Die türkis-grüne Bundesregierung hat die Juristen des Gesundheitsministeriums mit der Ankündigung verschärfter bundesweiter Maßnahmen ab Freitag null Uhr wieder einmal unter enormen Zeitdruck gebracht. Denn die strengeren Regeln müssen auf Basis des im September geänderten Corona-Maßnahmengesetzes mittels Verordnung festgelegt werden. In der Zwischenzeit herrscht Verwirrung, zu der die Bundesregierung teilweise selbst maßgeblich beigetragen hat. Es geht dabei um die Weihnachtsmärkte, für die es bereits seit der Vorwoche grundsätzlich grünes Licht gibt, und um Unklarheiten wegen des am Montag angekündigten Ausschankverbots und die Personenobergrenze von maximal zwölf Personen gemeinsam im Freien. Irritationen ausgelöst hat aber auch die Erklärung, dass sich in Räumen höchstens sechs Personen beziehungsweise an einem Tisch im Lokal aufhalten dürfen, was ausdrücklich auch als Empfehlung für private Räumlichkeiten gilt.

Für Verunsicherung bei der Bevölkerung haben ÖVP und Grüne mit der Anordnung gesorgt, dass ab Freitag nicht nur private Feiern oder Geburtstagsfeste mit sechs Personen in Räumen und zwölf Personen im Freien begrenzt sind. Gleichzeitig wurde nämlich angekündigt, dass zwar Veranstaltungen mit eigenem Corona-Sicherheitskonzept und fix zugewiesenen Besucherplätzen inner- wie außerhäusig mit Besucherobergrenzen weiter erlaubt sind. Neu ist ab diesen Freitag allerdings, dass künftig dann auch die Ausschank von Getränken und eine Bewirtung mit Speisen verboten sein werden. Dies wird dann nur mehr in Lokalen und Gaststätten zulässig sein, wenn die Gäste an Tischen Platz genommen haben.

Das würde somit das Aus für größere Christkindl-Märkte wie am Wiener Rathausplatz mit Punschständen und umfangreichem Speiseangebot bedeuten. Der Weihnachtspunsch im Freien wird üblicherweise nicht im Sitzen, sondern im Stehen – eventuell an Stehtischen – getrunken. Gleichzeitig ist aber für Christlkindlmärkte gerade erst in der Woche bundesweit grünes Licht gegeben werden. Auf Nachfrage, was die neuen verschärften Corona-Maßnahmen nun für die Christlkindlmärkte bedeuten, wurde im Gesundheitsministerium darauf verwiesen, dass die Verordnung für Gelegenheitsmärkte vom 15. Oktober derzeit Bewirtung wie in Lokalen zulasse. Es muss außerdem ein Präventionskonzept geben, ein Corona-Sicherheitsbeauftragter muss festgelegt werden und eine Bewilligung der Bezirksverwaltugnsbehörde ist notwendig. Darüber hinaus wurde bezüglich der konkreten neuen Vorschriften für Christlkindlmärkte auf die kommende Verordnung des Gesundheitsministeriums und die Detailumsetzung darin verwiesen, die heute, Mittwoch, fertiggestellt werden soll, wie der "Wiener Zeitung" im Büro von Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) erklärt wurde.

Mit Interesse werden vor allem auch (größere) Sportvereine die genauen Regelungen und die Sonderbestimmungen für Christkindl- und andere Gelegenheitsmärkte verfolgen. Denn bei Sportveranstaltungen gilt ein Ausschankverbot, ebenso wie für die Bewirtung mit Speisen. Das bringt Sportvereine um den Umsatz durch Vereinskantinen. Hingegen soll offenbar bei Weihnachtsmärkten aus wirtschaftlichen Gründen bei der Bewirtung eine weniger strenge Ausnahme gemacht werden.

"Keine Kontrolle von Privatwohnungen"

Neuen Zündstoff hat die Bundesregierung auch mit der Ankündigung ausgelöst, dass künftig für private Zusammenkünfte eine Obergrenze von sechs erwachsenen Personen in Räumen und von zwölf Erwachsenen im Freien ab Freitag gelten wird. Damit soll die Corona-Ansteckung im privaten Bereich reduziert werden. Bundeskanzler ÖVP-Chef Sebastian Kurz hatte dann auch Nachfragen beim Presseauftritt im Kanzleramt zu beruhigen versucht und erklärt, dass im privaten Bereich dies nicht kontrolliert werden dürfe, es sei aber eine dringende Empfehlung. Verfassungsjuristen, darunter Heinz Mayer in der "ZiB1", machten umgehend aufmerksam, dass diese Darstellung so nicht stimmt. Es könnte unter bestimmten Voraussetzungen im Epidemiefall auch in Privatwohnungen von der Polizei die Einhaltung der Regeln kontrolliert werden. Allerdings müsste dazu zunächst das Corona-Maßnahmengesetz mit einfacher Mehrheit kurzfristig erneut geändert werden.

Genau davor schreckt die türkis-grüne Koalition aber zurück. Denn Gesundheitsminister Rudi Anschober und ÖVP-Klubobmann August Wöginger stellten am Dienstag am Rande einer Pflegeveranstaltung ausdrücklich klar, dass es keine Kontrollen in Privaträumen geben werde, auch wenn dies rechtlich möglich sei. Die Bundesregierung will damit einer Diskussion über Eingriffe in die Privatsphäre von vorneherein die Grundlage entziehen. Allerdings sind damit Menschen, die in größerer Anzahl als mit sechs erwachsenen Personen in der eigenen Wohnung zusammentreffen oder feiern, vor Kontrollen und einem Besuch der Polizei dennoch nicht gefeit. Bei der Pressekonferenz kam zur Sprache, dass dies etwa bei Anzeigen von Nachbarn wegen Lärmbelästigung nach den geltenden Bestimmungen möglich wäre. Damit wird Denunziantentum unter Nachbarn mit Hinweis auf Lärmbelästigung auch ohne eigene Corona-Vorschriften für die Kontrolle von Privatwohnungen eine Tür eröffnet. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat jedenfalls eine weitere Verschärfung der Kontrollen bereits angekündigt.

Gewerkschaft empört über Regierung

Auch der jüngste Corona-Fall in der Bundesregierung selbst – Außenminister Alexander Schallenberg ist positiv getestet worden – brachte Türkis-Grün in ein schiefes Licht. Die Dienstleistungsgewerkschaft Vida hat in einem offenen Brief das Verhalten und die fehlende Vorbildwirkung angeprangert. Nach Schallenberg sind zwar die anderen Regierungsmitglieder ebenfalls getestet worden, durchwegs negativ. Die Gewerkschaft kritisierte aber, dass für die Minister anders als für die Bevölkerung die Einhaltung der mehrtägigen Quarantäne nicht erfolgt sei. Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit wetterte in einer Aussendung, dass ausgerechnet die Regierung die Corona-Regeln nicht ernst nehme. "Sie können aber nicht von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen, Corona-Regeln zu akzeptieren, wenn Sie diese selbst nicht befolgen", meinte der Gewerkschaftschef.