Die Partitur ist durchzogen von ahnender Düsternis, vom letzten bis zum ersten Takt umkränzt von einem dramatischen Trauerflor. Dass die Tragödie bereits ihren Lauf genommen hat, steht schon beim ersten Ton außer Zweifel. Auch den kleinen Inseln, auf denen für die Dauer eines ewigen Augenblickes in glänzenden Bögen kurz so etwas wie Glück greifbar wird, ist der Abgrund eingeschrieben. Wie schnell sich das Drama vollzieht, allein das gilt es noch zu verhandeln bei dieser "Pique Dame". Und doch gelingt es Mariss Jansons am Pult der Wiener Philharmoniker immer wieder, die noch so ferne Zärtlichkeit und die verlorenste Hoffnung aufzugreifen - und den unweigerlichen Lauf in die Katastrophe ein wenig hinauszuzögern.

Es ist überhaupt ein sehr fein gestrickter Tschaikowski, den Jansons im Großen Salzbuger Festspielhaus durchleuchtet. Die Schatten und das Drama stets gegenwärtig, beschränkt er sich mit dem immer wieder zurückgenommenen Orchester darauf, die seelenvolle, wenn auch ausweglose Leidenschaft der Figuren aufzufächern, die sie treu begleitende Melancholie erstrahlen zu lassen. Die sich darauf speisende Dramatik überlässt er den Sängern.

Glühende Leidenschaft

Sängerisch ist diese Produktion so gut wie aus einem Guss: Mit dem glühenden Tenor von Brandon Jovanovich, der als viriler Hermann von seiner ungebrochenen Leidenschaft zuerst in die Liebe und dann ins Spiel taumelt; mit Evgenia Muraveva als präziser und dramatischer Lisa, die für den mittellosen Hermann den sie liebenden Fürsten Jelezki (ebenfalls überzeugend: Igor Golovatenko) verlässt; mit Hanna Schwarz als eindringlicher Gräfin, die zugleich Motor und Spielball des Dramas wird; und nicht zuletzt mit Vladislav Sulimsky als Hermanns präsentem Vertrauten Graf Tomski.

Die Bilder, in die Regisseur Hans Neuenfels die tragische Geschichte einer verführbaren Leidenschaft steckt, bleiben im Vergleich zur differenzierten, ja packenden musikalischen Umsetzung plakativ. In düster grauen Einheitsräumen zwischen Palast und Gummizelle zeigt er eine erstarrte Gesellschaft: Die Kinder eingesperrt, in monochromem Hellgrau an der Leine, die Erwachsenen in Schwarz als seltsame Mischwesen mit Masken, Riemen und Federhüten - mal als Schwimmer, mal als Militär, mal als Schwestern. Sie sind erstarrt, werden mitunter auf Bändern auf die Bühne gefahren. Die abgebrühte Elite ist in grobe Pelzmäntel gehüllt. Die Zarin erscheint als Marionetten-Skelett mit Glitzerkrone. Was diese düstere Gesellschaft mit dem sich zuspitzenden Drama zu tun hat oder in welcher Beziehung sie zu den Protagonisten steht, geht aus den vereinzelt bleibenden Ideen nicht hervor. Wer in einer solchen Gesellschaft Leidenschaft lebt, bezahlt mit dem Leben - ein maues Fazit.

Die Personenführung ist traditionell und geht über Stereotype kaum hinaus. Mit Bühnenbildner Christian Schmidt und Ausstatter Reinhard von der Thannen setzt Neuenfels auf grobe wie klischeehafte Farbkontraste. Lisa in Weiß, Hermann in Rot, alleine die Gräfin trägt Bunt. Ihr tödliches Geheimnis von den drei siegreichen Karten ist es, das Hermanns Leidenschaft von Lisa auf das Spiel umlenken wird. Dass er mit diesem Verrat an der Liebe den Segen der Karten verspielt, ist das späte Vermächtnis der Gräfin.

Das Leben ist ein Spiel, scheint sie Hermann aus dem Jenseits zuzuzwinkern, es straft jedoch den, der die Liebe verspielt. Die ungeteilte Gunst des Publikums hatten sich bei der Premiere am Sonntag allein die Musiker, allen voran Mariss Jansons erspielt.