Nun sollen es also Verwaltungspraktikanten richten. Der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr wurde ein Stelleninserat zugespielt, wonach das Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend zur Bearbeitung über das AMS 20 Praktikanten einstellen wollte - zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Anträgen an den Corona-Familienhärteausgleich.

Dienstbeginn war Mitte Juli, Dienstort das Ministerium. Die Dauer des Praktikums beträgt einen Monat, mit Option auf Verlängerung um ein weiteres. Zu den Aufgaben zählen das Sichten von Anträgen, die Interpretation der Einkommensnachweise, die Berechnung der Höhe der Zuwendung. Brisanterweise ist auch die Entscheidung über Anträge in der Stellenausschreibung für Praktikanten vermerkt.

Aber nicht nur das sorgt bei der Abgeordneten Herr "für Kopfschütteln": "Es ist unverantwortlich, dass manche Familien, die schnell und unbürokratisch Unterstützung benötigen, mittlerweile drei Monate lang auf das Geld warten müssen. Und erst jetzt werden erneut zusätzliche Mitarbeiter beschäftigt, um die Anträge abzuarbeiten. Was ist in dieser Zeit eigentlich passiert?"

Und: Erhielten die Praktikanten Schulungen, um diese Arbeit erledigen zu können? Wie ist es um eine Qualitätssicherung bestellt? "Schafft es das Ministerium endlich, alle Anträge über den Sommer abzuarbeiten?", fragt Herr. Diese Fragen werden die zuständige Ministerin Christine Aschbacher (ÖVP) per parlamentarischer Anfrage erreichen.

Spärliche Infos am Beginn

Es ist der nächste Akt in der Tragikomödie Familienhärteausgleich. Mit dem dritten Covid-19- Gesetzespaket wurden Anfang April 30 Millionen Euro für Familien bereitgestellt. Ministerin Aschbacher musste eine Verordnung erstellen, die gab es zwei Wochen später. Seit Mitte April können Personen, die in der Corona-Krise arbeitslos wurden oder in Kurzarbeit mussten, sowie Selbständige, die aus dem Härtefallfond der Wirtschaftskammer Unterstützung brauchten, Hilfsgelder beantragen - viele, so wie Klaus R. machten das auch sogleich, die "Wiener Zeitung" berichtete.

"Die Seite wurde erst mehrmals upgedatet, die ohnehin spärlichen Informationen änderten sich täglich", berichtet R. über diese Zeit. Sowohl bei telefonischen als auch schriftlichen Nachfragen erhielt man oft "nicht einmal die Auskunft, ob der Antrag angekommen ist. Mit acht Mitarbeitern, die das Ministerium zu diesem Zeitpunkt offenbar hatte, kann man das nicht managen."

R. gründete eine Social-Media-Gruppe, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, mittlerweile sind es 3500 Personen. Anfang Mai erhielten die Einreichenden dann doch automatisierte Antworten, sofern sie keine GMX-
Mail-Adresse benutzten, "die waren scheinbar geblockt".

Er erhielt keine, auch nicht auf seinen neuerlichen Antrag, den er "zur Sicherheit" einreichte. Ende Mai erhielt er aber ein Schreiben, dass sein Antrag positiv ausging, und Geld aufs Konto. Andere wiederum erhielten nur ein Schreiben, dritte nur Geld - alle im Übrigen ohne Informationen, wie der Familienhärteausgleich im konkreten Fall berechnet wurde. "Bei Familien in Kurzarbeit dürfte es das sein, was man an Verlust hatte", berichtet R. von den Erfahrungen in der Gruppe. Bei Arbeitslosen differiere die Höhe des Geldes enorm, warum, darauf gab es bislang keine Antwort.

Ein Pressefotograf des Bundeskanzleramts steuerte Ende Mai ein Foto, auf dem Ministerin Aschbacher einem Baby einen 100-Euro-Schein überreicht, zu einem Bericht über die knapp zwei Monate nach dem Gesetzesbeschluss beginnende Auszahlung bei. Nach und nach trudelte bei manchen Geld ein, den noch Wartenden richtete die Ministerin per Medien aus, dass die unvollständigen Anträge der Grund für die langen Wartefristen bei der Bearbeitung sei.

Mitte Juli konkretisierte Aschbacher per Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Neos-Abgeordneten Michael Bernhard, dass Mitte Juli von 65.000 Anträgen 25.622 Anträge unvollständig gewesen seien. Knapp mehr als einem Viertel war im Durchschnitt 1230 Euro (insgesamt 20,6 Millionen) ausbezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 120 Personen an der Bearbeitung der Anträge. Diese hätten aber auch andere Aufgaben: "Daher können zur Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden keine Angaben gemacht werden", heißt es in der Antwort. Einer auf Fragen von der SPÖ-Abgeordneten ist darüber hinaus zu entnehmen, dass "derzeit keine finanzielle Unterstützung für geringfügig Beschäftigte geplant" sei, auch keine für Familien von Selbständigen, die nicht den WKÖ-Härtefall-Kriterien entsprechen.

Weniger für Selbständige

Der Einzelunternehmer Oliver Lerch, der sich an die "Wiener Zeitung" und die "Vorarlberger Nachrichten" wandte, gehört zu "den wenigen Glücklichen" unter den Selbständigen, die Geld erhalten haben - und zwar "exakt zwei Drittel der Summe, die ich mir selbst mit allen mir gegebenen Informationen ausgerechnet habe". Das sei auch bei weiteren neun Selbständigen, mit denen er Kontakt aufgenommen habe, so. In der "VN" wird das Ministerium mit folgender Begründung zitiert: "Bei Selbständigen, bei denen der konkrete Einkommensverlust noch nicht feststeht, wird - abhängig von der konkreten Familienkonstellation des Antragstellers - eine pauschale Berechnung angewendet."

Im Nationalrat wurde jedenfalls vor der Sommerpause der Fonds von 30 auf 60 Millionen Euro verdoppelt. Mittlerweile gibt es ein Online-Formular. Dieses sei in Kooperation mit dem Bundesrechenzentrum und dem Unternehmen Axians entwickelt worden und soll mit verpflichtenden Uploads sowie Ausfüllhilfe "unvollständige Anträge weitestgehend verhindern", sagt die Ministerin auf Neos-Anfrage. "Auch da gab es anfangs Schwierigkeiten beim Hochladen der Dokumente", sagt R. - kommuniziert werde nunmehr per Messenger und WhatsApp. "Es ist ja gut, dass es diese Hilfe gibt, aber traurig, dass das so lange dauert."

Mit Stand 31. Juli sind nach Angaben des Ministeriums nun 76.683 Anträge bearbeitet. Davon wurde bei 46 Prozent (35.527) positiv entschieden und zur "Überweisung freigegeben". Weitere 38 Prozent (29.301) der Anträge seien noch unvollständig. "Hier wurde und wird laufend einzeln nacherfasst." 16 Prozent (11.855) wurden bisher abgelehnt, unter anderem weil die Familien durch die Corona-Krise keinen Einkommensverlust gehabt hätten. Die Arbeit der Abteilung sei damit aber nicht beendet. "Täglich kommen weitere Anträge hinzu", heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Kosten liegen noch nicht vor

Die SPÖ bringt nun ihre Frage zum Personal für den Familienhärteausgleich ein. Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" heißt es, dass derzeit 130 Personen Anträge bearbeiten. Die Antwort wie viele Verwaltungspraktikanten nach dem Stelleninserat eingestellt wurden, blieb das Ministerium schuldig. Zu den Kosten hieß es: "Eine konkrete Kostenaufstellung liegt momentan noch nicht vor." Auf die Fragen der SPÖ zu antworten hat die Ministerin, wie bei parlamentarischen Antworten sonst auch, zwei Monate Zeit.

Klaus R. wundert sich, warum man den Familienhärteausgleich im Ministerium bearbeitet und nicht beim Finanzamt. Dazu heißt es aus dem Ministerium: "Es wurde auf die bestehende Abteilung der Familiensektion zurückgegriffen, die den regulären Familienhärteausgleich bereits vor der Corona-Krise abwickelte."

Laut SPÖ hätte sich die Regierung "jedenfalls eine Menge Bürokratie und den Leuten Zeit, Anträge und Ärger erspart, wenn die Finanzämter Corona-Hilfen ausbezahlt hätten. Denn: Die haben ja alle Daten." Dieser Einschätzung allerdings widerspricht man im Ministerium: "Weder das AMS noch das Finanzamt verfügen über alle erforderlichen Daten betreffend dem Familienhärtefonds."