Mit den Massentests hat die Bundesregierung bisher kein gutes Händchen bewiesen. Der erste Anlauf Anfang Dezember hat nicht einmal ein Viertel der Bevölkerung zu den Teststationen gebracht, weshalb der beabsichtigte epidemiologische Effekt völlig verpufft ist. Der zweite Anlauf war ursprünglich für den 8. Jänner geplant, doch da der Lockdown vor Weihnachten nicht nur verlängert, sondern auch verschärft wurde (kein Handel, kein Präsenzunterricht bis 18. Jänner), verschob sich auch der Termin für den Massentest nach hinten. Um die Beteiligung zu erhöhen, wurde diesmal ein Anreiz gesetzt, nämlich das sogenannte "Freitesten". Vereinfacht: Getestete hätten früher ins Wirtshaus oder ins Theater dürfen. Nach umfassender Kritik der Opposition und auch aus der Wissenschaft wurde der Plan wieder fallengelassen. Und zwar gleich für die gesamte bisherige Idee des Massentests.

Warum ist der Plan vom "Freitesten" gescheitert?

Um Personen mit einem aktuellen negativen Testergebnis von Betretungsverboten auszunehmen, wäre eine Änderung des Covid-19-Maßnahmengesetzes nötig gewesen. Im Nationalrat haben ÖVP und Grüne zwar eine Mehrheit, nicht aber in der Länderkammer. Da alle Oppositionsparteien ankündigten, das Gesetz im Bundesrat blockieren zu wollen, zog die Regierung ihr Vorhabenwieder zurück. Das "Freitesten" wäre erst nach Wochen und nach einer Ablehnung im Bundesrat mittels Beharrungsbeschluss des Nationalrats (und Mehrheit der Regierungsparteien) ermöglicht worden - viel zu spät für den geplanten Start des Massentests am 15. Jänner.

Warum war die Opposition dagegen?

Die Gründe der Parteien sind unterschiedlich. Während die FPÖ das Freitesten von Beginn an ablehnte und darin eine "Tür für ein Freiimpfen" sah, war die SPÖ zuletzt für eine Verlängerung des Lockdowns, jedenfalls bis die Zahl der Neuinfektionen "stabil unter 1.000" liegt, wie Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sagte. Die Neos wollten dem Gesundheitsminister mit diesem Gesetz "keine Verordnungsermächtigung mehr geben", wie Sozialsprecher Gerald Loacker sagte. Geeint war die Opposition in der Kritik an ÖVP und Grünen an der sehr kurzen Begutachtungsfrist von nur drei Tagen. Auch dies war ein Grund für die einhellige Ablehnung. Von den Regierungsparteien reagierte nur die ÖVP erzürnt, die Grünen schienen am Ende selbst wenig überzeugt von der Idee. Die Opposition habe sich "geschlossen einbetoniert", sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger. Der Wiener ÖAAB-Chef Hannes Taborsky sprach gar von "oppositioneller Freiheitsberaubung".

Was ergab die Begutachtung ?

Trotz der kurzen Prüfzeit gab es eine rege Teilnahme an der Begutachtung. Teilweise fanden sich aber auch viele de facto gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen, zwischenzeitlich war am Wochenende auch der Server des Parlaments überfordert. Hier dürfte es eine koordinierte Aktion gegeben haben. Kritische Stellungnahmen kamen aber auch von einigen Bundesländern, und zwar auch aus "schwarzen" wie Vorarlberg und Tirol. Zudem hatte der im Bundeskanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst einige durchaus fundamentale Einwände. Auch von wissenschaftlicher Seite gab es Skepsis an dem Vorhaben. Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl, die im Corona-Fachbeirat des Gesundheitsministeriums sitzt, stieß sich in der "ZiB 2" am Sonntag unter anderem am Begriff des "Freitestens", der falsche Signale senden würde. Ein negatives Ergebnis eines Antigentests ist nur für maximal einen Tag verlässlich, danach nicht mehr. Laut Plan der Regierung hätte aber auch negativer Test am 17. Jänner zu einem Lokalbesuch am 23. Jänner berechtigt.

Ist der Lockdown nun länger als geplant?

Formal eigentlich nicht, tatsächlich aber schon. Die Bundesregierung hat zwar vor Weihnachten einen vollen Lockdown bis zum 24. Jänner angekündigt, allerdings hätten schon eine Woche davor Gastronomie, Kultur und Handel wieder öffnen dürfen. Und zwar exklusiv für jene Personen, die entweder einen rezenten negativen Test vorweisen können oder eine Corona-Infektion hinter sich haben und als präsumtiv Immune daher kein Ansteckungsrisiko darstellen. Damit sollte die Teilnahme an der zweiten Auflage der Massentests angereizt werden. Da jedoch die Infrastruktur für Sozialkontakte aller Art ab 18. Jänner bereit gestanden wäre, hätte man in der Realität kaum von einem Lockdown sprechen können. Zumal es bis zuletzt unklar war, wer diese Vorgabe überhaupt hätte kontrollieren sollen.

Darüber war ein Konflikt zwischen Polizei und Wirtschaft entbrannt, den Kanzler Sebastian Kurz insofern zu lösen versuchte, als er die regionalen Gesundheitsbehörden in die Kontrollpflicht nahm. Doch diese sind durch die Tests und das Contact Tracing ohnehin sehr belastet, weshalb Wien bereits abwinkte und ankündigte, im Fall der Fälle einen Assistenzeinsatz der Polizei anzufordern. Das hätten jedoch maximal Stichproben sein können, weshalb die Wirkung der Maßnahme von Beginn an fraglich war.

Wie geht es nun in den Schulen weiter?

Das ist noch unklar. Eigentlich sollte der Präsenzunterricht am 18. Jänner wieder starten. Auf diese Rechtslage verwies auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Montag. Schulbeginn, allerdings nur mit Fernunterricht, ist der 7. Jänner. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wollte sich noch nicht festlegen. Grund für die erneute Unsicherheit ist aber nicht der längere Lockdown, sondern die nach wie vor hohe Inzidenz in Österreich sowie die neue Gefahr durch die offenbar infektiösere Virus-Variante, die nun auch in Österreich nachgewiesen wurde. Faßmann kündigte am Montag umfassende und regelmäßige Tests in Schulen mit neuen Antigentest-Verfahren an, die keinen Abstrich im Rachen, sondern im vorderen Nasenbereich vorsehen. Das ist für Kinder verträglicher.

Finden die Massentests nun überhaupt statt?

Ja, vielleicht, eventuell aber auch nicht. Nach einem Treffen der Landeshauptleute mit der Bundesregierung am Montag berichtete Kärntens Peter Kaiser (SPÖ), dass die bereits fixierten Termine (15. bis 17. Jänner) für die Tests "möglicherweise fallen gelassen oder um eine Woche verschoben" werden. Oberösterreich sagte die Tests jedenfalls ab, Niederösterreich nicht. Aus dem Ministerium heißt es, dass die groß angelegten Tests "nicht in dem geplanten Ausmaß" stattfinden werden. Vom Konzept des Massentests, im Sinn von viel testen, ist die Regierung nach wie vor überzeugt, von der Idee des Bevölkerungsscreenings wie Anfang Dezember rückt sie ab. Es ist jedenfalls geplant, eine dauerhafte Infrastruktur für Tests zu errichten, damit sich jeder häufig kostenlos testen lassen kann. Vor Weihnachten war die Nachfrage bekanntlich sehr groß. In einigen Berufsgruppen könnte es künftig auch verpflichtende Tests geben, bisher ist das nur in Pflegeheimen der Fall. Ein rezentes negatives Testergebnis könnte auch für gewisse Veranstaltungen, etwa im Kulturbereich, verlangt werden.

Könnte der Lockdown weiter verlängert werden?

Der Druck aus der Wirtschaft ist mittlerweile mindestens so groß wie das Defizit im Budget - beides Gründe, den Lockdown bald zu beenden. Die Fallzahlen sind aber nach wie vor zu hoch, um von einer Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu sprechen. In Deutschland dürfte der Lockdown gleich bis Ende Jänner verlängert werden, was für die österreichische Regierung auch Druck erzeugt. Auch epidemiologisch ist es sinnvoll, gäbe es einen Gleichklang innerhalb der EU, wie auch von hunderten Forschern mittlerweile gefordert wird.

Ein weiterer Punkt, der für einen längeren Lockdown spricht, sind zwei neue Varianten des Virus, eine aus Südafrika, eine aus England. Beide Mutationen sind mittlerweile in Österreich nachgewiesen worden, wie Anschober auf einer Pressekonferenz am Montag erklärte. Es ist damit passiert, was anzunehmen war, wobei Untersuchungen des Abwassers die Hoffnung nähren, dass diese beiden Varianten in Österreich noch nicht sehr verbreitet sind. Das kann sich rasch ändern. Die wissenschaftliche Evidenz ist jedenfalls stabil, dass beide Mutationen des Virus substanziell infektiöser sind.