
Die Hausbank und der Blumentopf, die im Dorf vor der Haustür stehen, haben denselben Effekt - unabhängig von Grundgrenzen. Die Aneigner kümmern sich darum, dass es sauber bleibt, sitzen gern für einen Kaffee dort, schauen, wer vorbeikommt, laden auf ein Tratscherl ein. Was hier passiert, ist Erhöhung der Verweildauer im öffentlichen Raum, also mehr Frequenz - nicht unbedingt an Personen, aber an Zeit - und daher mehr Belebtheit. Es gibt etwas zu sehen, zu hören und auch mehr Sicherheit, weil mehr "Augen auf der Straße" sind, um mit der Stadtsoziologin Jane Jacobs zu sprechen.
Gastgeber sein im öffentlichen Raum
Zurück zur Hausbank im Dorf. Wird sich jemand einfach so hinsetzen, wenn der Aneigner nicht da ist? Nein - je direkter die physische Verbindung zwischen halbprivater Aneignung und privatem Raum, desto privater. Das hat nichts mit Land oder Stadt zu tun, denn auch auf die zwei Stühle mit Tischchen, die vor einem Geschäftslokal stehen, wird sich kein Passant setzen. Spannend wird es, wenn öffentlicher Raum, der nicht unmittelbar in Zusammenhang mit einem Privatraum steht, in Besitz genommen wird.
Ein Tisch und Stühle, Blumentöpfe - optisch klar als nicht "normale" Stadtmöblierung erkennbar. Aber kein Schanigarten, kein Geschäftslokal dahinter. Eine private Insel mitten im Stadtraum. Mittlerweile stelle ich meine Insel schon die dritte Saison auf - als Architektin mit Liebe zum öffentlichen Raum, die sich mit Aneignungsprozessen auseinandersetzt, war es naheliegend, auch selbst solch ein Projekt zu initiieren. Für die meisten Nutzenden ist es willkommene Gelegenheit auf ihrem Weg, um sich zu setzen, das Baby zu stillen, auf jemanden zu warten. "Ich gehe jetzt immer diesen Weg an der Insel vorbei zum Markt, obwohl es ein bisschen länger ist, weil ich neugierig bin, ob dort wer sitzt, ob sich was tut", sagt eine Grätzlbewohnerin. Für andere ist es ein Treffpunkt zum Plaudern und Tratschen, zum Jausnen. Dieses Stück Stadt - strategisch am Schnittpunkt dreier Straßen gelegen - wird auf einmal lebendig.
Für mich ist es der sonntägliche Frühstückstisch, das Home-Office bei Schönwetter, der Abendausklang bei einem Bier mit Nachbarschaftstratsch. Ich wähle, ob ich in meiner ganz privaten Wohnung bin oder in meiner halbprivaten Insel mitten in der Öffentlichkeit. Mein halbprivates Stück Stadt gehört allen, aber ich übernehme Verantwortung für das soziale Geschehen dort, "moderiere" sozusagen die Nutzung.
Austausch über die eigene soziale Blase hinweg
Um die Bewilligung für die Stadtinsel zu bekommen, habe ich für deren ordnungsgemäßen Erhalt Verantwortung übernommen. Deswegen sammle ich die Zigarettenstummel ein und rede mit den Leuten, die im Sommer immer wieder spätabends ein bisschen zu laut sind. Das ist nicht immer konfliktfrei, aber immer fruchtbar, und so habe ich Menschen aus der Nachbarschaft kennengelernt, mit denen ich sonst wahrscheinlich keinen Kontakt hätte.
Wenn wir die Belebung des öffentlichen Raums als gemeinsame Aufgabe sehen, dann erhöhen wir ein Stück weit die Chance, auch Räume für den Austausch über die eigene soziale Blase hinaus zu schaffen. Denn dazu brauchen wir Einladungen, Anlässe und Gelegenheiten zum Andocken mit Personen, mit denen wir sonst keine Berührungspunkte hätten. Wenn private Personen ein Stück öffentlichen Raum temporär unter ihre Obhut nehmen, werden sie zum Gastgeber für ihre Nachbarn.