Neuinfektionen, Basisreproduktionszahl, Inkubationszeit, Herdenimmunität. Längst ist der medizinische Fachjargon in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Halb Österreich hat einen Schnellkurs in Virologie, Epidemiologie, Immunologie hinter sich. Wir verschlingen die Wissenschaftsteile der Zeitungen, klappern das Internet nach Studien ab, analysieren Steigerungsraten. Auf dem Dashbord zur Corona-Schutzimpfung in Österreich kann man der Zahl der verabreichten Impfdosen beim Steigen zusehen. Im Sekundentakt rattert der Wert nach oben, längst ist er sechsstellig.
Doch ohne Bezugsgröße ist er nichtssagend. Trotz profundem virologischem Grundwissen fällt es uns oft schwer, große Zahlen einzuordnen. Am Montag gab Gesundheitsminister Anschober bekannt, die 100.000er-Marke an verabreichten Impfungen geknackt zu haben. Erst im Vergleich zur Einwohnerzahl hat die Zahl eine Aussage. 100.000 geimpfte Menschen entspricht 1,12 Prozent der Bevölkerung.
Demografie spielt bei der Bekämpfung der Pandemie eine entscheidende Rolle. Ältere Menschen sollen schnell immunisiert werden. Auch der Wiener Impfplan verfolgt diese Strategie. Man will sich also nach hinten arbeiten. Erst die Menschen über 80, dann die Menschen über 70, dann die über 60 Jahren. Und zum Schluss der ganze Rest. Aber wie viele sind das überhaupt?
16,5 Prozent Über-65-Jährige
Laut MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik) hatte Wien am 1. Jänner 2020 exakt 1.911.191 Einwohner. Zu diesem Zeitpunkt waren 315.490 Menschen über 65 Jahre alt. Das sind 16,5 Prozent aller Wienerinnen und Wiener. Etwa 153.000 davon waren über 75 Jahre alt. Die 40- bis 64-Jährigen stellen mit 632.030 Menschen - 33 Prozent der Bevölkerung - die größte Gruppe. Laut Dashbord des Gesundheitsministeriums wurden in Wien bisher rund 25.000 Dosen verimpft. "Das Gros davon an medizinisches Personal", sagt Norbert Schnurrer, Pressesprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Eine genaue Aufschlüsselung gibt es nicht. Insgesamt haben damit etwa 1,32 Prozent der Einwohner einen von zwei notwendigen Stichen erhalten.
Doch nicht alle Wiener dürfen geimpft werden. Die Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna sind für Menschen unter 16 Jahren nicht zugelassen. Das sind in Wien immerhin rund 295.000 Menschen - 15 Prozent der Bevölkerung. Auch Schwangere dürfen nicht immunisiert werden. Genaue Zahlen, wie viele Wienerinnen momentan schwanger sind, gibt es nicht. Pro Jahr kommen 19.000 bis 20.000 Kinder zur Welt.
Das jüngste Bundesland
Wien ist mit einem Medianalter von 41 Jahren übrigens das jüngste aller Bundesländer. Das war lange genau umgekehrt. Im Jahr 1971 war Wien das bei weitem älteste - und mit einem Medianalter von 42 Jahren eine der ältesten Städte der Welt. Der Anteil der über 65-Jährigen lag bei knapp 20 Prozent, wie die Demografen Ramon Bauer und Klemens Himpele in ihrem Aufsatz "Das Comeback einer demographisch gealterten Stadt" erklären. Hätte sich diese Entwicklung fortgesetzt, wäre das Medianalter heute bei 48 Jahren und jeder vierte Wiener über 65.
Es kam anders. Die Bevölkerungspyramide der Stadt ist eine Zwiebel geworden, mit einem dicken Bauch in der Mitte. Seit der Jahrtausendwende erlebt Wien eine starke Bevölkerungszunahme. In den vergangenen 30 Jahren stieg die Einwohnerzahl um knapp 400.000 - vorwiegend durch Zuzug. Das ist zweimal Linz. Das Wachstum hat die Stadt verjüngt. Heute ist die Altersgruppe im Hauptalter der Familiengründung zwischen 25 und 35 Jahren die größte.