Sebastian Kurz ist optimistisch. Hatte Österreichs Bundeskanzler noch in der Vorwoche gegen Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von Corona-Impfstoffen in der EU gewettert, ortete er am Mittwoch schon eine Möglichkeit, den Zwist beizulegen. "Ich bin froh, dass wir einer Lösung nahestehen", erklärte er. Zuvor hatte er mit einigen EU-Amtskollegen einen "Korrekturmechanismus" gefordert, der die Abweichungen vom Verteilungsschlüssel beheben würde.

Hintergrund sind die Unstimmigkeiten in den Impfplänen, die sich daraus ergeben, dass die Mitgliedstaaten zusätzliche Vereinbarungen mit den Impfstoffherstellern geschlossen hatten - je nach ihrer Einschätzung, welches Produkt lieferbar wäre. Die EU-Kommission war für die Rahmenverträge zuständig, nach denen die Kontingente zwar berechnet, aber später nicht von allen Ländern vollständig abgerufen wurden.

Diese Kontingente richteten sich nach der Bevölkerungszahl eines Landes, da aber die Staaten nicht bei allen Unternehmen ihren Anteil geltend machten, wurden die ausgelieferten Tranchen an Vakzinen nach der Bestellmenge und nicht mehr nach Einwohnern berechnet. Daraus ergeben sich nun Unterschiede bei den Impfraten.

Laut Kurz würde das im Laufe der Monate zu immer größeren Ungleichheiten in der EU führen. Während manche Länder bis Sommer ihre Bevölkerung durchimpfen könnten, wären andere noch bis Herbst mit der Immunisierung beschäftigt.

Zehn Millionen Dosen extra

Die vom Kanzler geforderte Korrektur soll jetzt eine Extra-Lieferung von Biontech/Pfizer ermöglichen. Die Kommission hatte am Dienstag mit dem Konzern vereinbart, dass dieser noch im zweiten Quartal zusätzliche zehn Millionen Impfdosen zur Verfügung stellt. Es wäre eine vorgezogene Lieferung aus der Option von 100 Millionen Dosen, die die EU im dritten und vierten Quartal bekommen sollte. Dadurch könnten "möglicherweise" auch Lücken aufgefüllt werden, stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fest.

Darauf setzt denn auch Kurz. Staaten, die wegen Lieferschwierigkeiten beim Impfen hinterherhinken - wie Bulgarien und Lettland -, könnten demnach aus der 10-Millionen-Dosen-Tranche zum Ausgleich mehr als bisher erhalten. Doch auch Österreich hätte keinen Schaden davon, betonte der Kanzler. Dem Vernehmen nach könnte das Land 200.000 bis 400.000 Impfdosen aus dieser Lieferung erhalten.

Dass von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel für solch eine Lösung offen sind, lobte Kurz. Schon in der Vorwoche hatte er Gespräche mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs geführt und seine Amtskollegen auf die Abweichungen aufmerksam gemacht. Damit sei "auf europäischer Ebene ein System gebaut worden, das nicht gut ist", weil es den Vereinbarungen der Spitzenpolitiker widerspreche, befand Kurz.

Das ist aber nicht der Kommission anzukreiden. Die Behörde habe "von Anfang an" die Verteilung der Impfdosen nach einem Bevölkerungsschlüssel empfohlen, betonte von der Leyen. Allerdings hätten sich die Mitgliedstaaten für einen anderen Weg entschieden.

Kurz erneuert Kritik

In der "Zib2" am Mittwochabend erneuerte Kurz seine Kritik, wonach zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs nicht gewusst hätten, dass manche Länder zusätzlichen Impfstoff bestellt hätten. Regierungschefs, mit denen er gesprochen habe, seien "aus allen Wolken gefallen", als sie vom Bestellmechanismus erfahren hätten. Kurz stellte auch in Abrede, dass man in Österreich im Jänner gewusst habe, dass man zu diesem Zeitpunkt mehr Impfstoff bestellen hätte können.

Besuch in Berlin

Wie die Pandemie auf EU-Ebene weiter bekämpft werden soll, kann Kurz in der kommenden Woche bei einem EU-Gipfeltreffen mit seinen Amtskollegen beraten. Doch schon am heutigen Donnerstag ist er in Berlin zu Gast, wenn auch nicht bei Bundeskanzlerin Angela Merkel - wegen Terminkollisionen. Die Gesprächspartner des österreichischen Politikers werden aber unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Innenminister Horst Seehofer und CDU-Vorsitzender Armin Laschet sein.

Auf dem Abendprogramm steht eine Preisverleihung an die Biontech-Gründer. Kurz wird dabei die Laudatio halten.(czar)