Die Stadt Wien scheint das Verteidigungsministerium mit ihrer Ankündigung überrumpelt zu haben, schon am 2. Dezember mit Bundesheer-Unterstützung Corona-Massentests durchführen zu wollen. Man begrüße den Willen Wiens, kenne aber noch keine Details zu den Plänen, sondern nur die in Medien kolportierten Eckdaten, so Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in einer der APA vorliegenden Stellungnahme.

Das Konzept des Bundesheeres und des Gesundheitsministeriums hätte ein anderes Modell vorgesehen, so wie es in den anderen Bundesländern praktiziert werde, zeigte sich Tanner merkbar überrascht. Ein Start mit 2. Dezember sei für eine Millionenstadt ein sehr ambitioniertes Ziel, weil der Test damit um mehr als zwei Wochen vorgezogen werde. Man respektiere aber die Entscheidung Wiens, in der Durchführung der Tests einen anderen Weg zu gehen.

Zuvor war aus Wien vermeldet worden, dass man mit den Tests schon am 2. Dezember beginnen und sie bis 13. Dezember abschließen wolle. Damit erfolgt der österreichweite Auftakt nun in der Bundeshauptstadt. Zuvor war vorgesehen gewesen, dass Vorarlberg und Tirol zwischen 4. und 6. Dezember mit den Massentests beginnen. Am 12./13. Dezember waren diese dann in den Bundesländern Oberösterreich, Salzburg und Kärnten angesetzt worden. Den Terminplan für Wien hat der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Donnerstag im APA-Gespräch angekündigt. Er rechnet mit einer Teilnahme von maximal 1,2 Millionen Menschen.

Abwicklung in drei großen Hallen

Die Abwicklung wird in Kooperation mit dem Bundesheer an drei großen Standorten erfolgen: In der Wiener Stadthalle, in der Marxhalle im Bezirk Landstraße sowie in der Messehalle beim Prater werden insgesamt 300 Testlinien nach dem Walk-in-Prinzip errichtet. "Das entspricht 50 mal den Kapazitäten der jetzigen Teststraße beim Stadion", wo es sechs Testlinien gebe, illustrierte Hacker die Dimension des Vorhabens. Pro Testlinie schafft man laut Ressortchef bis zu 500 Personen täglich. Das bedeutet, dass an allen Massentest-Standorten pro Tag bis zu 150.000 Personen mit Antigentests auf eine Virusinfektion überprüft werden können.

Die drei Testhallen werden derzeit bereits für die Massentests vorbereitet, sagte Hacker. Geplant ist, dass sich jeweils nur wenige Menschen gleichzeitig indoor - wo die Abstriche für die Schnelltests erfolgen - aufhalten. Die Hauptwartebereiche werden sich an der frischen Luft befinden, wobei lange Schlangen ja dank des vom Bund angekündigten Online-Terminsystems hintangehalten werden sollen, wie der Gesundheitsstadtrat meinte.

Vorgesehen sind tägliche Öffnungszeiten zwischen acht und zehn Stunden. Hacker machte klar, dass die Durchführung aufgrund der Dimension in einer Zwei-Millionen-Stadt nur mit einer "intensiven" Unterstützung des Bundesheeres umsetzbar sei. Er habe darüber am gestrigen Mittwoch ein Gespräch mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) geführt und ihr das Wiener Testkonzept übermittelt. Einen ersten Austausch mit Vertretern des Heeres selbst habe es schon am vergangenen Samstag gegeben.

Tests in zwei Teilen

Die Stadt selbst könne dank Unterstützung der Blaulichtorganisationen bis zu 200 Fachkräfte für die Testabnahme stellen - eventuell ergänzt um einige Medizinstudentinnen und -studenten. "Das restliche Personal muss das Bundesheer aus seinen eigenen Reihen bereitstellen", betonte der Ressortchef.

Die Testabwicklung in der Hauptstadt wird grundsätzlich in zwei Teilen erfolgen. Zuerst erfolgt bei jedem Teilnehmenden ein Antigen-Schnelltest, wobei Hacker meinte, Wien könne wegen voller Lagerbestände bei den Testkits in Vorleistung treten, sollte der Bund die benötigte Stückzahl nicht rechtzeitig liefern können. Sollte der Schnelltest ein positives Resultat anzeigen, wird selbiges mit einem anschließenden PCR-Test überprüft. Denn die Schnelltests würden immer wieder falsch positive Ergebnisse auswerfen - und zwar in einem bis zu fünf Mal höherem Ausmaß als tatsächliche Infektionen vorliegen, gab Hacker zu bedenken.

Die PCR-Tests wird die Stadt rein in Eigenregie durchführen - und zwar vorrangig mit Gurgeltests. Bis das Ergebnis dieses Überprüfungsabschnitts vorliegt, werden die Betroffenen jedenfalls einmal in Quarantäne geschickt. Ob Wien bei positiven Resultaten auch ein Contact Tracing durchführt, sei noch in Überlegung, sagte der Stadtrat.

"Halligalli danach nicht angesagt"

Am 13. Dezember will Wien die Massentestungen jedenfalls abgeschlossen haben. Denn damit gehe es sich für alle, die in Quarantäne müssen, trotzdem noch aus, Weihnachten feiern zu können. Wäre das nicht gesichert, würden deutlich weniger Menschen am Programm teilnehmen, mutmaßte Hacker.

Einen gestaffelten Ablauf für bestimmte Bevölkerungsgruppen - also etwa separate Testungen für Lehrer, Polizisten usw. - soll es übrigens nicht geben. Der Start am 2. Dezember erfolge gleich in der gesamten Bevölkerung. Wobei Hacker damit rechnet, dass etwa das Schul-, Krankenhaus- und Pflegeheimpersonal ohnehin kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, da in diesen Einrichtungen sowieso schon bisher und auch weiterhin regelmäßige Screenings durchgeführt würden.

Der Gesundheitsstadtrat betonte einmal mehr, dass ein negatives Testresultat im Zuge des Großvorhabens keinesfalls einen individuellen Freibrief darstelle. "Man kann sich nicht freitesten. Die Epidemie wird dadurch nicht abgeschafft. Ein Halligalli danach ist also nicht angesagt."

Regierung präzisierte Strategie

Die Regierung hatte zuvor am Mittwoch ihre Teststrategie präzisiert. Neu sind zwei Punkte: Die Länder übernehmen die Durchführung der Massentests. Und, die Massentests sollen nun doch, wie die Wissenschaft das fordert, wiederholt werden.

"Massentests: Sie sind kein Allheilmittel. Sie sind nicht die einfache Lösung, aber eine gute Chance, Infektionen in der Bevölkerung zu lokalisieren und weitere Ansteckungen zu verhindern. Wir sollten jede Chance nutzen, um weitere Lockdowns zu verhindern oder zumindest zu verkürzen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch nach dem Ministerrat im Pressefoyer.

Teilnahme an Tests freiwillig

Am ersten Dezemberwochenende wird mit den Antigentests der Lehrer, Kindergartenpädagoginnen begonnen. Die rund 40.000 Polizisten sollen am 7. und 8. Dezember getestet werden, die Polizei organisiert die Tests selbst. Gleichzeitig sollen in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg schon von 5. bis 6. Dezember die Massentests stattfinden. Das Burgenland folgt von 10. bis 15. Dezember, Oberösterreich von 11. bis 13. Dezember. Salzburg und Kärnten wollen die Tests am 12. und 13. Dezember durchführen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober betonte, dass für die Tests zwei Parameter gelten: Erstens, Massentests müssen wiederholt werden, das könne keine einmalige Angelegenheit sein. Zweitens, falsch Positive beziehungsweise falsch Negative müssten richtig eingeschätzt werden. Falsch Positive würden in allen Fällen nachgetestet, falsch Negative darüber informiert, dass der Test nur für diesen einen Tag Aussagekraft habe und daher sämtliche Corona-Regeln einzuhalten seien.

Mehrmals betonten die Minister und Kanzler, dass die Teilnahme an den Tests freiwilllig sei. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) appellierte an die Pädagoginnen und Pädagogen, "einige Minuten an diesem ersten Dezemberwochenende dafür zu verwenden, man hat nachher Klarheit. Die Teilnahme kommt letztlich dem Einzelnen zu Gute." Eine breite Beteiligung sei auch für die Wirksamkeit der Tests wichtig. Druck oder dienstrechtliche Konsequenzen hätten Lehrerinnen und Lehrer, die sich nicht testen lassen, keine zu befürchten. Allerdings könnte es für sie eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken geben, um ihre Umgebung zu schützen.

Bundesheer überrascht

Das Bundesheer ist für Planung, Vorbereitung, Aufbau und Betrieb der Teststationen in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden zuständig. Die Festlegung der Teststationen erfolgt durch die Länder in Zusammenarbeit mit den Gesundheits- und Bildungsbehörden. Das ABC-Abwehrzentrum erstellt ein Hygiene- und Sicherheitskonzept für die Teststraßen. Personelle Verstärkungsmaßnahmen durch Milizsoldaten sind auf freiwilliger Basis möglich.

Überrascht zeigte man sich beim Bundesheer über das Solo einiger Länder, allerdings habe sich ein unterschiedliches Vorgehen der Bundesländer in den vergangenen Tagen abgezeichnet, sagte Bundesheer-Sprecher Oberst Michael Bauer. Das Heer wird Vorarlberg ausschließlich die Tests liefern, alles Weitere wird Vorarlberg selbst erledigen. Dem gegenüber hatte sich die Stadt Wien von Beginn an skeptisch über das Vorhaben der Regierung zum geplanten Bevölkerungsscreening gezeigt.

Auch im Büro des zuständigen Stadtrats Peter Hacker war man über das Vorpreschen zunächst überrascht, da das Bevölkerungsscreening ursprünglich von der Regierung derart kommuniziert wurde, dass es ein "möglichst sicheres Weihnachtsfest" bringen sollte, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz vor zehn Tagen angekündigt hatte. Dann aber wurde bekannt, dass die wesentlichen Bundesländer aber schon weit früher testen. Um dann, direkt nach dem Lockdown, eine möglichst geringe Prävalenz aufweisen zu können, um Wintertourismus zu ermöglichen? "Wir sollten den Fehler von radikalen Öffnungen kein zweites Mal machen", sagte Hacker. Nun scheinen aber doch alle Länder von sich aus tätig zu werden, da und dort wird das Bundesheer mitwirken.

Verärgert reagierte der Kanzler auf einen Boykottaufruf der FPÖ zu den Massentests. "Wenn Sie Weihnachten in Ruhe feiern wollen, dann lassen Sie sich nicht testen", hatte Vizeklubchefin Dagmar Belakowitsch in einer Pressekonferenz gesagt. "Ich halte diesen Boykottaufruf für absolut unverantwortlich", sagte Kurz. Er erinnerte daran, dass es sich bei den Infektionszahlen nicht um irgendwelche Statistiken handle, sondern dass dahinter Krankheit, Spitalsaufenthalte und manchmal der Tod stünden.

Sehr, sehr behutsame Öffnung

Nächste Woche wird der Ministerrat jedenfalls den weiteren Fahrplan bekannt geben. Das hänge aber sehr von den Infektionszahlen ab. Eines nahm der Bundeskanzler schon vorweg: "Die Öffnungsschritte werden sehr, sehr behutsam erfolgen."

Beschlossen hat der Ministerrat am Mittwoch die Impfstrategie. Für Phase eins im Jänner und Februar soll es rund eine Million Impfdosen geben. Weil man zwei Mal impfen müsse, reicht die Impfdosen für 500.000 Personen aus dem Gesundheitswesen, der Pflege sowie Pflegebedürftige aus. In Phase zwei, die sich mit Februar, März und April mit der ersten überlappt, geht es um vulnerable Gruppen, "Menschen 65plus", Personen mit einem Systemrisiko für die zwei Millionen Impfdosen bereit stünden. "In Phase drei werden wir Breitbandimpfungen anbieten", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

Der Kanzler zeigte sich überzeugt davon, dass im Jänner mit der Impfung begonnen werden kann. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Zulassung der ersten Vakzine schon um Weihnachten und Jahresende erfolge. Eine Impfpflicht werde es nicht geben, bekräftigte Anschober, aber eine "dringende Empfehlung", sich impfen zu lassen.