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Trennen, was zusammen gewachsen ist?

Von Holger Blisse

Recht

Das Genossenschaftsspaltungsgesetz schafft Möglichkeiten, die Genossenschaft den Kapitalgesellschaften anzunähern.


Das Wort Genosse(nschaft) enthält die Bedeutung, etwas zusammen zu nutzen. Viele Genossenschaften sind sehr groß geworden, auch durch Fusionen. Im Bankensektor wurden aus 64 Volksbanken (2012) acht, aus 625 beziehungsweise 520 Raiffeisenbanken (2000/2012) bis heute 419. Die meisten Raiffeisenbanken firmieren als Genossenschaft, bei den Volksbanken sind es nur noch drei Institute. Die übrigen stehen als Aktiengesellschaft (AG) im Eigentum von Verwaltungsgenossenschaften. Genossenschaften gibt es in sehr vielen verschiedenen Bereichen der Wirtschaft.

Liest man im Kommentar zum Genossenschaftsgesetz (GenG), so tut Veränderung der Genossenschaft keinen Abbruch. Zu § 79 GenG heißt es dort: ". . . über das Bestandsinteresse ihrer eigenen Genossenschaft hinaus [wird versucht] . . ., die ‚Genossenschaftsidee‘ und das Genossenschaftsvermögen als überindividuelles Erbe für ihre Region zu bewahren" (Dellinger, 2014).

Das Genossenschaftsspaltungsgesetz (GenSpaltG) wird mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Erläutert wird der Bedarf für dieses schon länger bedachte Gesetz damit, dass den Genossenschaften "im österreichischen Recht bislang nur sehr beschränkte Möglichkeiten für Umgründungen zur Verfügung [stehen]". Dadurch bedingt "ist die Flexibilität von Genossenschaften eingeschränkt, was im Vergleich mit Kapitalgesellschaften einen Nachteil darstellt". Diese Aussage erkennt an, dass es sich bei der Genossenschaft nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt. In der Genossenschaft sind sowohl personen- als auch kapitalgesellschaftliche Elemente kombiniert. Fraglich ist, ob die Genossenschaft den Kapitalgesellschaften angenähert werden soll.

Ausnahme für gemeinnützige Wohnungswirtschaft

In der Sitzung des Nationalrats am 26. September stimmten alle Parteien der Regierungsvorlage zu. Zuvor wurde der existenzielle Bereich "Wohnen" gesondert geprüft. Mehrere gewichtige Stellungnahmen hatten sich dafür ausgesprochen, Unternehmen der Wohnungsgemeinnützigkeit in genossenschaftlicher Rechtsform vom GenSpaltG in gleicher Weise auszunehmen, wie dies für gemeinnützige Bauvereinigungen (GBV) vom Spaltungsgesetz für Kapitalgesellschaften im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) vorgesehen ist. Dies erklärt man unter anderem aus der Verpflichtung von GBV heraus, "das Vermögen ausschließlich für Aufgaben der Wohnungsgemeinnützigkeit zu verwenden". Diese Vermögensbindung "war und ist [. . .] ein wichtiger Eckpfeiler der Wohnungsgemeinnützigkeit". Die Regierungsvorlage trug dem Rechnung: "Auf gemeinnützige Bauvereinigungen sind das Spaltungsgesetz [. . .] sowie das Genossenschaftsspaltungsgesetz [. . .] nicht anzuwenden." (§ 11 Abs. 4 WGG).

Schwächt eine Spaltung die Mitgliederförderung? Der Genossenschaft wohnt ein Förderauftrag für die Mitglieder als Eigentümer inne. Dies wirkt in der gemeinnützigen Wohnwirtschaft über die Rechtsform hinaus. Damit stellt sich die Frage, ob das GenSpaltG nicht eher die Art zu wirtschaften verändert, die gerade in der genossenschaftlichen Rechtsform angelegt ist - und wie diese der GenG-Kommentar, aber auch ein wissenschaftliches Verständnis beschreiben: nämlich, dass Genossenschaften "anders als die anderen" (Brazda u. a., 2006) wirtschaften, um dauerhaft gute und günstige Angebote bereitzustellen, wie sie am Markt so nicht, nicht mehr oder nie zu bekommen sind beziehungsweise sein werden.

Welchen inhaltlichen Beweggrund könnte es, abgesehen von einem rechtssystematischen, für das Gesetz gegeben haben? Verbandsseitig werden Beispiele angeführt: Eine (Bank-)Genossenschaft könnte Teilfunktionen oder Teilleistungen auf eine Tochtergesellschaft übertragen wollen, die zum Beispiel als GmbH arbeitet, oder eine Filiale an eine andere Bank, weil die Filiale zu deren Marktgebiet besser passt. In jedem Fall kommt es zu Vermögensverfügungen über gewachsene Genossenschaften, die einer übergeordneten, zum Beispiel verbundpolitischen Optimierung folgen. Die Ebene der Einzelgenossenschaft gilt weniger. Dem mit der Spaltung nicht einverstandenen Mitglied bleibt ein Kündigungsrecht respektive die Wahlmöglichkeit seiner Zugehörigkeit, sofern mehrere Genossenschaften beteiligt sind (§ 9 Abs. 1 GenSpaltG).

Teile der Genossenschaft werden "disponierbar"

Wäre es darüber hinaus gesprochen denkbar, einzelne Sparten in eine AG weiterzuentwickeln? Hierzu steht die Umgründungsmöglichkeit im Bankwesengesetz (§ 92 BWG) für Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken und Genossenschaften bereit. Als weiterer Schritt wäre eine Angleichung des Umwandlungsrechtes für alle Genossenschaften an das der Kapitalgesellschaften denkbar. Dies entspräche dem Verständnis von "Rechtsformneutralität". Bisher dürfen Kapitalgesellschaften in die Genossenschaft wechseln. Genossenschaften sind vor der entgegengesetzten Richtung, mit Ausnahme der Banken, "geschützt", weil sie "anders wirtschaften" (sollen).

Eine Spaltung passt vor allem in das Marktkonzept einer an Kapitalverwertung durch Teilung, Übertragung und Übernahme von Unternehmen orientierten Wirtschaft. In gewisser Weise wird mit dem GenSpaltG zwar (noch) nicht die Genossenschaft selbst, aber werden doch Teile von ihr "disponierbar".

Genossenschaften entstanden in einer Zeit, als es einen Versorgungsmangel oder sogar eine Notlage zu beheben galt. Es ist keine zwangsläufige Folge, wenn die Genossenschaft erfolgreich wirkt, deren Einheit (teilweise) aufheben zu müssen, wie dies die Abspaltung zum Beispiel der nicht mehr für einen Ausgleich im Markt benötigten Unternehmensteile einleitet. Es sei denn, die Genossenschaft soll ihren moderierenden Beitrag im Markt und Wettbewerb verlieren und selbst in Richtung der AG und damit einer Börsennotierung entwickelt werden. Könnte es sein, dass dieses Gesetz in eine Zeit passt, in der versucht wird, nicht nur Österreich kennzeichnende und im Zeitverlauf gewachsene, vorbildliche Modelle eines sozialen Ausgleichs sowie die zugehörigen Institutionen zu verändern und an den Markt heranzuführen?

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