Es war ein gänzlich anderer Start in den österreichweiten Lockdown als erwartet. Jedenfalls in Wien. Wer am frühen Montagabend – wenige Stunden vor Inkrafttreten der neuen Corona-Verordnung zu Mitternacht – durch die Stadt streifte, dem zeigte sich noch das erwartbare Bild: Gut gefüllte Einkaufsstraßen, reger Betrieb in der Gastronomie. Die außergewöhnlich milden Temperaturen trugen ihr Übriges dazu bei: Gastgarten-Wetter Anfang November führte – wenig überraschend – zu vollen Gastgärten.

Und obwohl viele die Gelegenheit nützten, ein letztes Mal für mindestens einen Monat ein Abendessen oder den Feierabenddrink in einem Gasthaus zu konsumieren, war das Treiben vielerorts nicht hektisch. Rückblickend war es so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Denn dass der letzte Abend im Lokal so plötzlich wie hektisch enden würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ahnte nicht, dass er nur Stunden später erneut vor die TV-Kameras treten würde, um einen Terroranschlag zu verurteilen, als er am Montagabend seine Rede an die Nation zum Corona-Lockdown hielt. "Jetzt können wir beweisen, dass Gemeinschaft für uns nicht nur ein leeres Wort ist. Jetzt retten Sie Leben", sagte das Staatsoberhaupt in der Fernsehansprache. Die Bürgerinnen und Bürger ersuchte Van der Bellen damit eindringlich, den Maßnahmen Folge zu leisten, die Politik forderte er auf, eine Perspektive für die Zeit nach dem Lockdown zu entwickeln.

Ruhige Lage in Burgendland und Salzburg

In der Bundeshauptstadt lag am Dienstag eine gespenstische Ruhe über den Wohnvierteln. Zwar endeten mit sechs Uhr früh die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Bei noch aufrechter Warnung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben, vermieden aber dennoch viele Wienerinnen und Wiener den Gang vor die Tür. Der Abhol-Betrieb bei Gaststätten verlief auch in der Mittagszeit dementsprechend schleppend. Auf den Straßen der innerstädtischen Bezirke waren erkennbar weniger Menschen unterwegs als sonst – in Wien ist der offizielle Corona-Lockdown vom quasi selbstgewählten "Lockdown" nach dem Terroranschlag im Stadtbild kaum zu trennen.

In den Bundesländern war die Lage bei Strafen wegen Verstößen gegen die neuen Maßnahmen bislang ruhig. So vermeldete Salzburg, dass in den ersten Stunden nach Inkrafttreten weder Organstrafmandate noch keine Anzeigen wegen Verstößen ausgestellt worden seien. "Es war ruhig in der Nacht", sagte am Dienstagvormittag Polizeisprecher Hans Wolfgruber. Die Polizei wolle ohnehin nicht gleich strafen, sondern die Bevölkerung zunächst auf die neuen Regeln hinweisen. Im ersten Schritt solle erklärt und erahnt werden, erst wenn sich eine Person bewusst nicht an die geltenden Regeln hält und sich gegenüber den Beamten uneinsichtig zeigt, solle gestraft werden.

Auch im Burgenland musste die Polizei in der ersten Nacht der Ausgangsbeschränkungen nicht einschreiten. Es habe "keine Auffälligkeiten" und keine Anzeigen wegen Verstößen gegeben, sagte Polizeisprecher Helmut Marban am Dienstag: "Es war eine erste ruhige Nacht." Man habe die Situation zwischen 0.00 und 6.00Uhr genau beobachtet. Die Kontrollen seien parallel zur wegen des Terroranschlags verstärkten Streifentätigkeit gelaufen.

Gastronomie reagiert unterschiedlich

Die Gastronomen gingen mit den neuen Einschränkungen indessen recht unterschiedlich um – einige sperrten ganz zu, andere setzten auf den erlaubten Gassenverkauf. In Kärnten sperrten etwa die Haubenlokale "Zum Bären" in Bad St. Leonhard und das Restaurant "Moritz" in Grafenstein. "Wir sind viel zu weit ab vom Schuss, als das sich das rentieren würde", sagte Wirtin Anja Moritz. Geöffnet blieb dagegen das Klagenfurter Lokal "La Bottega" in Waidmannsdorf, wo man die gesamte Speisekarte zum Gassenverkauf und einen Lieferservice bis 21 Uhr anbot.

Im Grazer Einkaufszentrum City Park blieben laut Center-Manager Waldemar Zelinka vier Fünftel aller Gastrobetriebe für Lieferdienste und Selbstabholung geöffnet. Das betraf mehrere Kaffeehäuser, Konditoreien und Restaurants. Dass dennoch merklich weniger Besucher im Einkaufszentrum waren, könnte mit der Angst nach dem Anschlag in Wien zusammenhängen, mutmaßte Zelinka. Viele Menschen würden öffentliche Orte deshalb vielleicht meiden.