Die Kollateralschäden im Gesundheitssystem beginnen. Laut Meldung der Landessanitätsdirektionen wurden am Mittwoch 224 Patienten wegen Covid-19 auf einer Intensivstation behandelt. Das klingt nicht dramatisch, denn das Land verfügt über rund 2.500 Intensivbetten. Und doch bedingt der Anstieg der vergangenen Tage, dass die Spitäler zusehends in den Krisenmodus schalten und auf Covid-19 fokussieren. Wie im März werden nun planbare Eingriffe verschoben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Operationen, bei denen es völlig egal ist, wann sie stattfinden. Das ist der Kollateralschaden.

Die Hospitalisierungzahlen, die auf dem Dashboard der Ages veröffentlicht werden, sind, wie andere Daten auch, durch den Föderalismus hiesiger Prägung in ihrer Aussage entwertet. Die Länder definieren "verfügbare Betten" unterschiedlich. In den westlichen Bundesländern wird darunter "unmittelbar verfügbar" verstanden, diese Intensivbetten werden gerade zurückgehalten. Andere Bundesländer verstehen unter der Verfügbarkeit eine Maximalzahl für Covid, wenn alles andere, das nicht dringend nötig ist, ruht.

Dazu kommt, dass die Grenzen zwischen Intensiv- und Normalstationen bei Covid-19 nicht trennscharf sind. Hat man zu Beginn die Patienten invasiv beatmet, erhalten sie nun vorwiegend High-Flow-Sauerstoff. Zumindest in Wien passiert das teilweise auch auf Normalstationen, jedenfalls aber auf sogenannten Überwachungsstationen (oder Intermediate Care). Diese Betten werden nicht überall als Intensivbett ausgewiesen.

Intensivmediziner berichten jedenfalls schon seit einigen Wochen von einer zunehmenden Belastung, auch personell wird es eng. Das hat auch damit zu tun, dass die Behandlung von Covid-Erkrankten zeitaufwendiger ist. Allein das Anlegen der Schutzbekleidung dauert fünf bis acht Minuten pro Patientenbesuch. Ein Mediziner schätzt den personellen Mehraufwand auf ein Drittel. Das führt dazu, dass anderswo intensivmedizinisches Personal fehlt.

Die Opposition kritisiert die uneinheitliche Datenlage. Während die FPÖ keinen Engpass erkennen kann, sagt Neos-Abgeordneter Gerald Loacker, dass die Regierung das Land "mehr blind als sehend durch die Corona-Krise" steuere. Das Gesundheitsministerium will am Donnerstag mit den Ländern darüber beraten. Einen konkreten Grenzwert zu definieren, ab dem die Politik die Maßnahmen drastisch in Richtung Shutdown verschärfen muss, wäre aber auch im Fall einheitlicher, klarer Daten schwierig. Das Problem ist komplex, zumal auch die Effekte für andere Abteilungen beachtet und abgewogen werden müssen. Es gibt wohl eher einen Grenzbereich statt einem konkreten Grenzwert. Und in diesem Bereich bewegt sich das Land bereits.

Für die Phase des Lockdowns zeigte eine erste Analyse von der Gesundheit Österreich GmbH eine merkliche Reduktion der stationären Aufenthalte. Der spitalsambulante Bereich wurde dabei nicht untersucht, der Wiener Gesundheitsverbund (früher KAV) meldete im April aber einen Rückgang der ambulanten Patienten um etwa die Hälfte.

Viele Folgen des Lockdowns

Die vielfältigen gesundheitlichen Folgen, etwa durch nicht behandelte Herzinfarkte oder verspätete Krebsdiagnosen, wurden allerdings nicht analysiert. Der Lockdown bedingte jedenfalls auch positive Effekte. So ging die Zahl der Behandlungen aufgrund von Unfällen und auch von Infektionserkrankungen, besonders bei Kindern, zurück. Weniger Sport (und damit weniger Unfälle) und weniger Sozialkontakte (und damit weniger Infekte) haben langfristig allerdings auch negative gesundheitliche Folgen. Das macht die politische Steuerung nicht einfacher.

Der gesamte Gesundheitsbereich hat aus dem Frühjahr aber gelernt. Das sollte die Leistungseinschränkung für Nicht-Covid-Erkrankte im Vergleich zum März jedenfalls reduzieren. Eine massive Belastung steht dem System aber so oder so bevor. Binnen 24 Stunden wurden zuletzt 21 neue Patienten auf eine Intensivstation verlegt. Das ist etwa ein Prozent der Neuinfektionen - von vor einer Woche. Es dauert ja einige Tage, bis aus Infizierten Intensivpatienten werden. Bleibt der Wert von einem Prozent stabil, was unter anderem von der Altersstruktur abhängt, wäre irgendwo zwischen 5.000 und 6.000 Neuinfektionen pro Tag ein Wert erreicht, ab dem auch die Maximalkapazität an der Grenze wäre. Für Dienstag wurden 3.869 Neuinfektionen gemeldet.