Die Geschäftsführung der Salzburger Landeskliniken (SALK) hat sich nun mit einem dramatischen Hilferuf an das Land Salzburg als Spitalserhalter gewandt. Wie die "Salzburger Nachrichten" am Dienstag berichten, könne in den Kliniken die Behandlung weiterer Patienten nach geltenden medizinischen Standards und Sorgfaltsmaßstäben bald nicht mehr garantiert werden. Es drohe eine Notstandssituation einzutreten, in der intensivmedizinische Triagierungen vorgenommen werden müssen.

Triagierungsteam entscheidet über intensivmedizinische Behandlungen

Die SALK haben inzwischen ein sechsköpfiges Triagierungsteam nominiert, das aus fünf Medizinern verschiedener Fachbereiche - darunter ein Internist, ein Intensivmediziner und ein Palliativarzt - und einer Juristin besteht, sagte SALK-Sprecher Wolfgang Fürweger am Dienstagvormittag zur APA. Dieses Team müsse dann entscheiden, welche Patienten noch intensivmedizinisch behandelt werden können.

Aufgrund der derzeitigen Lage sei zu befürchten, dass die gesetzliche Verpflichtung, "Patienten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich zu behandeln, trotz aller gesetzten Maßnahmen nicht mehr durchgängig und vollinhaltlich erfüllt werden kann", schreibt SALK-Geschäftsführer Paul Sungler in der der Zeitung vorliegenden "Überlastungsanzeige".

272 Betten im Non-Covid-Bereich fehlen

In der bereits erreichten Eskalationsstufe 12 würden derzeit 272 Betten im Non-Covid-Bereich fehlen, ab der nächsten Stufe "steht bisher kein ausreichendes ärztliches Personal zur Verfügung". Angesichts der stark steigenden Infektionszahlen rechnete zuletzt auch das Land Salzburg mit einem weiteren Anstieg der Covid-Patienten. "Wir appellieren daher dringend an die politischen Verantwortlichen, die erforderlichen Maßnahmen zur deutlichen Reduktion des Infektionsgeschehens zu setzen", so Sungler.

SALK-Sprecher Fürweger erläuterte auch, wo derzeit Betten fehlen, weil das Personal für Behandlung und Betreuung von Covid-Patienten benötigt wird: In der 1. Medizin stehen beispielsweise nur mehr 35 Prozent der Betten zur Verfügung, in der Onkologie sind es 85 Prozent, in der HNO 32 Prozent, in der Gefäßchirurgie 59 Prozent und in der Urologie 63 Prozent. "Man kann sagen, in den internistischen Fächern haben wir um rund 25 Prozent reduziert, in den chirurgischen Fächern um ein Drittel."

Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) bestätigte am Montagabend den "SN", dass er und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) die Überlastungsanzeige bekommen haben. Als Sofortmaßnahmen sollen nun etwa Reha-Einrichtungen geschlossen werden und vor allem mit Patienten aus Nicht-Covid-Bereichen belegt werden, die nicht mehr im Krankenhaus versorgt werden müssten, für die aber zum Beispiel Pflegebetten fehlten. Diese Patienten binden Ärzte und Pflegekräfte. Auch mit den Privatspitälern werde verhandelt, um Operationen zu übernehmen. Entlastung soll auch eine sogenannte Covid-Transferstation für Corona-Patienten bringen, die noch positiv seien, aber nicht mehr so umfassend gepflegt werden müssten.

Fünfjähriger auf der Kinderintensivstation

In Salzburg benötigten am Dienstag 31 Schwerkranke eine intensivmedizinische Versorgung, neun mehr als am Montag. Seit Pandemiebeginn waren es erst einmal mehr gewesen, am 29. April waren es 32 Intensivpatienten gewesen.

Wie dramatisch die Lage ist, schilderte den "SN" auch ein Spitalsarzt. "Es herrscht jeden Tag ein menschenunwürdiger Streit, wessen Patient zuerst operiert werden könne. Der mit dem Tumor oder der mit dem kaputten Herz." Für Betroffenheit sorgte am Dienstag auch ein Bericht auf "ORF Salzburg", wonach die jüngste Patientin mit einer Covid-Erkrankung auf einer Intensivstation ein vierjähriges Mädchen ist. Das Kind leide nach einer Corona-Infektion an der Multiorgan-Entzündung PIMS, einer Covid-Folgewirkung. Gleichzeitig muss auch ein Fünfjähriger mit Covid-19 auf der Kinderintensivstation behandelt werden.

Neben dem Hilferuf der SALK an die Politik appellierte Fürweger heute auch an die Bevölkerung, die vorgeschriebenen Corona-Bestimmungen einzuhalten. "Es macht unsere Leute grantig, wenn etwa ein Arzt nach einem 12-Stunden-Dienst auf dem Heimweg noch im Supermarkt ein Frühstück besorgt und dort auf Menschen ohne Maske trifft. Am Anfang haben die Menschen geklatscht, aber so etwa ist jetzt wie eine Verhöhnung."

Rund 119.000 Menschen aktiv mit Virus infiziert

Genau 10.363 Neuinfektionen hat es in Österreich in den vergangenen 24 Stunden gegeben. Außerdem meldeten die Behörden 61 weitere Todesfälle seit Montag - der höchste Wert seit neun Monaten. Davon starben allein 22 Infizierte in Oberösterreich. 113 weitere Covid-19-Patienten mussten seit Montag in Spitälern aufgenommen werden. Somit liegen bereits 2.568 Infizierte im Krankenhaus, 458 Schwerkranke auf Intensivstationen.

Bei den besonders schweren Fällen kamen seit Montag 17 Patienten hinzu, innerhalb der vergangenen Woche waren es 55. Insgesamt kamen bei den Spitalspatienten seit vergangenen Montag 416 Infizierte hinzu, das bedeutet eine Steigerung von 16,2 Prozent.

Die Zahl der bestätigten, aktiv mit dem Virus infizierten Menschen stieg am Dienstag auf bereits 119.171 an, die Sieben-Tages-Inzidenz auf 919,4. Die 10.363 Neuinfektionen liegen unter dem Sieben-Tages-Schnitt mit bereits 11.732 neuen Fällen täglich. Innerhalb einer Woche wurden 82.127 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet.

In der vergangenen Woche starben österreichweit 253 Menschen an den Folgen einer Infektion. Mehr Tote als heute wurden von Innen-und Gesundheitsministerium zuletzt am 2. Februar (69) gemeldet. In der nach dem tatsächlichen Sterbedatum (anstatt des Meldedatums der Todesfälle) bereinigten AGES-Statistik gab es zuletzt am 4. Jänner mit 64 mehr Corona-Tote. Insgesamt hat die Covid-19-Pandemie seit Ausbruch 11.807 Tote in Österreich gefordert. Pro 100.000 Einwohner sind 132,2 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Infektion gestorben.

Seit Pandemiebeginn hat es in Österreich 981.904 bestätigte Fälle gegeben. Als genesen gelten 850.926 Menschen. Die meisten Neuinfektionen seit Montag meldete wieder Oberösterreich mit 2.559. In Niederösterreich kamen 1.882 neue Fälle hinzu, in Tirol 1.589 und in Wien 1.230. Die Steiermark verzeichnete 988 weitere Infizierte, Salzburg 671, Vorarlberg 626, Kärnten 529 und das Burgenland 289.

65,37 Prozent der Gesamtbevölkerung mit Impfzertifikat

Am Montag wurden österreichweit 58.797 Impfungen durchgeführt. Davon waren der Großteil mit 38.028 Drittstiche, 7.962 waren Zweitimpfungen und 12.807 Menschen erhielten die erste Dosis. Exakt 5.839.643 Menschen haben ein aktives Impfzertifikat, das sind 65,37 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Insgesamt wurden in den vergangenen 24 Stunden 722.050 PCR- und Antigenschnell-Tests eingemeldet. Davon waren 342.569 aussagekräftige PCR-Tests, von denen drei Prozent positiv ausfielen. (apa)