In den Städten ist in dieser Hinsicht kaum noch ein Unterschied wahrnehmbar.
Ja, aber dort gibt es auch die Infrastruktur dafür, zum Beispiel Kaffeehäuser, Kinos, Theater, Bars. Es gibt eine Befragung, wo Frauen am Land ihre Freizeit verbringen und sich treffen. Und da sagt ein ganz überwiegender Teil: Wir treffen uns informell zuhause oder anlassbezogen in Vereinen.
Kommen die Abgewanderten je zurück?
Das Wanderungsverhalten hat sich stark verändert. Viele glauben, man bleibt entweder für immer da oder geht für immer fort. Heute gibt es aber viele Zwischenstadien. Wir haben in einer Studie in der Steiermark festgestellt, dass in manchen Gemeinden die Hälfte der 20- bis 29-Jährigen bereits einen zweiten Wohnsitz haben. Es gibt immer mehr volatile Muster: Man wohnt am Studienort, lernt aber zu Hause bei den Eltern. Oder wohnt zeitweise beim Partner in der Stadt, aber auch bei den Eltern auf dem Land. Oder man geht für die Dauer eines Projektes weg, kommt aber wieder in die Herkunftsgemeinde zurück. Es gibt viel mehr Fluktuation. Auch darum sind die alten Rezepte gegen Abwanderung nicht mehr so zugkräftig.
Welche Folgen hat der Rückgang der weiblichen Bevölkerung für die betroffenen Gemeinden?
Die Frauen werden als Hoffnungsträgerinnen des ländlichen Raums gesehen. "Gehen die Frauen, stirbt das Land", hat ein Bürgermeister einmal gesagt. Und damit hat er schon ins Schwarze getroffen. Die jungen Frauen sind die potenziellen Mütter, Partnerinnen, pflegenden Angehörigen, sie treiben aber auch massiv das Wirtschaftsgeschehen an als Arbeitnehmerinnen, Unternehmerinnen, Konsumentinnen und Investorinnen. Und sie sind oft der soziale Kitt für ein Dorf. Ein Bürgermeister hat mir einmal gesagt: "Wir haben so viele Probleme, dass wir uns um die Frauen gar nicht richtig kümmern können." Und genau das ist es: Sie erkennen nicht, wie wichtig es ist, sich mehr der Gruppe der jungen Frauen zuzuwenden.
Wie sähe so eine Zuwendung aus, um Abwanderung zu verhindern?
Die Motive, zu gehen, sind ja sehr unterschiedlich. Daher ist die Treffsicherheit für Gegenmaßnahmen auch sehr gering. Und die Bedürfnisse wandeln sich auch. Erst ist es vielleicht die Disco, die fehlt, aber kaum ist ein Kind da, ist es die Krabbelstube. Das geht oft schnell. Gerade das Thema Krabbelstube wird am Land oft fehleingeschätzt, da die Gemeindeverantwortlichen davon ausgehen, dass es solche Mütter gar nicht gibt, die ihr Kind abgeben, bevor es gehen und reden kann. Und dann sind es ausgerechnet die Plätze in Krabbelstuben, die überlaufen sind. Man sieht nicht, dass es dieses Grundbedürfnis gibt.