Das hat sich die türkis-grüne Bundesregierung wohl anders vorgestellt: Der erste Tag der Corona-Ampelschaltung am Freitag wird von heftiger Kritik aus den Bundesländern überschattet. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sprach von einem "klassischen Fehlstart", der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) von einem "Murks". Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kritisierte mangelnde Transparenz.

Mit Wien, Linz und Graz und dem Bezirk Kufstein in Tirol sind vier Regionen bei der Premiere der Corona-Ampel von "Grün" auf "Gelb" gesprungen: Verschärfung der Maskenpflicht im Handel, in der Gastronomie, bei Veranstaltungen und Schulen werden die Folge der Einstufung "mittleres Risiko" sein, gab Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag bei der Pressekonferenz der Regierung in Wien bekannt

Linzer Bürgermeister erbost

Um 10.15 Uhr gingen alle Informationen zur Ampel auf der neuen Webseite https://corona-ampel.gv.at/ online, und nur 45 Minuten später gab es die erste Reaktion einer betroffenen Region: Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) gab bekannt, die Gelb-Schaltung "seiner" Stadt zu ignorieren und "keine wie immer gearteten Verschärfungen" durchzuführen. Man sei "einigermaßen überrascht, um nicht zu sagen entsetzt" über diese Einstufung. Auch Gesundheitsstadtrat Michael Raml (FPÖ) konnte die Schaltung nicht nachvollziehen: 59 Infizierte auf rund 207.000 Einwohner seien rund 0,3 Promille, "bei so einem niedrigen Wert würde einem nicht einmal der Führerschein entzogen".

Schützenhilfe gab es von Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer. Die Gelbschaltung für Linz sei "unverständlich und auf Basis objektiver Zahlen nicht nachvollziehbar". Es werde daher keine Empfehlung des Landes für Verschärfungen in Linz geben, erklärte Stelzer.  Auch in Wien regte sich Unmut. Bürgermeister Ludwig beklagte "mangelnde Transparenz": "Die Kriterien für die Ampel-Stellung müssen nachvollziehbar sein."

"Kein Grund zur Dramatik"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte gegenüber den "gelben" Regionen, diese Einstufung sei "kein Grund zur Dramatik", denn eines sei klar: "Städte haben es schwerer" - und daher gebe es keinen Grund für Vorwürfe.

Der Ressortleiter verriet auch, dass es noch weitere sechs Regionen gegeben habe, bei denen die "7-Tagesinzidenz" eine Einstufung durch die Corona-Kommission notwendig machte, die dann aber aufgrund der vier Indikatoren zur weiteren Beurteilung nicht "gelb" wurden. Näher betrachtet wurden etwa in diesem Zusammenhang die Städte Innsbruck, Wels oder der Bezirk Linz-Land.

Vermerkt ist das ebenfalls auf der neuen Seite, denn die "Empfehlung der Corona-Kommission" vom Donnerstag steht dort zum Download bereit. Dieses vom Gesundheitsminister als "Schub an Transparenz" bezeichnete Vorgehen sollte für die - von Bürgermeister Luger vermisste - Nachvollziehbarkeit der Entscheidung sorgen, da dort alle Grundlagen für die Entscheidungen aufgelistet sind.

Anschober warnte am Freitag auch, dass "Grün kein Freibrief" sei: "Wir müssen weiterhin achtsam sein", es seien weiterhin die Basismaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und Abstand halten umzusetzen. Die Ampel sei nichts Statisches, da gebe es Dynamik nach oben und unten.

"Gemmas an!"

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verstand die erste Ampelschaltung auch als Appell an die Bundesländer, denn bei der Geschwindigkeit der Testungen auf das Virus SARS-CoV-2 und bei der Kontaktverfolgung gebe es immer noch Unterschiede. Hier brauche es einen Wettbewerb, denn "Zielvorgabe ist weiterhin 24 Stunden bis zur Meldung der Infektion und ebenso bis Rückverfolgung der Kontakte", und das Ziel müsse jetzt im Herbst erreicht werden - und daher: "Gemmas an!". Wer die aus seiner Sicht langsamen Bundesländer sind, verriet Kogler jedoch nicht.

Quarantänekontrollen durchgeführt wurden: "Diese Genauigkeit braucht es in der Gesundheit". Es gelte die Wartezeiten bei 1450 oder bei der Geschwindigkeiten der Testungen zu evaluieren - nicht wegen eines Wettbewerbs, sondern damit man sich bei Notwendigkeit personell stärken könne, um so im Herbst die zweite Welle zu verhindern.

Gesetzliche Regelung fehlt noch

Gestärkt soll auch die Ampel weiter werden, denn wie die Sprecherin der Corona-Kommission Daniela Schmid von der AGES sagte, ist sie ein "Instrument in Entwicklung", das von Woche zu Woche verbessert und optimiert werde. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) versprach, dass die Polizei bereit für die Durchsetzung der Corona-Ampel stünde.

Noch fehlt der Ampel aber ihre vollkommene gesetzliche Legitimation: Die rechtliche Basis soll Ende September geschaffen werden, mit der Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes bei der nächsten Nationalratssitzung am 23. September. Die nächste Schaltung der Ampel wird jedenfalls wieder am Freitag erfolgen und die Gründe für etwaige Farbenwechsel sollen ab nun ebenso wöchentlich bei einer Pressekonferenz an diesem Tag erläutert werden. (apa)