Derzeitige Covid-19-Impfstoffe sind Auslaufmodelle. Das hat die kursierende Variante Omikron verdeutlicht. Booster lassen nach wenigen Monaten nach. Sowohl Geimpfte als auch Genesene stecken sich mehrfach an und geben das Virus weiter. Das lässt die Frage aufkommen, inwiefern die momentanen Impfstoffe vor Omikron oder vor neu auftretenden Varianten schützen können. Zwar haben Wissenschafter bereits einen entscheidenden Beitrag zu sinkenden Krankenhausaufenthalten und Sterblichkeit geleistet, dennoch forschen sie intensiv an der nächsten Impfstoff-Generation - dem Pan-Corona-Impfstoff. In der Vorstellung der Experten hat er eine breitere Schutzwirkung, da dieser mehr als nur ein Virus sowie dessen Varianten abwendet. Die Menschheit wäre somit präventiv und nicht länger reaktiv vor Corona gefeit. Eine Booster-Impfung wäre überflüssig.

Vom Tier zum Menschen

Stammesgeschichtlich bilden vier Familien die Coronaviren, die von Alpha bis Delta reichen. Darunter Wirte wie Fledermäuse oder Vögel, Schweine, Dromedare und in weiterer Folge der Mensch. Innerhalb der Beta-CoV gibt es beispielsweise die Untergattungen der Merbecoviren, mit dem Mers verursachenden Virus aus dem Jahr 2012 oder eben auch die Sarbecoviren mit Sars-CoV-1, das 2002 für Sars verantwortlich war. Oder das momentan bekannteste Virus Sars-Cov-2, das 2019 die Covid-19-Pandemie ausgelöst hat.

Doch wie soll es möglich sein, einen alle Coronaviren angreifenden Impfstoff zu entwickeln? Einer Forschungsgruppe in den USA will das nun gelungen sein. Sie haben einen universellen menschlichen Antikörper 10-40 entdeckt, der in Laborversuchen alle bis dato getesteten Sarbecoviren neutralisiert oder bindet und Mäuse vor Sars-CoV-1 und -2 bewahrt.

Der Wirkmechanismus von 10-40 zielt, wie derzeitige Impfungen, auf die genetische Information des Spike-Oberflächenproteins ab. Der 10-40 Antikörper dockt an ein für ihn wirkungsspezifisches Areal (Epitop) in der rezeptorbindungsspezifischen Domäne (RBD) des Spike-Oberflächenproteins an. Im Verlauf der Virusentwicklung scheint dieses Epitop unveränderlich und ist auf zahlreichen Sarbecoviren zu finden.

Pan-Sarbecoviren-Impfung

Studienautor Lihong Liu und sein Team an der Columbia University Vagelos College of Physicians and Surgeons in New York könnten mit diesem breitenwirksamen Antikörper den Grundstein für die Entwicklung einer Pan-Corona-Impfung gelegt haben. Oder genauer gesagt für einen Pan-Sarbecoviren-Impfstoff, der die nächste Sars-CoV-1- und Sars-Cov-2-Pandemie verhindern könnte. Überdies hinaus erwartet sich die Forschergruppe, deren Arbeit im Fachblatt "Science Translational Medicine" erschienen ist, dass der Antikörper derzeit noch ungetestete Sarbecoviren neutralisieren wird. Beispielsweise jene, die ausschließlich in Fledermäusen vorkommen, aber früher oder später auf den Menschen übergehen könnten.

Zwar schützen aktuelle Impfstoffe weiterhin vor schweren Verläufen, jedoch ist ihre Wirkung bei Omikron selbst nach dem dritten Stich eingeschränkt. Denn Omikron weist mehr Mutationen in der RBD auf als seine Vorgänger. Den aktivierten Antikörpern fehlt schlichtweg ihre bewährte Angriffsfläche zum Andocken. Das Virus gelangt ungehindert über den ACE2-Rezeptor, ein Enzym in den Zellen der Atemwege, in den menschlichen Organismus.

Neben dem konstanten Virus-Epitop sorgt die Stabilität des 10-40 Antikörpers selbst für eine gelungene Neutralisation. Verschiedene chemische Wechselwirkungen, wie polare Bindungen, spezielle Bindungswinkel oder Salzbrücken ermöglichen die Festigkeit. Zukünftige Mutationen könnten sich dem nur schwer entziehen. Sowohl 10-40 als auch die Antikörper 10-28, 11-11 von insgesamt zwölf dieser neu entdeckten Antikörpergruppen erkennen diese Epitop-Cluster an der Innenseite der RBD. Neben den langlebigen Bindungsstellen vereint sie ein spezielles CDRH3-Motiv an der schweren Kette ihres Gens. Sie sind gut auffindbar und leicht zu gewinnen.

Andere Forschungsansätze

Sowohl bei den Vektor- als auch bei den mRNA-Impfstoffen wird der Bauplan des markanten Spike-Oberflächenproteins von Sars-CoV-2 in den menschlichen Körper geschleust und dort selbst hergestellt. Bei dem Proteinimpfstoff Novavax werden vorab erzeugte Partikel des Spikeproteins in den Körper gebracht. Das Immunsystem nimmt diese Fragmente wahr und setzt die natürliche Abwehrreaktion in Gang. Das könnte auch im Fall von 10-40 funktionieren.

Aber nicht nur in New York denkt man über Pan-Corona-Impfstoffe nach. Schon geraume Zeit forschen Wissenschafter an der Präsentation einer Vielzahl von Eiweißverbindungen auf geeigneten Trägermolekülen: verschiedenen Spike-Proteinen, RBDs verschiedener Coronaviren oder Teile der Viren-Außenhülle. Wie es um den dauerhaften Schutz und die Wirksamkeit dieser Pan-Corona-Impfstoffe stehen mag, lässt sich im Vorhinein nur schwer bestimmen. Mit 10-40 könnte allerdings erstmals eine Etappe langwieriger Forschungsleistung und folgender Impfstoff-Freigabeprozesse gemeistert werden. Des Weiteren könnten sich die Forscher auch anderen Untergattungen der gefürchteten Coronaviren widmen.