Der Massentest in seiner bisher geplanten Form ist Geschichte. Gemeint ist der Plan, an ein paar Tagen hintereinander in allen Gemeinden eine Testinfrastruktur zu errichten, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung einem Antigentest zu unterziehen. Beim ersten Versuch Anfang Dezember blieb die Beteiligung (22,6 Prozent) weit unter den Erwartungen, der zweite Anlauf mit dem Anreiz des "Freitestens" wurde mangels Mehrheit der Regierungsparteien im Bundesrat abgeblasen. Das heißt aber nicht, dass das Thema Massentest deshalb erledigt ist. Im Gegenteil.
In den Tagen vor Weihnachten war die Nachfrage nach solchen Schnelltests auf einmal größer als das Angebot. Offenbar war das nach wie vor sehr aktive Infektionsgeschehen in Österreich vielen Menschen nicht geheuer. Es stand nicht weniger als das Leben der Liebsten auf dem Spiel. Wie viele Tests in jenen Tagen landesweit abgenommen wurden, lässt sich nicht sagen, dazu fehlen die Daten, zumal Testkits mittlerweile online erworben werden können, quasi für den Heimgebrauch. Und vielleicht liegt darin auch die Zukunft. Aber dazu später.
Die Bundesregierung ist jedenfalls gerade dabei, ihre Teststrategie zu adaptieren. Noch diese Woche könnten die Parlamentsparteien einen Entwurf des Gesundheitsministeriums dazu erhalten. Wie dieser genau aussehen wird, ist noch nicht bekannt, wohl aber die Richtung: mehr präventives Testen, und zwar viel mehr. Dafür wird auch eine dauerhafte, möglichst niederschwellige Infrastruktur geschaffen.
Neue Mutationen als zusätzliches Erschwernis
Der Hintergrund dafür ist das Infektionsgeschehen. Österreich ist seit Weihnachten zwar im Lockdown, dennoch sind die Fallzahlen wieder im Steigen begriffen. Durch Treffen in Familien- und Freundeskreisen an den Feiertagen und zu Silvester war das zwar zu erwarten, doch die neuen Varianten des Coronavirus stellen nun ein zusätzliches Risiko dar. Sowohl die britische als auch die südafrikanische Mutation dürften erheblich infektiöser sein. Das hieße auch, dass die Fallzahlen trotz Lockdowns nicht so weit sinken könnten, dass ein kontrolliertes Öffnen möglich wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu einer Überlastung des Gesundheitssystems und vielen Toten kommen würde, wäre sehr hoch. Andererseits ist ein Lockdown bis zum Sommer auch keine akzeptable Alternative.
Vor allem aus der Wirtschaft wächst der Druck für Öffnungen, zumal die üppigen Staatshilfen (Umsatzersatz) zurückgefahren werden. Die Wirtschaftskammer fordert "regelmäßige, flächendeckende Tests", wie Präsident Harald Mahrer sagt. Diese Maßnahme würde, so der WKO-Präsident, die Infektionszahlen ebenso wirksam senken wie ein Lockdown, wäre aber billiger.
Es gibt keine Gewissheit, dass eine derartige Teststrategie auch tatsächlich funktioniert. Das tut sie vorerst nur auf dem Papier, konkret auf einem von Epidemiologen aus Harvard. Im Modell ließ sich dabei zeigen, dass sich durch regelmäßiges Testen das Virus nahezu eliminieren lassen würde.
Doch wie in jedem Modell liegen auch diesem gewisse Annahmen zugrunde, etwa ein Test alle drei Tage oder auch eine Beteiligung von 75 Prozent der Bevölkerung. Zur Erinnerung: Zum kostenlosen Test Anfang Dezember war nicht einmal ein Viertel erschienen.
Schritt in Richtung einer größeren Test-Verpflichtung
Über eine Verpflichtung für Tests hat sich die Bundesregierung noch nicht drüber getraut, der folgende Entwurf könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Für gewisse Berufsgruppen, etwa Personal im Pflegeheim, gibt es bereits eine Testverpflichtung. Diese könnte künftig auf andere, vor allem körpernahe Dienstleistungen ausgeweitet werden. Bildungsminister Heinz Faßmann hat am Montag auch von einem intensiven Testprogramm für Schulen gesprochen, und zwar für Schülerinnen und Lehrer.
Die Antigentests sind nicht perfekt, sie erkennen nur höhere Viruskonzentrationen und sind daher in ihrer Aussage nur für etwa einen Tag ziemlich verlässlich. Am Beginn einer Infektion schlägt der Test nicht an. Umso wichtiger sind deshalb oftmalige Testungen, wobei auch diese nur eine Reduktion des Risikos und darstellen und keine Garantie sind. Gesamtepidemiologisch dürften diese "Test-Unfälle" aber weniger relevant sein.
Eine erhebliche, auch rechtliche Hürde stellt jedoch der Nasenabstrich dar, der als unangenehm, manchmal sogar als schmerzhaft empfunden wird. Und er ist auch nicht ganz trivial abzunehmen, weshalb eben eine entsprechende Testinfrastruktur errichtet werden muss, die gerade für den ländlichen Raum eine Herausforderung ist. Eine täglich geöffnete Teststation kann nicht jede Gemeinde über Monate hin besetzen. Jetzt kommt die gute Nachricht: Das ist gar nicht notwendig.
Anfang November hat die Virologie der Berliner Charité eine Studie publiziert, in der bei 287 Patienten, fast alle mit Symptomen, auch nur die vordere Nasenhöhle abgestrichen wurde. Das ist nichts anderes als leichtes Nasenbohren. Die Ergebnisse waren zwar nicht genauso, aber doch beinahe so zuverlässig wie beim tiefen Nasopharyngealabstrich. Und das, obwohl die Tests gar nicht daraufhin ausgerichtet sind.
Erste Notzulassungen in den USA
Seither sind ein paar Wochen vergangen, und einige Hersteller haben bereits Testkits für Abstriche in der vorderen Nasenhöhle auf den Markt gebracht oder sind gerade dabei, dies zu tun. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte bei einer Pressekonferenz vor Silvester ihre Hoffnungen in "Wohnzimmertests" gesetzt. Die Gesundheitsagentur Ages in Österreich steht auch unmittelbar vor einer Publikation für diese Art der Probenentnahme.
Die Vorteile dieser Tests liegen auf der Hand: Sie wären von Jedermann und Jederfrau, zumindest von allen die gelegentlich in der Nase bohren, problemlos anzuwenden. Sie könnten in wenigen Minuten daheim gemacht werden, vor dem Weg in die Arbeit, vor dem Besuch bei Freuden und Verwandten, die man ebenso wenig anstecken will, wie man selbst angesteckt werden will. In den USA gibt es für zwei Hersteller bereits Zulassungen solcher Heim-Tests. Da dies kein sonderlich invasiver, jedenfalls nicht schmerzhafter Test ist, wäre auch die rechtliche Hürde bei einer Verpflichtung jedweder Art weitaus geringer.
Medizinproduktegesetz als rechtliche Hürde
Es gibt jedoch ein Problem, das nur die Politik lösen kann. Es gibt noch keine Zulassung für den Anwendungsbereich daheim. Grundsätzlich handelt es sich bei Antigentests um ein Medizinprodukt einer höheren Risikoklasse. Theoretisch kann ja auch das Nasenbohren zu Nasenbluten führen, nicht anders verhält es sich mit diesen Tests.
Die Zulassungsverfahren durch zuständige Stellen, etwa der TÜV, benötigen jedoch mehr Zeit als das Infektionsgeschehen derzeit gewährt. Alternativ können solche Produkte auch ausschließlich für das medizinische Fachpersonal auf den Markt gebracht werden. Das ist auch bei den bisherigen Antigentests der Fall. Sie sind nicht so einfach zu erwerben, was angesichts des nicht einfachen tiefen Nasenrachenabstrichs auch nachvollziehbar ist.
Doch der Test für die vordere Nasenhöhle wäre tatsächlich für den Heimgebrauch gedacht. Doch selbst diese Tests sind vorerst nur für medizinisches Personal zugelassen. Es bräuchte daher eine Art Notzulassung, konkret müsste das Medizinproduktegesetz umgangen werden, das sich wiederum auf EU-Richtlinien stützt. Das ist rechtlich nicht ganz einfach, aber das ist ein Lockdown auch nicht.
Und noch eine Herausforderung gibt es: Wer sich daheim positiv testet, scheint in keinem Meldesystem auf. Niemand kann sich zudem selbst einen Absonderungsbescheid ausstellen (oder würde das tun). Das kann tatsächlich ein Fallstrick sein und ist zweifellos die Kehrseite der Niederschwelligkeit. Hier wäre jedenfalls Aufklärung wichtig, da ein positiver Antigentest auch falsch-positiv sein kann, wie der Massentest im Dezember bewies. Er handelt sich daher eher um einen Vortest, ähnlich wie ein Schwangerschaftstest aus der Drogerie. Bei einer PCR-Nachkontrolle kann das positive Corona-Ergebnis bestätigt werden, dann wird der Fall im Meldesystem erfasst und die Behörden können mit dem Contact Tracing beginnen.
Bei einer Heimtest-Strategie bräuchte es die Mitwirkung der Bevölkerung, aber die braucht es auch bei einem Lockdown. Österreich zum Land der Nasenbohrer zu machen, könnte ein Ansatz sein, um doch in absehbarer Zeit aus dem Lockdown zu kommen. Der endet zwar plangemäß am 24. Jänner, bei steigenden Infektionszahlen wird das aber nicht passieren. Auch die Zahl der Covid-Patienten im Spital ist am Dienstag wieder gestiegen.