Nach der Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) zur Verwendung des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca auch bei über 65-Jährigen haben nun Ältere und Risikopersonen "absoluten Vorrang". Das sei mit allen Bundesländern vereinbart worden, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitagnachmittag in Wien nach einer Videokonferenz mit den Landeshauptleuten. Bereits zugesagte Impftermine mit jüngeren Personen, wie etwa Lehrern, würden jedoch nicht abgesagt, betonte Kurz.

Der Kanzler zeigte sich zuversichtlich, dass nach der Neubewertung durch das NIG und unter Einhaltung der zugesagten Liefermengen aller Impfstoffhersteller jeder über 65-Jährige "noch im April seine Impfung erhalten wird". Damit würden "im Zuge der dritten Welle" schwere Verläufe verhindert. Es könnten jetzt alle drei zugelassenen Impfstoffe für Menschen über 65 Jahren verwendet werden. "Das ist wichtig", erläuterte Kurz. Denn gerade ältere Menschen seien oft von schweren Verläufen betroffen

 

Entscheidung des Impfgremiums

Das NIG hatte sich am Freitag für den Einsatz des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca ohne oberes Alterslimit ausgesprochen - und somit auch für alle Personen über 65 Jahren sowie Hochrisikopersonen. "Die Impfkampagne wird damit weiter an Fahrt aufnehmen", betonte Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) gegenüber der APA. Man sei dem Ziel, jedem Menschen in Österreich bis in den Sommer einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, ein weiteres Stück näher.

Die Stadt Wien hatte diese Woche einen breiteren Einsatz in der Altersgruppe über 65 gestartet, am Freitag trat auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für eine allgemeine Freigabe des Corona-Vakzins ein. Wegen der eingeschränkten Datenlage war in vielen Ländern eine Empfehlung abgegeben worden, vorerst insbesondere Personen unter 65 Jahren zu impfen. So lautete auch die bisherige Empfehlung des NIG.

Aufgrund der nun vorliegenden neuen Daten aus großen Anwendungsstudien, die in den letzten Tagen vorveröffentlicht wurden, ist eine solche Einschränkung nicht mehr notwendig, hieß es nun vonseiten des Gesundheitsministeriums. "Ich freue mich, dass wir jetzt auch für den Impfstoff von AstraZeneca eine klare Empfehlung des Nationalen Impfgremiums vorliegen haben, die wir sofort umsetzen werden. Die vorliegenden Daten zeigen ganz klar, dass es sich hierbei um einen hoch wirksamen und sicheren Impfstoff handelt, den wir nun für alle Altersgruppen empfehlen können", sagte Anschober.

Das NIG hatte auch vor der aktuellen Entscheidung betont, dass bei logistischen Problemen mit anderen Impfstoffen "nichts gegen eine Anwendung des Impfstoffes von AstraZeneca bei Menschen über 65" sprechen würde. Von der Ständigen Impfkommission in Deutschland war AstraZeneca am Donnerstag ebenfalls ohne Alterseinschränkung empfohlen worden.

Vermehrt Daten zu Wirksamkeit

Für den Einsatz des AstraZeneca-Vakzins waren schrittweise mehr Daten zur Wirksamkeit bei über 65-Jährigen aufgetaucht. AstraZeneca habe sich selbst "der Wissenschaft verschrieben", betonte Karin Storzer, Head of Communication von AstraZeneca Österreich, gegenüber der APA.

Durch die Kooperation mit der Universität Oxford gab es bereits viele Publikationen zu Studien mit dem seit Ende Jänner in der EU für alle Altersgruppen ab 18 Jahren zugelassenen Impfstoff. In den kommenden ein bis zwei Wochen wird zudem eine große Studie zum AstraZeneca-Impfstoff aus den USA erwartet. Die Daten werden laut dem Pharmakonzern mehr als 30.000 Studienteilnehmer umfassen, wobei 20.000 den AstraZeneca-Impfstoff und 10.000 ein Placebo erhielten. 25 Prozent der Probanden waren älter als 65 Jahre.

"Real-World"-Daten aus Großbritannien

Zudem werden aus den weltweiten Studien in mehreren Ländern mit insgesamt 60.000 Probanden unter anderem auch noch genauere Details zur Wirksamkeit gegen die neuen Virus-Varianten erwartet. Erste Daten von wenigen jungen Probanden aus Südafrika hatten auf eine reduzierte Wirksamkeit gegen die dort erstmals aufgetauchte Mutation hingedeutet. AstraZeneca ist jedoch nach wie vor zuversichtlich, dass der Impfstoff bei Menschen, die mit der Südafrika-Mutation infiziert werden, vor schweren Erkrankungen, Hospitalisierungen und Todesfällen schützt.

Aktuell zeigten bereits "Real-World"-Daten von der laufenden Impfkampagne in Großbritannien, darunter vor allem Schottland, dass das AstraZeneca-Vakzin Krankenhauseinweisungen auch bei Personen über 80 Jahren schon wenige Wochen nach der ersten Dosis deutlich verringert. In Schottland gab es in allen Altersgruppen vergleichbare Wirkungen zur Reduktion eines Covid-19-bedingten Spitalsaufenthalts um 94 Prozent 28 bis 34 Tage nach der ersten Dosis.

Nationale und internationale Experten bestätigten immer wieder eine vergleichbar hohe Wirksamkeit gegen schwere Covid-Verläufe wie bei den bisher in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoffen, wobei die unterschiedlichen Studiensettings nicht 1:1 vergleichbar seien. Das Nationale Impfgremium in Österreich betonte auch, dass bei logistischen Problemen mit anderen Impfstoffen "nichts gegen eine Anwendung des Impfstoffes von AstraZeneca bei Menschen über 65" spricht.

"Britische Variante" baut Dominanz aus

Aus der Sitzung der Corona-Ampelkommission am Donnerstag geht unterdessen hervor, dass die Anteile der Mutation N501Y - mehrheitlich der britischen Variante B.1.1.7 zuzuordnen - in ganz Österreich mit Ausnahme Vorarlbergs ihre Dominanz ausbauen. Von 58 Prozent in Kalenderwoche 7 stieg der Anteil in Kalenderwoche 8 (22. bis 28. Februar) auf 64 Prozent. In Tirol konnte die Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante B1.351 indes unter Kontrolle gehalten werden.

Jedoch wurde für die letzte Februarwoche auch die Detektion von sporadischen Verdachtsfällen der brasilianischen Variante (B.1.1.28) vermeldet, die derzeit noch unter epidemiologischer und molekularbiologischer Abklärung stehen. Das Verhältnis der Anteile von Mutation N501Y und der bisher bekannten "Wildvariante" des Virus SARS-CoV-2 hat sich im Februar in Österreich jedenfalls umgekehrt. Lag der Anteil des herkömmlichen Virus in der ersten Februarwoche noch bei rund 62 Prozent sank er auf 36 Prozent in der vergangenen Woche. (apa)