Das derzeit meistdiskutierte Gesetzesvorhaben nimmt Gestalt an. Die türkis-grüne Bundesregierung hat am Donnerstag gemeinsam mit Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger den Entwurf für das Covid-19-Impfpflichtgesetz vorgestellt. Er befindet sich bis 10. Jänner in Begutachtung. Anfang Februar soll die Impfpflicht dann in Kraft treten.
- Wer muss sich gegen Corona impfen lassen?
Die Impfpflicht gilt für Personen ab 14 Jahren, die einen Hauptwohnsitz in Österreich haben. Ausgenommen sind neben Kindern auch Schwangere. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) erklärte, dass die Covid-19-Impfung für Schwangere sicher sei. Sie wird auch vom Nationalen Impfgremium (NIG) empfohlen. Allerdings sei die Ausnahme notwendig, "um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Schwangere in einer sensiblen Lage" sind, so Mückstein.
Keine Impfpflicht besteht für Genesene für 180 Tage ab dem Tag der Probennahme des positiven PCR-Tests. Auch Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können, sind ausgenommen. Dieser Ausnahmegrund muss mittels Attests von einem Allgemeinmediziner oder einer Fachärztin bestätigt werden. Leitlinien für die Ärzte hat das Gesundheitsressort ausgearbeitet. Bei falschen Ausnahmeattesten droht dem Mediziner eine Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro.
- Wie läuft das Verfahren in der Praxis ab?
Einmal im Quartal gibt es "Impfstichtage". Der erste solche Tag ist am 15. März. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Personen geimpft sein oder einen Ausnahmegrund im Zentralen Impfregister eingetragen haben. Zur Datenerfassung werden das Melderegister, das Impfregister und das Epidemiologische Meldesystem abgefragt.
Vor dem jeweiligen Stichtag erhalten Ungeimpfte ein Erinnerungsschreiben, sich impfen zu lassen oder den Ausnahmegrund durch einen Arzt eintragen zu lassen. Wird dem nicht nachgekommen, erhalten die Betroffenen nach dem Impfstichtag eine Strafverfügung.
Sie können dann aber noch "tätige Reue" zeigen, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Dieses Konzept stammt aus dem Strafrecht und wird nun auch in dieser verwaltungsrechtlichen Materie eingesetzt. Betroffene können sich nach Erhalt der Strafverfügung impfen lassen, in diesem Fall verfällt die Strafe.
- Welche Strafe droht bei einem Verstoß?
Ein physischer Zwang zur Impfung und Ersatzfreiheitsstrafen sind ausgeschlossen. Verhängt werden können Geldstrafen, vierteljährlich nach den Impfstichtagen. Per Strafverfügung kann die Bezirksverwaltungsbehörde Personen mit einer Geldbuße von bis zu 600 Euro belegen. Wird die Strafe nicht bezahlt oder ein Einspruch erhoben, wird von den Behörden ein ordentliches Verfahren eingeleitet. Dieses läuft in weiterer Folge den Instanzenzug über die Verwaltungsgerichte.
Im ordentlichen Verfahren droht eine viel höhere Geldstrafe bis zu 3.600 Euro. Allerdings gibt es hier einen offenen Punkt: So wie bei anderen Verwaltungsstrafen ist im Entwurf ein Verschlechterungsverbot bei Strafen laut Auskunft des Gesundheitsressorts nicht ausgeschlossen. Das bedeutet: Ist das Verfahren per Strafverfügung eingeleitet worden, darf im ordentlichen Verfahren keine höhere Strafe mehr verhängt werden. Die maximale Geldstrafe bleibt dann bei 600 Euro.
Der höhere Strafrahmen von 3.600 Euro würde nur zur Anwendung kommen, wenn gleich ein ordentliches Verfahren eingeleitet wird. Das könnte bei einer Person denkbar sein, die bereits mehrfach gegen die Impfpflicht verstoßen hat. Ob das Verschlechterungsverbot bleibt, ist unklar. Aus dem Gesundheitsressort heißt es: "Der Punkt wird im Rahmen des Begutachtungsverfahrens intensiv geprüft."
- Welche Konsequenzen drohen am Arbeitsplatz?
Das ist ebenfalls noch unklar. Eine eigene Regelung gibt es im Entwurf nicht. Es handle sich um eine "allgemeine Impfpflicht", sagte Edtstadler. An Verstöße gegen diese könnten auch arbeitsrechtliche Konsequenzen geknüpft werden. Diese könne sie aber nicht abschließend darstellen.
In der Praxis wird es darauf hinauslaufen, ob am Arbeitsplatz weiter die 3G-Regel gilt oder eine 2G-Regel eingeführt wird. Bei einer 2G-Regel dürften sich nur mehr Geimpfte oder Genesene am Arbeitsplatz aufhalten. Laut dem Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak könnte es Konsequenzen bis hin zur Kündigung oder Entlassung geben. Bei einer 3G-Regel ist die Lage komplizierter. Der getestete Arbeitnehmer könnte weiter am Arbeitsplatz arbeiten, vermutlich müsste nach Branchen differenziert werden, Diskussionen und schwierige Einzelfallentscheidungen wären die Folge.
- Welche Reaktionen gibt es auf den Entwurf?
Der Gesetzesentwurf wird von Türkis-Grün, der SPÖ und den Neos mitgetragen. Die FPÖ ist gegen die Impfpflicht. Sie will Betroffene bei Rechtsmitteln gegen Strafen unterstützen. Für den Medizinrechtler Karl Stöger zeigt der Entwurf, dass der Gesetzgeber "auf die Verhältnismäßigkeit achtet": "Das erkennt man etwa daran, dass Ersatzfreiheitsstrafen ausgeschlossen werden." Verfassungsrechtlich eine "Herausforderung" sei das "wiederholte Verhängen von Strafen". "Das wird in Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot einer Begründung bedürfen", sagt Stöger.