Zukunft zeigt: Die Europäische Kommission bleibt in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten aktiv und hat einen weiteren Richtlinienvorschlag zu grenzüberschreitenden Umwandlungen und Sitzverlegungen (specific and comprehensive procedures for cross-border conversions, divisions and mergers to foster cross-border mobility in the EU) vorgelegt. Es bleibt also spannend.