Langsam, aber doch nimmt die Impfkampagne in Österreich Fahrt auf. Am Mittwoch erhielten etwas mehr als 60.000 Menschen einen Stich. In Wien waren es knapp 10.000. Das Impftempo scheint zu stimmen. Es steigt von Woche zu Woche. Auch im EU-Vergleich schnitt Österreich mit einem Platz im oberen Drittel - hinter Malta oder Ungarn - im ersten Quartal verhältnismäßig gut ab. Doch ein genauerer Blick zeigt - die Bundesländer impfen höchst unterschiedlich. Der Vorgabe des Gesundheitsministeriums, ältere Menschen und Hochrisikopatienten den Vortritt zu lassen, wurde nicht in allen Ländern gleichermaßen nachgekommen.
Die Stadt Wien scheint sie nur als lose Empfehlung verstanden zu haben. Denn in der Bundeshauptstadt wurden laut Gesundheitsministerium bisher erst 44,4 Prozent aller rund 40.000 Bürger über 84 Jahren vollimunisiert. Nur in Niederösterreich sind es mit 44,3 Prozent weniger. In der Bundeshauptstadt wurden im ersten Quartal sogar mehr Menschen zwischen 25 und 34 Jahren geimpft (28.000) als in der Gruppe der Über-85-Jährigen.
Großer Gesundheitssektor
Ein Grund für die Priorisierung vieler Jüngerer ist der große Wiener Gesundheitssektor. Ihm wurde bewusst der Vorzug gegeben. "Diese Bereiche müssen funktionieren", sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) Anfang des Jahres. Und so wurden bereits im Februar 22.000 Spitalsbedienstete und 8.000 Verwaltungsbedienstete des Wiener Gesundheitsverbundes immunisiert. Die Impfung von Verwaltungs- und Führungspersonal des Wiener Allgemeinen Krankenhauses sorgte bereits Ende Jänner für heftige Kritik. Für Feuerwehr und Sozialarbeiter gab es weitere 1.400 Dosen. Die Impfaktion von Über-80-Jährigen außerhalb von Heimen wurde zu diesem Zeitpunkt erst gestartet.
Ein weiterer Grund für die - im Bundesländervergleich - magere Immunisierungsrate der Hochbetagten könnte auch ihre Erreichbarkeit sein. Bei der"Wiener Zeitung" meldeten sich in den vergangenen Tagen vermehrt Über-80-Jährige, die keine Benachrichtigung über Impftermine erhalten haben wollen. Laut Stadtratsbüro bekommen aber alle, die sich beim Wiener Impfservice vorgemerkt haben einen Hinweis, sobald ihre Gruppe dran ist. "Aber natürlich können wir nicht jedem nachtelefonieren, der sich keinen Termin ausgemacht hat", meint etwa ein Sprecher von Hacker auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Viele würden bei der Voranmeldung auch angeben, telefonisch informiert werden zu wollen, teilweise unter Festnetznummern. Viermal versucht die Stadt sie zu erreichen. Heben sie viermal nicht ab, bleiben sie uninformiert.
Verbesserung verspricht man sich allerdings aufgrund des Umstandes, dass seit Beginn der Woche der niedergelassene Bereich in den Impfboxen Vakzine verabreicht; sprich die Impfungen sind jetzt näher am Menschen, man muss nicht mehr in ein Impfzentrum fahren, sondern kann sich in unmittelbarer Nähe impfen lassen. Auch mobile Teams seien verstärkt unterwegs.
Viele freie Termine
Dass das schlechte Image des Vakzins von AstraZeneca alte Menschen davon abhält, sich impfen zu lassen, glaubt der Sprecher nicht. "Es bleibt nämlich nichts übrig. Es stimmt schon, dass es Menschen gibt, die den Impfstoff von AstraZeneca ablehnen, aber es gibt noch viel mehr, die ihn sofort nehmen würden", sagt er.
Erscheint man in Wien nicht zum vereinbarten Impftermin, kann man sich neuerlich anmelden und wird wieder regulär gereiht. Das könnte Impf-Taktikern Vorschub leisten, die hoffen, später eher mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer geimpft zu werden. Ob schlechte Erreichbarkeit oder Angst, Fakt ist, dass in Wien noch viele Impftermine frei sind. Laut Hackers Büro waren es am Mittwoch "noch einige Tausend", die niemand aus den derzeit geimpften Gruppen der Hochrisikopatienten - etwa Menschen mit aktiver Krebserkrankung oder schwerer Demenz - und der Über-65-Jährigen bisher buchte. Zur Freude vieler Junger.
Denn am Tag darauf öffnete die Stadt 63.000 Termine für Risikopatienten jeden - vorwiegend jüngeren - Alters. Von den insgesamt 129.617 vorgemerkten Personen aus dieser Impfgruppe hat die Hälfte der Menschen bereits Impfung oder Termin. Sie sind über 65 Jahre alt und aufgrund ihres Alters momentan sowieso an der Reihe. Der Rest an jüngeren Menschen soll nun bis Ende April geimpft werden. "Damit wäre auch diese Gruppe noch im April mit den ersten Teilimpfungen abgeschlossen", heißt es aus dem Büro von Hacker.