Der Weg aus dem Lockdown steht in Paragraf 1, Absatz 5, Ziffer 5 eines Entwurfs zur Änderung des Covid-19-Maßnahmengesetzes. Es ist nur eine kleine Ergänzung der Auflagen für das Betreten von "bestimmten Orten", die in dem Gesetz aufgezählt werden. Zu diesen soll, neben Mundschutz, Abstandsgebot und vorgeschriebenen Präventionskonzepten, ein weiterer Punkt hinzukommen: ein negatives Testergebnis auf Sars-CoV-2.

Dahinter steckt die Idee der Zutrittstests, die eine Lockerung in diversen Bereichen des öffentlichen Lebens ermöglichen sollen. Die Novelle hat am Dienstag den Gesundheitsausschuss passiert und soll am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werden. Die Regierungsparteien verhandeln noch mit der SPÖ über Details, die eigentlich über den Gesetzestext hinausgehen.

Das genaue Wie, Was und Wer der Teststrategie wird dann Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) per Verordnung festlegen. Die kann er zwar im Alleingang formulieren und erlassen, doch ohne Einigung mit zumindest der SPÖ zu den (groben) Inhalten, wird es von dieser keine Zustimmung im Bundesrat geben. Daher brauchen ÖVP und Grüne die Roten.

Der Zeitplan für die Implementierung ist noch ungewiss. Überall in Europa werden aufgrund der neuen Virusvariante Pläne geändert und angepasst. Deutschland hat seinen Lockdown bereits auf Ende Jänner verlängert und denkt über eine Prolongierung der umfassenden Kontaktbeschränkungen nach. Klar ist, dass es irgendwann zu Öffnungen kommen wird und wohl nicht erst im Spätsommer, wenn ein Gutteil der Bevölkerung voraussichtlich geimpft sein wird. Und ebenfalls klar ist, dass es keine plötzliche Öffnung sämtlicher Bereiche geben wird. Das Risiko ist zu hoch.

Eine bittere Erfahrung des vergangenen Sommers ist, dass Prävention allein, also Maskenpflicht, reduzierte Kapazitäten in Kinos und Theater, Abstandsgebote und Desinfektionsspender beim Eingang alleine nicht reichen, um das Virus nachhaltig kontrollieren zu können. Nun, im Winter, in dem sich mehr Leben in epidemiologisch problematischen Innenräumen abspielt sowie angesichts der infektiöseren Variante, wäre selbst bei (zwischenzeitlich) niedrigen Infektionszahlen ein Zurück ins Regime des Sommers kühn bis wahnwitzig. Damals gab es jedoch viel geringere Testkapazitäten. "Die sind eine der wenigen Möglichkeiten, die wir noch haben", sagt dazu der Komplexitätsforscher Peter Klimek.

Wirksamkeit erst bei hoher Beteiligung

Wie das aussehen könnte, hat sich der Mathematiker Niki Popper von der TU Wien in Simulationen für Wien angesehen. Es sind keine Prognosen, sondern Modellierungen von Szenarios von regelmäßigen Haushaltstestungen mit unterschiedlich hoher Beteiligung. Die Berechnungen zeigen, erstens, dass solche regelmäßigen Tests sowie die Quarantäne aller Haushaltsmitglieder bei einem Infektionsfall die Ausbreitung substanziell bremsen können. Zweitens, der epidemiologische Effekt, der die Infektionszahlen auf akzeptablem Niveau hält, tritt erst bei einer hohen Beteiligung ein, vermutlich ist bei Tests einmal pro Woche zumindest die Hälfte der Haushalte nötig. Das ist doch sehr ambitioniert, zumal es nicht immer dieselben Haushalte sein sollten.

Genau da kommen (auch) die Zutrittstests ins Spiel. Sie dienen nicht nur dazu, das Risiko von Clustern in Museen durch den ausnahmslosen Besuch getesteter Personen zu reduzieren, sondern sie sind auch als Anreiz zu verstehen, sich immer wieder testen zu lassen. Durch neue Antigentests, bei denen die unangenehme Prozedur des tiefen Nasenabstrichs entfällt, wird ein Hemmnis genommen. Der Bund hat für die Schulen bereits Millionen solcher Tests angekauft. "Das Ziel ist, dass wir die Testungen erhöhen und asymptomatische Personen aus dem Infektionszyklus herausholen können", sagt Anschober.

Noch am Mittwoch verhandelte er mit seinem Koalitionspartner und der SPÖ über die genaue Teststrategie. Die Sozialpartner verkündeten unterdessen, dass sie dazu auch einen Generalkollektivvertrag abschließen werden, um betriebliche Tests zu ermöglichen. Der Bund hat die Finanzierung zugesichert.

Regierung findet Kompromiss mit SPÖ

Gerry Foitik vom Roten Kreuz hat via Twitter ebenfalls einen Vorschlag gemacht. Jede Person soll zehn Tests pro Monat kostenlos nach Hause geschickt bekommen, um sich alle paar Tage selbst testen zu können. Bereits vor Wochen hat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner diese "Wohnzimmer-Tests" in die Debatte eingebracht.

Auch in den Gesprächen mit dem Gesundheitsminister spielt diese Option eine Rolle, und sie gehört zu jenen Details, die rechtlich geklärt werden müssen. Denn was passiert, wenn sich jemand selbst daheim positiv testet? Einen Bescheid kann man sich nicht selbst ausstellen. Und reicht das positive Ergebnis daheim dem Unternehmen als Grund, nicht zur Arbeit zu erscheinen? Für den Zutritt zu Veranstaltungen sind diese Selbsttests auch ungeeignet, da es keine Bestätigung gibt.

Wichtig ist, wie die Arbeit von Popper zeigt, dass die regelmäßigen Tests in überlappenden Netzwerken stattfinden. An den Massentests im Dezember haben vor allem jene teilgenommen, die ohnehin diszipliniert sind. Umso schwächer war daher der Effekt. Es ist ein Problem, wenn größere Subpopulationen nie getestet werden. Da hilft es wenig, wenn sich andere besonders häufig testen. Popper hält daher Haushalte mit Schulkindern für besonders geeignet. "Der bremsende Effekt kann deutlich gesteigert werden."

Der Präsenzunterricht ist epidemiologisch zweifellos heikel. Die Zahl der Kontakte nimmt wieder zu, Infektionen können ausgelöst werden. Andererseits bietet die Schule mit einem begleitenden Testmonitoring die Chance, nicht nur Cluster in den Klassen früh zu erkennen, sondern über die Kinder auch zu Haushaltsclustern zu gelangen. Denn je länger ein Lockdown dauert, desto eher werden Kontaktbeschränkungen umgangen. Das ist eine Realität, die beachtet werden muss.

Hinzu kommen Testungen in Betrieben, bei spezifischen Berufsgruppen, etwa auch für körpernahe Dienstleistungen wie Friseure, sowie die Zutrittstests für Veranstaltungen und Hotels, eventuell auch die Gastronomie. Letztere wollte die SPÖ nicht, Anschober schon, als Kompromiss kristallisierte sich dann heraus, dass für die dann in der Verordnung avisierten Bereiche auf epidemiologische Evidenz verwiesen werden muss. Über die Kontrolle von Testzertifikaten in der Gastronomie waren sich vor Wochen Wirte und Polizei uneins.

Wie viele Haushalte durch diese Maßnahmen tatsächlich zu regelmäßigen Tests animiert werden können, ist eine der Unsicherheiten, die diesen Plan begleiten. Ein ewiger Lockdown ist aber auch keine passable Alternative, zumal er sukzessive an Wirksamkeit verliert. Sehr hohe Infektionszahlen wie derzeit in Tschechien, Irland und England wirken zwar dann auch aus sich heraus, weil die Menschen ihr Verhalten umstellen. Ein erstrebenswertes Ziel ist das aber auch nicht.