Vier Impfstoffe wurden auf den Tisch gestellt: Pfizer, AstraZeneca, Sinopharm und Sputnik. "Such Dir einen aus", hieß es. Paradiesische Verhältnisse? Für die, die sich impfen lassen wollen, schon. Das Land, in dem Milch und Honig der Pharmazie fließen, ist derzeit Serbien. Dort, so heißt es von jenen, die es ausprobiert haben, wird man nicht nur sofort geimpft, sondern man kann sich noch dazu den Impfstoff aussuchen. Egal, welcher Alters- und welcher Risikogruppe man zugehörig ist.
In Österreich ist die Tour nach Serbien noch ein Geheimtipp außerhalb der serbischen Community. Anders ist es in Italien.
Wegen der schleppenden Impfkampagne in der Heimat lassen sich immer mehr Italiener in Serbien immunisieren. In dem Nicht-EU-Land, in dem 26 Prozent der erwachsenen Bevölkerung die erste Impfdosis erhalten haben, werden auch Passinhaber anderer Ländern geimpft. Unzählige Italiener meldeten sich über die Webseite des serbischen Konsulats in Mailand und der Botschaft in Rom für die Impfung an, berichteten italienische Medien.
Die Impfung ist auch für Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung in Serbien kostenlos. Vor allem italienische Freiberufler und Ärzte, die sich mit dem in der EU noch nicht zugelassenen Sputnik-Impfstoff immunisieren lassen wollen, informieren sich über die Impfkampagne in Serbien, berichtete Radmila Selakovic, serbische Generalkonsulin in Mailand.
Und das, obwohl es nicht einfach sei, das Balkanland zu erreichen. Bis zum 30. April sind keine Direktflüge zwischen den beiden Ländern vorgesehen. Italiener, die nach Belgrad wollen, müssen über Wien fliegen oder eine lange Autofahrt in Kauf nehmen.
Eine neue Lieferung von 500.000 Dosen des chinesischen Impfstoffs von Sinopharm traf am vergangenen Wochenende in Belgrad ein. Die serbische Premierministerin Ana Brnabic berichtete, dass bisher insgesamt 2,5 Millionen Dosen Impfstoff aus China nach Serbien geliefert wurden. Die Gesamtzahl der Dosen der anderen Impfstoffe, die im Sieben-Millionen-Land Serbien verfügbar sind, liegt bei knapp einer Million. Erwartet werden diese Woche mehr als 106.000 Dosen des Impfstoffs von Pfizer/Biontech.
Belgrad hat keine Bedenken in Sachen Einflussnahme
Die Impfstoffe Sinopharm und Sputnik umweht der Hauch des künftigen geopolitischen Einflusses der Herstellerländer. Serbien, das nur den Status des Beitrittskandidaten in der EU hat, ist das aber egal. Dank der Überschüsse wird geimpft, wer will.
Aber nicht nur in Serbien wird der Impfstoff ohne Ansehen des Hauptwohnsitzes vergeben. Auch Russland zieht impfwillige Kosmopoliten an. Freilich ist dort der Strauß an möglichen Impfstoffen nicht so variantenreich. Entweder wird man "sputnikisiert", wie es ein Interessent beschreibt, oder man nimmt die anderen beiden russischen Impfstoffe, EpiVacCorona oder CoviVac. Ausländische Präparate kommen hier nicht auf den Tisch.
Auch in Russland ist das Hauptproblem die An- und Abreise. Wer es geschafft hat, kann sich sogar im Einkaufszentrum impfen lassen. Pass: egal.
Ein 43-jähriger Nicht-Risiko-Patient aus Deutschland berichtete gegenüber dem "Focus", dass er laut Impfrechner erst 2023 mit der Impfung daheim rechnen konnte. Also setzte er sich in den Flieger nach Moskau. Das gelang im Februar trotz Einreisestopps für EU-Bürger dank eines Business-Visums.
Aber es gibt einen Gegen-Trend: Die Eldorados des Impfens können auch wieder schließen. In Dubai konnten sich kurz alle impfen, die wollten - jetzt muss man schon Anrainer sein. Auch Florida wurde mit Impfwilligen überlaufen, es wurden sogar Privatjets aus Kanada gechartert. Inzwischen braucht man auch hier Anrainerstatus.
Das Musterland Israel hat dem Impftourismus bereits eine Absage erteilt, bevor er ausbrechen konnte. So bleibt derzeit als exotische Destination - abseits Europas - vor allem Indien. In Großbritannien machte der exklusive "Reise- und Lifestyle-Club" Knightsbridge Circle von sich reden, der Impf-Reisen nach Indien organisiert. Dort wird neben den zwei in Indien hergestellten Impfstoffen auch mit dem britischen AstraZeneca geimpft.(wak/dpa/apa)