Insgesamt 18.997.445 Impfdosen waren per 21. August in Österreich verabreicht worden. 424.692 Menschen hatten laut Gesundheitsministerium bereits den vierten Stich, also die Auffrischungsimpfung, erhalten. Das sei jedoch schon alleine wegen der Lockerungen und der Aufhebung der Quarantäne-Pflicht für Infizierte zu wenig, betonen Experten. Denn das Coronavirus Sars-CoV-2 werde der Welt bleiben. Die wichtigste Gegenmaßnahme sei eine vollständige, aus drei Teilimpfungen bestehende Grundimmunisierung plus dem empfohlenen "Booster" durch den vierten Stich, hieß es bei einem Gespräch des Praevenire Gesundheitsforums am Rande des Forum Alpbach.
"Die Pandemie ist ganz sicher gekommen, um zu bleiben. Es wird immer wieder Wellen geben", sagte Gerald Gartlehner, Leiter des Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Donau-Universität Krems. Bleibe es bei Omikron als "relativ weniger krank machende Variante" - exklusive vulnerabler Personen -, werde es zu einer immer stärkeren Immunität kommen. Käme jedoch wieder eine gefährlichere Mutation "ums Eck", sehe die Situation womöglich im Handumdrehen anders aus.
Ähnlich äußerte sich Florian Thalhammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin: "Das Virus bleibt da." Für den Wissenschafter stellen die Covid-19-Vakzine einen enormen Fortschritt dar: "Ich glaube, die Impfstoffe, die es heute gibt, sind die best untersuchten Medikamente", sagte er. Wo hätte man schon Arzneimittel mit "einer Milliarde Probanden". Bei dem seit 1962 auf dem Markt befindlichen Antibiotikum Ciprofloxacin etwa käme man jetzt, nach 60 Jahren, auf potenzielle Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von eins zu drei Millionen Anwendungen. Bei Milliarden verabreichten Corona-Impfdosen ließen sich hingegen selbst extrem seltene potenzielle Nebenwirkungen binnen kürzester Zeit ausmachen.
Nachholbedarf bei Jungen
Woran es laut Thalhammer aber krankt, ist der Mangel an Rücksicht und Vorsicht. "Wir haben zu wenig Eigenverantwortung. Dagegen sollte man immunisieren", sagte der Infektiologe. Die österreichischen Empfehlungen seien glasklar. "Wir sprechen von einer Grundimmunisierung mit drei Teilimpfungen. Eine Infektion ist ein immunologisches Ereignis, zählt aber nicht zur Impfung. Der vierte Stich ist für alle Altersgruppen ab dem fünften Lebensjahr ganz klar empfohlen." Auch die Wirksamkeit sei mit 95 Prozent extrem hoch. Influenza-Vakzine würden nur zu 50 bis 60 Prozent schützen.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Covid-19-Vakzinen: mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna, Vektor-Impfstoffe wie den von Astra Zeneca, Protein-basierte Impfungen wie jene von Novavax und zuletzt wurde ein Ganzvirus-Totimpfstoff der österreichisch-französischen Firma Valneva in der EU zugelassen. Auch weitere Impfstoffe werden entwickelt. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Medizinmarktaufsicht der Ages, bezeichnete dies als "Segen. Jeder sollte sich den vierten Stich holen."
Wichtig sei eine objektive Beratung vor allem durch Hausärzte. Allerdings könne man nicht alle überzeugen, erklärte Erwin Rebhandl, Begründer einer Primärversorgungseinheit in Oberösterreich: "Meine Erfahrung ist, dass die wirklichen Impfskeptiker mit keinem Impfstoff glücklich zu machen sind. Die lehnen die Impfung ab. Mit ihnen einigen wir uns darauf, dass wir zu diskutieren aufhören." Immerhin gebe es für Menschen eindeutig noch andere wichtige Gesundheitsprobleme als Covid-19, mit denen sie zum Arzt kommen sollten.
Entsprechend den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) senkt die Covid-19-Impfung nachweislich das Risiko, schwer zu erkranken oder an einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu versterben. Während die Personengruppe ab 65 Jahren zu 82,6 Prozent gemäß der NIG-Empfehlung geimpft ist, liegt die Impfquote bei unter 15-Jährigen bei mageren 9,7 Prozent. Auch der Rest der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren ist mit 61,9 Prozent Geimpften noch weit von der angestrebten Quote von über 80 Prozent entfernt.(apa/est)