Ein wenig Geduld müssen die Menschen im Burgenland noch aufbringen. Denn während man sich in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich schon seit dem Wochenende online für die freiwillige und kostenlose Covid-19-Schutzimpfung vormerken lassen kann, wird im gemessen an der Bevölkerung kleinsten Bundesland derzeit noch an der Finalisierung eines entsprechenden Systems gearbeitet. Die Burgenländer werden sich also frühesten am Freitag, wenn die Registrierungsplattform offiziell vorgestellt werden soll, für einen Impftermin voranmelden können.
Ablaufen wird die Impfung dann in vielen Fällen anders als etwa in Wien, Kärnten, Vorarlberg oder Oberösterreich. Denn diese Länder setzen für die als nächstes zum Zug kommende Gruppe der Hochrisikopatienten und Über-80-Jährigen, die nicht im Heim leben und schon geimpft worden sind, vor allem auf eine gemeinsame Immunisierung in einigen wenigen Impfzentralen. Das Burgenland will indes im großen Stil über die Hausärzte impfen - genauso wie Niederösterreich, Österreichs größtes Bundesland.
Eine Frage des Impfstoffs
Was als niederschwelliger Zugang und als Hilfestellung für die mitunter wenig mobile Gruppe der Über-80-Jährigen gedacht ist, könnte sich für die Hausärzte aber als schwieriges bis unmögliches Unterfangen entpuppen, wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergeben. Vor allem so lange, so lange fast ausschließlich der Impfstoff von Biontech/Pfizer in Österreich erhältlich ist: Laut niederösterreichischer Ärztekammer seien es nur rund 100 Ordinationen, die in Niederösterreich für Impfaktionen wie diese infrage kämen. Das hätten die Absprachen mit dem Notruf Niederösterreich ergeben, der als Impfkoordinator die Letztentscheidung darüber trifft, welche Praxen als Impfordinationen definiert werden. 100 Ordinationen, das sind 6 Prozent aller niederösterreichischen Ordinationen im Bereich Allgemeinmedizin. In Niederösterreich leben rund 1,7 Millionen Menschen.
Dass es nicht mehr niedergelassene Ärzte sind, dürfte nicht zuletzt mit den Besonderheiten des Impfstoffs von Biontech/Pfizer zu tun haben. Denn dieser habe so seine Tücken, heißt es von der niederösterreichischen Ärztekammer. Nicht nur, dass er gekühlt werden muss - bis zu fünf Tage lang in handelsüblichen Kühlschränken und bei längerer Lagerung bei minus 70 Grad Celsius. "Wenn eine Packung angebrochen ist, darf man mit dieser auch nicht mehr von einem Raum zum nächsten gehen", heißt es von der Ärztekammer. Und: Eine Ampulle muss nach der Erstnutzung innerhalb von sechs Stunden verimpft werden.
Volle Praxen kontraproduktiv
Das bedeutet: Sobald man eine Ampulle öffnet, müssen sechs Patienten, für die der Inhalt reicht, am selben Tag verlässlich in die Ordination kommen, um geimpft zu werden. Weder mehr, noch weniger. Außer, man verimpft gleich zwei Ampullen. Dann müssten es aber schon genau zwölf Patienten sein. Denn: "Um eine Dosis wegzuwerfen, ist der Impfstoff viel zu wertvoll", so die niederösterreichische Ärztekammer.
Zudem könnte sich das Einhalten des üblichen Impfrahmens, den Ärzte beachten müssen, als problematisch erweisen. Vor allem, inwieweit die vorgesehene 20- bis 30-minütige Beobachtung des Patienten nach der Impfung in der Praxis möglich und sinnvoll ist, muss abgewogen werden. Übervolle Wartezimmer sind während der Pandemie jedenfalls kontraproduktiv. Ideal wäre es, die Geimpften in einem isolierten Raum zu beobachten, bevor sie nach Hause entlassen werden können. Das ist aber wieder eine Frage des zur Verfügung stehenden Platzes und vermutlich in den seltensten Fällen möglich.
Weitläufige Geografie
"Falls es heißt, dass die Hausärzte ihre Patienten durchimpfen sollen, ist das in den normalen Ordinationen, in der Kleinstruktur der Praxen, sicher nicht bewältigbar", sagt dazu die Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady, die zweite Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin. "Ein Drittel unserer Patientenklientel zählt zu jenen, die vorrangig geimpft werden sollen", sagt Rabady, die sich grundsätzlich sehr wohl für die Impfung ausspricht. In welcher Form Massenimpfungen durch Hausärzte stattfinden sollen, müsse jedoch exzellent vorbereitet und unter professioneller Ägide organisiert werden, sagt sie.
Begründet wird der Weg über die Hausärzte sowohl in Niederösterreich wie auch im Burgenland mit der weitläufigen Geografie. Im Burgenland werde es zwar auch zusätzlich zentrale Impfstellen geben, sagt Jasmin Puchwein, die Sprecherin von Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ), zur "Wiener Zeitung". "Aber im Burgenland ist es anders als in Wien. Viele können hier nicht einfach mit dem Taxi zur nächsten Impfstraße fahren."
Gut geeignet für die Immunisierung im niedergelassenen Bereich wäre vor allem der Impfstoff von AstraZeneca. Das von der Universität Oxford entwickelte Vakzin, das nach den ursprünglichen Plänen der österreichischen Regierung das Rückgrat der heimischen Impfkampagne darstellen soll, lässt sich zum Beispiel problemlos im handelsüblichen Kühlschrank lagern und ist auch sonst deutlich einfacher einzusetzen. Doch derzeit ist nicht nur unklar, ob der Impfstoff so wie erhofft noch im Jänner zugelassen werden kann. In der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA wachsen mittlerweile auch ganz allgemein die Sorgen, weil in der Phase-III-Studie von AstraZeneca die Altersgruppe der Über-65-Jährigen nicht ausreichend repräsentiert war. Nur geringfügig abfedern könnte das Problem der Impfstoff von Moderna, von dem sich zwar bereits Dosen in Österreich befinden - allerdings nur ein minimaler Bruchteil von jenen vom Biontech/Pfizer-Impfstoff.
"Bisher null Informationen dazu"
Angesichts der vielen Unklarheiten fühlen sich die Hausärzte jedenfalls allein gelassen. "Wir haben bisher null Informationen dazu", heißt es dazu aus einer Hausarzt-Praxis im Bezirk Neusiedl am See. "Alles was wir wissen, wissen wir aus den Medien."
Michael Lang, der Präsident der burgenländischen Ärztekammer, hält die Abwicklung über die Allgemeinmediziner, die auch für die Anmeldung der Risikopatienten zuständig sein sollen, dennoch für bewältigbar. "Organisatorisch ist das zwar ein Aufwand, aber es lässt sich selbstverständlich machen", sagt Lang. Und auch das Land selbst sieht sich in den Startlöchern. Vorausgesetzt, es gibt genug Impfstoff, könnten die burgenländischen Impfstraßen laut Puchwein mit 23. Jänner starten, der niedergelassene Bereich kurze Zeit später. Dass es genügend frei verfügbare Dosen geben wird, ist derzeit jedoch fraglich. Denn die von Biontech/Pfizer vergangene Woche angekündigte Lieferkürzung im Ausmaß von 20 Prozent dürfte vor allem in den kommenden ein bis zwei Wochen durchschlagen.