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Das Do-it-yourself-Grätzl

Von Alexander Maurer

Das Gschwandner, ein ehemaliges Konzertlokal aus dem 19. Jahrhundert, wird nun wieder genutzt.

Trotz mangelndem Raum für Kultur und bürokratischen Hürden versuchen viele Hernalser, ihr Grätzl zu verschönern.


Wien. Tanzveranstaltungen, Musikabende, Kunstausstellungen, Seminare, Workshops. Das Grand Palais Gschwandner in der Geblergasse in Hernals ist noch immer eine Traumlocation - und das, obwohl das ehemalige Konzertlokal aus dem 19. Jahrhundert viel von seinem ehemaligen Glanz eingebüßt hat. Denn saniert wurde das Gebäude bisher nicht, es gibt nicht einmal eine Heizung.

Aktuell beherbergt das "Grand Palais" das Urbanize-Festival, das nach Hamburg nun auch in Wien Stadterkundung, Bürgerinitiativen und Stadterneuerung in den Vordergrund stellt. Dass das Etablissement nicht schon längst zu einem Supermarkt umfunktioniert wurde, ist seiner jahrzehntelangen Nutzung als Lager für eine Requisitenfirma zu verdanken.

"Wir würden das Gschwandner gerne revitalisieren, in dem Haus steckt so viel Potenzial", sagt Angela Salchegger von der Gebietsbetreuung für Hernals im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sanierungspläne in Millionenhöhe und der Denkmalschutz erschweren dieses Vorhaben allerdings. Hinzu kommen Lärmbeschwerden von Anrainern, die die jahrelange Stille in der Umgebung gewohnt sind. Dabei steht das Palais im Stil des Kabaretts Metropol nur einen Steinwurf entfernt in der gleichen Straße wie sein Schwesterngebäude.

"Raum für Kunst und Kultur immer schwieriger zu finden"

Salchegger gibt das Gschwandner trotzdem nicht auf. Denn je stärker eine Stadt wächst, desto schwieriger wird es, Raum zur gemeinschaftlichen Nutzung, für Kunst und Kultur für die immer zahlreicher werdenden Bewohnerinnen und Bewohner der Außenbezirke freizuschlagen.

Angela Salchegger und ihr Team helfen auf Ausschreibung der Stadt Wien hin, den 17. Bezirk für seine Bewohner aufzuwerten und zu erneuern. Sie kümmern sich auch um den Alsergrund und Währing, insgesamt stehen 17 Bezirke unter der Hand der Gebietsbetreuung Stadterneuerung. Das bedeutet jedoch trotz Förderungen keine uneingeschränkte Unterstützung seitens der Magistrate, deren Mühlen so langsam wie eh und je mahlen. Deutlich wird das am Beispiel einer Fassadenbegrünung in der Ortliebgasse, deren Installation Jahre dauerte und nur durch persönlichen Einsatz der Hausbewohner und des Besitzers möglich war. "Allein der Umstand, dass die Pflanze auf öffentlichem Grund sprießt und an einem Privatbau hochwächst, war ein riesiges Problem", erinnert sich Salchegger.

Hernals ist ein Paradebeispiel dafür, dass Anrainerinnen und Geschäftsleute die Verschönerung und Nutzbarmachung ihres Grätzls selbst in die Hand nehmen. So ist die FoodCoop Rübezahl auf der Hernalser Hauptstraße ein Zusammenschluss aus 70 umweltbewussten Hernalsern. Sie kauft Lebensmittel - statt im Supermarkt - nach gemeinsamen Bedarf direkt vom Bauern. Auch wenn die Wirtschaftskammer der Ansicht ist, dass sie und alle anderen FoodCoops dazu eine Gewerbelizenz bräuchten.

Parkplatz vor Geschäftslokal wird Wohnzimmer

Direkt gegenüber befindet sich die Kulturwerkstatt Setzkasten. Im Sommer funktionierte diese den Parkplatz vor dem Geschäftslokal zu einem "urbanen Wohnzimmer" um. Ähnlich einem Schanigarten luden eingezäunte Tische und Bänke die Hernalser zum Zusammentreffen ein, im Schaufenster von "Setzkasten" wurden abendlich Filme gezeigt. Diese auch als "Grätzl-Oasen" bezeichneten Sitzmöbel stehen übrigens in ganz Hernals verteilt, jeweils für ein paar Monate. Seit das Parkpickerl in Hernals eingeführt wurde, sei es leichter, sie aufzustellen, da der Druck, Parkplätze freizuhalten, nicht mehr so groß sei, meint Salchegger.

Auch vor dem Gymnasium Geblergasse steht eine auf Initiative des Elternvereins gebaute Grätzl-Oase, die allerdings im Schulinnnenhof überwintert. Auch die Begrünung der Hernalser Hauptstraße ist Anrainersache. Vor vielen Geschäften und Hauseingängen stehen Pflanzkübel. Dazu war jedoch eine mehrstufige Vereinbarung nötig, wie, Eva Bertalan, Obfrau der Hernalser Kaufleute, erklärt. "Ich habe einem Vertrag mit dem Bezirk und die Kaufleute und Hauseigentümer, die die Pflanzkübel betreuen, haben einen Vertrag mit mir." Wer sich einen Pflanzkübel anschafft, verpflichtet sich damit auch, das Bäumchen zu ersetzen, wenn es aufgrund mangelnder Pflege eingeht. Nur bei natürlichen Ursachen springt der Bezirk ein.

Nachbarschaftszentrumals Netzwerk

Nicht nur die Schaffung öffentlichen Raums, sondern auch das Zusammenleben der Bewohner wird im Grätzl organisiert. Seit 16 Jahren leitet Eva Bertalan das Nachbarschaftszentrum Hernals des Wiener Hilfswerks. Die Gemeinschaftsräume direkt neben dem Metropol dienen als Informations- und Vernetzungsplattform. "Wir machen die Knotenpunkte zwischen denen, die etwas beitragen wollen, und denen, die etwas brauchen", sagt Bertalan. In dem Nachbarschaftszentrum kommen alle Altersgruppen zusammen.

Mehr als 150 freiwillige Helfer betreuen junge Eltern oder unterstützen arbeitsunfähige Bewohner und Senioren bei ihrer Tagesgestaltung. Seit Anfang des Jahres wird im Rahmen des Projekts "Deutsch-Café" auch jungen Flüchtlingen dabei geholfen, Deutsch zu lernen. Die Flüchtlinge nehmen an den Kursen freiwillig teil. "Es gibt keine Zuteilung und es kommen auch nur die, die wollen. Das hat auch den Vorteil, dass alle, die mitmachen, hochmotiviert sind", erklärt Bertalan.

Sie ist davon überzeugt, dass das Nachbarschaftszentrum das Grätzl zusammenschweißt. "Ich bin mir sicher, dass sich die jungen Mamis, die sich in der Eltern-Kind-Runde kennengelernt haben, auch am Spielplatz wieder treffen und sich austauschen. Ich finde es auch immer spannend, wenn im Zentrum Kontakte über soziale Welten und Lebenswelten hinweg geknüpft werden." Begegnet man dann einander auf der Straße, löse die Vertrautheit Angst und Skepsis ab, sagt die Zentrumsleiterin.