Es war Geschlossenheit, die Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Dienstag vermitteln wollte. Kein Blatt passe in der Corona-Strategie zwischen die ÖVP und die Grünen, so die Darstellung des Vizekanzlers. "Wir stimmen völlig überein", sagte er.

Die Volkspartei hatte zuvor am Montagabend die Eckpfeiler der Corona-Politik im Herbst eingeschlagen. Das Bundeskanzleramt verschickte an Medien eine Presseunterlage dazu. Anschließend präsentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Punkte im "Sommergespräch" öffentlichkeitswirksam im ORF.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) dagegen hatte zuletzt zwar mehrfach von einem "konkreten Plan" für den Herbst gesprochen, aber keine Details genannt. "Es ist üblich in einer Koalition, und ich werde mich daran halten, das zuerst mit dem Regierungspartner fertig abzustimmen und dann zu kommunizieren", sagte er in einem Interview mit der "Wiener Zeitung".

Kogler wehrte sich am Dienstag gegen die Darstellung, dass es keine Abstimmung zwischen Kurz und Mückstein gegeben habe. Das Gegenteil sei der Fall. Es gebe ein gemeinsames Vorgehen, dem Kanzler stehe es aber zu, in einem großen Interview einige Punkte zu nennen: "Ich hätte mich auch nicht verschwiegen."

Grüne für 1G-Regel

Neben einer Debatte um die türkis-grüne Kommunikation warf das Interview des Bundeskanzlers vor dem Corona-Gipfel am Mittwoch auch inhaltliche Fragen auf. Als Maßstab für Maßnahmen wird laut Kurz statt der 7-Tage-Inzidenz künftig die Bettenbelegung auf den Intensivstationen dienen. An das Erreichen gewisser Belegungszahlen sollen Einschränkungen gebunden werden.

Einen allgemeinen Lockdown soll es aber nicht mehr geben, stattdessen sollen für Ungeimpfte "Schutzmaßnahmen" gelten. Als Beispiel nannte Kurz einen beschränkten Zugang zur Nachgastronomie oder zu Großevents.

"Selbstverständlich werden wir in den Maßnahmen differenzieren, ob jemand geimpft ist oder nicht", bestätigte Kogler. Doch ist derzeit noch fraglich, ob Grüne und ÖVP auch beim Umgang mit Genesenen im Einklang sind.

Kurz erklärte im "Sommergespräch" nämlich, dass Genesene den Geimpften gleichzustellen seien. Der 1G-Begriff sei "nicht ganz treffsicher", sagte er und deutete eine Gleichbehandlung der beiden Gruppen an.

Gesundheitsminister Mückstein und andere Grünen-Politiker hatten sich bei den Genesenen deutlich zurückhaltender gezeigt. Justizministerin Alma Zadic plädierte am Montagabend für eine 1G-Regelung "in der Gastronomie, aber auch darüber hinaus". Es lasse sich verfassungsrechtlich "schwer argumentieren, warum man die Personen, die geimpft sind, zuhause einsperrt", sagte sie.

Auch Mückstein hatte bisher auf eine 1G-Regel ohne Berücksichtigung von Genesenen gepocht. Gegenüber der "Kronen Zeitung" sprach er sich noch am Wochenende für eine 1G-Regel für Nachtgastronomie und Stehpartys wie Après-Ski aus: "Wir müssen die Ungeimpften schützen. Das heißt, dass Ungeimpfte in diese Risikobereiche keinen Zutritt haben sollten." Ob Mückstein nun weiterhin eine 1G- oder 2G-Regel vertritt, war am Dienstag nicht zu erfahren. Die "Wiener Zeitung" erhielt auf ihre Anfrage bis Redaktionsschluss keine Antwort vom Gesundheitsministerium.

Für die Zulässigkeit einer 1G-Regel brauche es eine "tragfähige Begründung aus epidemiologischer Sicht", sagt Medizin- und Verfassungsrechtler Karl Stöger von der Universität Wien zur "Wiener Zeitung". Wenn von Genesenen kein höheres Risiko als von Geimpften ausgehe, sei eine Ungleichbehandlung unzulässig. Laut der Virologin Dorothee Von Laer sind Genesene vor einer neuerlichen Ansteckung sogar besser geschützt als Geimpfte. Eine 1G-Regel ergibt für sie daher "überhaupt keinen Sinn".

Präsentation am Mittwoch

Ein Argument für die 1G-Regel sieht Stöger allerdings schon. Die 2G-Regel würde der Bevölkerung nämlich erlauben, sich als Alternative zur Impfung zu infizieren und anschließend wieder am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Allerdings bestehe dann erneut die Gefahr, dass es zu einer Überlastung der Intensivmedizin komme, "wenn sich zu viele Leute auf einmal infizieren", sagt Stöger. Genau das wolle man aber eben vermeiden.

Auch der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger hält dies für eine mögliche Rechtfertigung für eine 1G-Regel. Ob dieses Argument aber vom Verfassungsgerichtshof akzeptiert werden würde, sei fraglich, sagte Bußjäger vergangene Woche der "Wiener Zeitung".

Unklar ist auch noch, wie es um die erneute Ausweitung der Maskenpflicht steht. Mückstein kündigte öffentlich bereits an, dass in Innenbereichen künftig wieder Masken getragen werden sollen. Kurz äußerte sich nicht dazu. Die konkreten weiteren Schritte werden am Mittwoch präsentiert. Am Vormittag gibt es zwischen Bund, Ländern und Gesundheitsexperten finale Beratungen.