Fährt man auf der eingleisigen Strecke von Spittal nach Lienz, hat man unweigerlich die Klischees über die österreichische Provinz vor Augen. Gemütlich und ursprünglich ist es, keine Hektik weit und breit. Hochgebirge links und rechts. Und dennoch: Verfolgt man die Medienberichte der letzten Jahre, ist diese ländliche Idylle in Gefahr: Abwanderung junger Menschen, wirtschaftlicher Niedergang, mangelhafte Infrastruktur. Zudem zeigen Wahlen in vielen Ländern Europas eine steigende Polarisierung zwischen Stadt und Land, und so wird der Aufstieg von populistischen Parteien oft den Unzufriedenen in der Peripherie umgehängt. Die Diagnose lautet: Der ländliche Raum hat ein Problem.

Doch ist dieser "ländliche Raum" so einheitlich, wie er dargestellt wird? Und wie ist es wirklich um ihn bestellt? Als Geograf ist man geübt darin, genauer hinzusehen. Manche Regionen wirken äußerst ländlich, doch hinter dem nächsten Hügel erstreckt sich eine Großstadt. Durch einige Alpentäler schlängeln sich Autobahnen und Eisenbahntrassen, während man anderswo nur löchrige Landstraßen findet. Und immer wieder sieht man neben grasenden Kühen oder Weinbergen große Hallen, in denen oft unbemerkt von der Öffentlichkeit hochinnovative Produkte für den Weltmarkt entwickelt werden. Ausschließlich von der modernen Stadt und dem rückständigen Land zu sprechen, ist also verkürzt, die Sache ist komplizierter.

Alles andere als einheitlich

Jakob Eder ist Doktorand am Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit den Voraussetzungen für Innovation in ländlichen Regionen. Sein Forschungsbericht "Innovation ohne Agglomeration" erschien im Verlag der ÖAW. - © ISR/D. Dutkowski
Jakob Eder ist Doktorand am Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit den Voraussetzungen für Innovation in ländlichen Regionen. Sein Forschungsbericht "Innovation ohne Agglomeration" erschien im Verlag der ÖAW. - © ISR/D. Dutkowski

Möchte man diese Fragen etwas systematischer angehen, muss man zunächst festlegen, welche Regionen überhaupt als ländlich gelten. Über viele Jahrzehnte haben sich Wissenschaft und Planung oft auf die Bevölkerungsdichte gestützt. Daran regt sich zunehmend Kritik, denn diese Maßzahl sagt wenig über den aktuellen Zustand und die Zukunftsperspektiven einer Region aus. Spannender ist es, sich die demografische und wirtschaftliche Entwicklung im Detail anzusehen, und auch die geografische Erreichbarkeit spielt eine Rolle sowie Unternehmen, die eigene Forschung betreiben und somit in innovativen und damit zukunftsträchtigen Branchen tätig sind.

Berücksichtigt man all diese Faktoren, zeigen sich teils überraschende Ergebnisse. Zwar gibt es Regionen in Österreich, in denen sich die Herausforderungen summieren, etwa Grenzregionen wie das Waldviertel oder das Südburgenland und inneralpine Bezirke wie Murau. Doch anderswo ist die Erreichbarkeit ebenso gering und Abwanderung ein Problem, aber es gibt innovative Leitbetriebe. Steigt man in Lienz-Peggetz aus dem Zug, steht man direkt auf einem modernen Firmengelände. Liebherr entwickelt hier Spezialkühlschränke für Apotheken und in unmittelbarer Nachbarschaft entwirft Durst Phototechnik großformatige Flachbettdrucker.