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Versuchter Schutz des Lebenswerkes

Von Albert Birkner und Nadine Leitner

Recht

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass der Entzug von Begünstigungen durch den Stifter einer Privatstiftung der Treuepflicht widersprach und rechtsmissbräuchlich erfolgte. Das hat viele Stifter verunsichert.


Der Oberste Gerichtshof hat im Vorjahr viele Stifter verunsichert. Das Höchstgericht entschied, dass der Entzug von Begünstigungen durch den Stifter einer Privatstiftung der Treuepflicht widersprach und rechtsmissbräuchlich erfolgte. Die Vornahme, die Änderung und auch der Entzug von Begünstigungen gehören zu den wesentlichsten Entscheidungen, die sich Stifter in der Regel vorbehalten wollen. Auch nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) ist dies im Allgemeinen zulässig und widerspricht keinen Treuepflichten. Entscheidend ist aber der Einzelfall.

Die aufsehenerregende Entscheidung des OGH betraf eine österreichische Industriellenfamilie. Der Unternehmensgründer und seine langjährige Ehefrau hatten eine Privatstiftung errichtet und Anteile am Familienunternehmen an die Privatstiftung übertragen.

Besondere Treuepflichten

Im Zuge der Scheidung des Ehepaars änderte der Unternehmensgründer die Begünstigtenregelung in der Stiftungserklärung. Weder seine langjährige Ehefrau noch seine Kinder sollten fortan Begünstigte sein. Die Ehefrau klagte und bekam vor dem OGH recht. Das Höchstgericht erkannte, dass besondere Treuepflichten zwischen Mitstiftern bestehen, wenn nur einer dieser Mitstifter berechtigt ist, die Stiftungserklärung zu ändern.

Im konkreten Fall erkannte der OGH im Ausschluss der Ehefrau und der Kinder des allein änderungsberechtigten Stifters als Begünstigte Rechtsmissbrauch. Dieser liegt vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegen oder wenn zwischen den eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen Dritter ein "ganz krasses Missverhältnis" besteht.

Der Unternehmensgründer wollte sein Lebenswerk schützen, das er durch die Handlungsweise seiner Familie bedroht sah. Diese Ansicht des Stifters stand jedoch im krassen Missverhältnis zu dem Verlust der Begünstigung seiner Familie, vor allem seiner Ehefrau, die wesentlich am Aufbau des Unternehmens beteiligt war und auch selbst Vermögen in die Privatstiftung eingebracht hatte. Der vollständige Entzug aller finanziellen Zuwendungen aus der Stiftung wurde vom Höchstgericht als Disziplinierung der Begünstigten gewertet - und nicht als zum Schutz des Unternehmens geeignet.

Änderungen weiterhin zulässig

Trotz dieser Entscheidung kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Eingriff in die Begünstigtenregelung aufgrund Rechtsmissbrauchs nichtig ist. Das Privatstiftungsgesetz sieht ausdrücklich vor, dass sich Stifter das Recht zur Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde vorbehalten können. Wurde eine Stiftung durch mehrere Stifter errichtet, kann dieses Änderungsrecht auch nur einem Stifter alleine oder mehreren Stiftern gemeinsam zukommen. Bei Stiftermehrheit kann das Änderungsrecht auch einem Mehrheitsentscheid der Stifter unterworfen werden. Nach dem OGH ist die Ausübung des Änderungsrechts einer inhaltlichen Kontrolle zu unterwerfen und einzelfallbezogen zu beurteilen.

Es ist nach wie vor zulässig, die Stiftungserklärung zu ändern. Es kann auch nicht verallgemeinert werden, dass Änderungen der Stiftungsurkunde oder der Stiftungszusatzurkunde nunmehr nicht mehr in die Rechte der Mitstifter oder der Begünstigten eingreifen dürfen.

Wenn sich ein oder mehrere Stifter ein umfassendes Änderungsrecht vorbehalten haben, ist es rechtlich zulässig, auch in Rechtspositionen von Mitstiftern einzugreifen. Dies gilt insbesondere auch für die Änderung der Begünstigtenregelung. Stifter, die sich ein Änderungsrecht der Stiftungserklärung vorbehalten haben, sind weiterhin berechtigt, Regelungen hinsichtlich der Begünstigten zu ändern, neue Begünstigungen vorzunehmen oder auch Begünstigte zu kürzen oder gänzlich aus dem Begünstigtenkreis zu entfernen.

Der Streit geht weiter

Wesentlichen Einfluss auf die Zulässigkeit einer Änderung der Begünstigtenregelung haben die konkreten Umstände. So kann es etwa rechtsmissbräuchlich sein, wenn einem begünstigten Nachkommen, der im Gegenzug der Begünstigung einen Pflichtteilsverzicht abgibt, diese Begünstigung später genommen wird. Eine Einschränkung des Änderungsrechts der Stifter durch Rechtsmissbrauch oder Treuepflichten ist im Einzelfall zu prüfen. Aus der Entscheidung des OGH können keine verallgemeinernden Schlüsse gezogen werden.

In der betroffenen Unternehmerfamilie geht der Streit unterdessen offenbar weiter: Erst jüngst entschied der Verfassungsgerichtshof zur Rechtmäßigkeit des Gesellschafterausschlusses. Die Ehefrau verlor. Ihr wurde als Minderheitsgesellschafterin am Unternehmen ihr Vertrauensschutz abgesprochen.