Nun liegen also Zwischenergebnisse aus der Phase-III-Studie zu Sputnik V, dem russischen Impfstoff, vor: Der Wirkungsgrad betrage 91,6 Prozent, heißt es in "The Lancet", schwere Reaktionen seien nicht aufgetreten, jedenfalls nicht aufgrund der Impfung. Die medizinische Fachzeitschrift bekräftigte am Dienstag zusätzlich, der russische Impfstoff sei "sicher und wirksam".

Sputnik V (Gam-Covid-Vac) ist mit 91,6 Prozent sogar wirksamer als der Impfstoff von AstraZeneca, dessen Effektivität im Mittel bei siebzig Prozent liegt (laut den Zwischenergebnissen der Phase-III-Studie von AstraZeneca).

Beide Impfstoffe sind Vektorimpfstoffe. Fragt man sich nun, warum die Wirksamkeit so unterschiedlich ist, wo doch beide Impfstoffe scheinbar ähnlich funktionieren, muss man feststellen: So gravierend unterschiedlich sind die Wirkungsgrade nicht. Es kommt darauf an, was man vergleicht.

Dass AstraZeneca nun als der Impfstoff mit geringer Wirksamkeit dasteht, ist in gewisser Weise Pech.

So funktionieren Vektor-Impfstoffe

Dass Sputnik V so gut funktioniert, wundert Herwig Kollaritsch, Infektiologe der MedUni Wien, nicht: "Das Prinzip ist bestechend einfach und klar", sagt er. Die publizierten Zwischenergebnisse, das betont er, sind Resultate einer "wirklich ordentlichen Phase-III-Studie wie es sich gehört, mit allen entsprechenden Kontrollmechanismen. Die Ergebnisse sind brauchbar."

Wie funktioniert nun dieses einfache Prinzip? Sputnik V ist ein Vektorimpfstoff, bei dem Adenoviren eine Gensequenz des Coronavirus in die Körperzellen tragen, um dort die gewünschte Immunreaktion, nämlich die Bildung von Antikörpern gegen das Coronavirus, auszulösen.

Um Adenoviren zu Übertragungsmedien (Vektoren) zu machen, wird bei Covid-Impfstoffen die Erbinformation für die Spikes von Sars-CoV-2 in die Adenoviren eingebaut. Diese so veränderten Adenoviren führen dann nicht mehr ihre eigene DNA mit sich, sondern die Erbinformation der Corona-Spikes. Werden diese Adenoviren verimpft, bilden die Körperzellen wie gewünscht das Spikeprotein selber aus und auch sogleich die Antikörper dagegen.

Vektorimpfstoffe schleusen anders als die klassischen Lebend- oder Totimpfstoffe also keine echten Erreger in den Körper, haben aber generell den Nachteil, dass sie auch eine Immunabwehr gegen den Vektor selbst, in dem Fall Adenoviren, auslösen können.

Die Trickkiste: Wie Sputnik V zum Ziel kommt

Die Reaktion auf den Vektor ist individuell verschieden, sie wird meist dann zu einem Problem, wenn, wie es üblich ist, zwei Impfdosen gegeben werden müssen: Bei der zweiten Dosis mit demselben Vektor hat der Körper bereits Antikörper gegen die Vektoren gebildet. Diese Vektorantikörper führen dazu, dass es nicht mehr zu der gewünschten Reaktion in den Körperzellen kommt, weil die Vehikel aus Adenoviren ihr Ziel gar nicht mehr erreichen können. Sie werden von den gegen sie gebildeten Antikörpern aufgehalten.  Somit wird auch keine ausreichende Zahl neuer Antikörper gegen das Coronavirus gebildet.

Die russischen Forscher griffen nun vorneherein zu der "bestechend einfachen" Lösung: Bei der Impfung mit Sputnik V wird nicht nur ein bestimmter Adenovirus als Transportvehikel verwendet, sondern zwei verschiedene Stränge der Adenoviren werden eingesetzt, nämlich Ad26 bei der ersten Dosis, Ad5 bei der zweiten Dosis. Sputnik V kommt auf diese Weise zu einer durchgängig hohen Wirksamkeit. Herwig Kollaritsch: "Wenn Sie gegen den ersten Vektor Antikörper gebildet haben, so ist das völlig wurscht, denn da Sie beim zweiten Mal nicht denselben Vektor bekommen, spielt das keine Rolle für die Immunantwort."

Das Pech von Oxford/Astra-Zeneca

AstraZeneca verwendet bei seinem Impfstoff bei beiden Dosen denselben Vektor. An der bestechend einfachen Lösung oder einer Variante davon scheinen die Forscher knapp vorbeigeschrammt zu sein: "AstraZeneca hat eine Subgruppe gemacht, der sie bei der ersten Impfung eine halbe Dosis und bei der zweiten Impfung dann die volle Dosis gegeben haben. Sie haben da schon gesehen, dass die Effektivität viel höher ist, weil dort dieses Problem der Vektorantikörper offenbar weggefallen ist." AstraZeneca kam so auf eine Wirksamkeit von über 90 Prozent in dieser Subgruppe.

Für die Zulassung relevant werden konnten die Ergebnisse indes nicht: "Sie konnten das nicht einreichen, weil sie zu wenig Daten dazu hatten", so Kollaritsch.

AstraZeneca konnte mittlerweile zeigen, dass auch zwölf Wochen Abstand zwischen den Dosen die Wirksamkeit erhöhen, allerdings nur auf 76 Prozent.
Sputnik V liegt unterdessen zur Zulassung bei der EMA vor; die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich wohlwollend, ebenso die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, Ungarn setzt den Impfstoff bereits ein und zuletzt hat Mexiko einer Notzulassung zugestimmt. Sputnik V ist bereits in 17 Ländern im Einsatz.