Die Parteien haben die Startup-Szene entdeckt. Als das Unternehmen Runtastic vor drei Wochen in Pasching bei Linz sein Büro einweihte, waren sowohl Bundeskanzler Christian Kern als auch Außenminister und (damals noch nicht ÖVP-Chef) Sebastian Kurz zugegen. Das Thema Start-ups wird sich auch in den Wahlprogrammen finden, davon kann man ausgehen.

Nach Jahrzehnten des wirtschaftlichen Unterschätzens dieses Bereichs ist dies zu begrüßen. Start-ups erhalten Aufmerksamkeit und ernten nun jenen Lohn, den sie sich schon früher verdient gehabt hätten. Bisher hatten Softwareentwickler hierzulande eher das Image derer, die das Computernetzwerk nächtens reparieren, damit das Management in der Früh wieder den Rechner benutzen kann.
Nun setzt man auf die Kreativität der Szene, auf ihre Innovationskraft und künftige Wertschöpfung. Erfolge wie das Lauf-App Runtastic oder der virtuelle Flohmarkt Shpock erhöhen die Akzeptanz der Branche. Und das gilt auch für Initiativen wie das Pioneers-Festival in Wien, einschlägige Start-up-Shows im Fernsehen sowie regionale Unterstützungsinitiativen wie etwa akostart oö, Ideentriebwerk Graz, coworking space Salzburg und dergleichen.
Immer wieder schielt man hierzulande zu florierenden Start-up-Zentren in den USA, in Israel oder Skandinavien und orientiert sich an diesen Ländern. Doch die gut gemeinte und durchaus sinnvolle Implementierung gleich gelagerter Programme wie in diesen Hochburgen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreich durch seine Struktur und Größe völlig andere wirtschaftliche Voraussetzungen hat und eine ganz andere Zugangsweise zum Thema Kreativität, Innovation und Entrepreneurship vorherrscht.
Die kulturellen Unterschiede sind wichtig. Es beginnt beim sogenannten "entrepreneurial spirit" und endet bei der viel zitierten "failure culture", also der Kultur des Scheiterns. Der erstmalig im Jahr 2015 erhobene Amway Entrepreneurial Spirit Index soll den weltweiten Unternehmergeist widerspiegeln. Dabei belegte Österreich lediglich Platz 38 von 44 untersuchten Ländern.
Europa hat Digitalwirtschaft
zur Gänze unterschätzt
Das gilt, mit wenigen Ausnahmen, generell für das "gute alte Europa". In den USA hat sich dagegen eine regelrechte Kultur diesbezüglich entwickelt. Tatsache ist, dass dort früh über digitale Geschäftsmodelle nachgedacht wurde. Die digitale Revolution wurde de facto in den USA eingeläutet - fast wie seinerzeit das Industriezeitalter in Europa, das damals nicht weniger disruptiv war. Kurzum: Mitteleuropa hat die Digitalwirtschaft vielleicht nicht verschlafen, aber zur Gänze unterschätzt.
Ein Beispiel: Facebook hat in den USA so um 2005 seinen Siegeszug angetreten. In Österreich gab es erst um 2007 und 2008 die ersten sogenannten "early adopter", die sich auf Facebook schon früh registrierten. Die Marktdurchdringung kam Jahre später. Und das ist bedeutsam. Es geht nicht um die monetäre Bewertung digitaler Unternehmen in den USA, sondern um den emotionalen und persönlichen Zugang jedes Konsumenten zu Innovation. Denn davon hängen die Chancen eines Start-ups ab. Genau an diesem Punkt beginnt für ein innovatives Start-up eine Spirale, aus der dieses sich nur sehr schwer befreien kann: keine Akzeptanz bei den Anwendern, keine Kunden, keine Erträge.
Amerikaner sind grundsätzlich offener, was die Nutzung neuer Technologien und Anwendungen betrifft. Digitale Start-ups können so oft auf Anhieb eine Hunderttausendschaft an Usern vorweisen, während sich hierzulande maximal ein paar hundert auf neues Terrain begeben. Diese Einstellung, im Fachjargon consumer behaviour genannt, erlaubt es heimischen Start-ups oftmals nicht, schnell und wendig auf den Wettbewerb zu reagieren. Es stellt mitunter einen nicht unwesentlichen Faktor des Scheiterns dar.
Wesentlich ist das grundsätzliche Stigma, das am gescheiterten Unternehmer haftet. Scheitern ist in der mitteleuropäischen Gesellschaft nicht gerne gesehen. Scheitern bedeutet, Fehler zu begehen. Es wird nicht als Chance gesehen, Dinge zu verbessern oder gar sich neu zu orientieren. Die USA haben auch hinsichtlich des Scheiterns eine andere Sichtweise. Wer scheitert, lernt und begeht diese Fehler nie mehr wieder.
Österreich ist risikoavers -
besonders auf dem Land
Und dennoch: Österreich ist sehr wohl ein Land der Ideen und der Kreativität. Der unternehmerische Gedanke hat sich im Vergleich zu anderen Ländern zwar noch nicht zur Gänze durchgesetzt, betrachtet man jedoch die Statistik der Wirtschaftskammer, steigt die Anzahl der selbständig Erwerbstätigen stetig. Jedoch: Österreich ist eben nach wie vor ein industrielles, gewerbliches und am Land natürlich auch bäuerlich strukturiertes Land, welches als sehr sicherheitsaffin oder vice versa auch als risikoavers bezeichnet werden kann. Und so auch die Einwohner. Und das gilt wohl besonders für die ländliche Bevölkerung.
Um Kreativität und Innovationen umsetzen zu können, wird natürlich auch Kapital und Infrastruktur benötigt. Was die Infrastruktur betrifft, ist Österreich derzeit bemüht, den Status aufzuholen, den andere Länder bereits innehaben. Glasfaserleitungen in jedem noch so verwinkelten Teil Österreichs sind heutzutage infrastrukturelle Pflicht. Ohne schnelle Webanbindung ist kein ordentlicher Informations- sowie Kommunikationsfluss gegeben.