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Seestadt 4.0

Von Alexander Maurer

Erweitertes Technologiezentrum soll Konzerne nach Aspern locken.


Wien. Die Donaumetropole als zentrale Industriestadt - damit ist aber nicht gemeint, dass Wien mit Fabriken zugepflastert wird. Statt rauchender Schlote träumt man von digital vernetzten Produktionssystemen der sogenannten "Industrie 4.0". Ihr Ziel ist die Verzahnung industrieller Prozesse mit Informations- und Kommunikationstechnik. Um mehr Unternehmen aus dieser Sparte nach Wien und vor allen in die Seestadt zu locken, hat die Wirtschaftsagentur Wien beschlossen, das bestehende Technologiezentrum "Aspern IQ" flächenmäßig mehr als zu verdoppeln. Zusätzlich zu den bestehenden 7000 Quadratmetern sollen nun zwei Gebäude mit insgesamt 10.000 Quadratmetern für Produktions- und Laborflächen gebaut werden, wie Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaftsagentur, der TU Wien und des IT-Giganten Atos am Montag bekanntgab.

BaustartAnfang 2018

Baubeginn für die rund 18 Millionen Euro teure Erweiterung des Technologiezentrums ist mit Anfang 2018 geplant. Nach etwa einem Jahr Bauzeit hofft man seitens der Wirtschaftsagentur Wien, die Gebäude im Sommer 2019 in Betrieb nehmen zu können. Bei den Einrichtungen, die, wie das bereits bestehende Technologiezentrum, vom selben Architekturbüro entworfen wurden, wird besonders auf die Energieeffizienz wertgelegt. "Die Gebäude verbrauchen nicht mehr Energie, als sie selbst produzieren können", erklärt Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Energiegewinnung geschehe einerseits durch die Bauweise der Gebäude, andererseits durch Maßnahmen wie Solarpaneele. "Die Gebäude sind deshalb zwar nicht energieautark, aber in Summe ist es eine neutrale Basis", so Hirczi. Man wolle Unternehmen auf diese Art auch zeigen, dass energieeffiziente Bürogebäude auch ohne enorm hohe Kosten gebaut werden können, fügt er an.

Die Seestadt ist bereits Heimat einiger internationaler Industrie- und Tech-Unternehmen. Neben Opel und dem Hydraulik- und Antriebshersteller Hoerbiger hat sich der größte europäische IT-Dienstleister Atos im Technologiezentrum niedergelassen. Der Konzern entwickelt vor allem Visualisierungs-, Organisations- und Kontrollhilfen für industrielle Prozesse, um ein "Zurechtfinden in der immer größer werdenden Datenflut zu gewährleisten", wie ein Sprecher der "Wiener Zeitung" erklärt. Das von Atos in der Seestadt eingerichtete europäische "Competence Center für Industrie 4.0" soll 40 neue Arbeitsplätze schaffen. Außerdem würden in den kommenden fünf Jahren insgesamt 25 Millionen Euro in die Einrichtung investiert, betont Johann Martin Schachner, Country Manager von Atos Österreich.

Darüber hinaus wird Atos mit 20 anderen Unternehmen eng mit den Forschern des TU-Projekts "Pilotfabrik Industrie 4.0" zusammenarbeiten, das seit vergangenem Jahr in der Seestadt neue Produktionsverfahren für die Industrie 4.0 entwickelt, unter anderem die massentaugliche Produktion von 3D-Druckern. Zur weiteren Forschungsförderung wurde dort nun auch das "Austrian Center for Digital Production" eingerichtet. Neben Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft fokussiere man sich laut TU-Vizerektor Josef Eberhardsteiner in der Pilotfabrik aber auch auf forschungsgeleitete Lehre und Weiterbildung.

600 neue Arbeitsplätzefür Aspern

Die Neubauten in der Seestadt Aspern sollen bis zu 600 neue Arbeitsplätze schaffen. Diese seien vor allem im hochqualifizierten Bereich angesiedelt, erklärt Gerhard Hirczi. "Wir streben an, Raum für Unternehmen zu generieren, die innovative Produkte und Prozesse erstellen. Wir wollen aber auch für universitäre Projekte oder Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen offen sein", meint er.

Welche Unternehmen und Projekte genau in die neuen Gebäude ziehen werden, ist noch nicht fix, Hirczi wären aber internationale Firmen am liebsten. "Wenn solche Unternehmen nach Wien kommen, bringen sie neue Wertschöpfung, Ideen und Know-how mit. Auch das Kompetenzzentrum von Atos ist so eine internationale Ansiedlung. Derartige Aktivitäten gab es bis dato nicht in der Stadt", so der Wirtschaftsagentur-Chef.

"Turbo-Boost" fürWiener Arbeitsmarkt

Aber wird bei der Ansiedlung internationaler Unternehmen der österreichische Arbeitsmarkt überhaupt zum Zug kommen? Hirczi gibt sich in diesem Punkt sehr sicher. "Ich gehe davon aus, dass es zum mehr als überwiegenden Teil österreichische Arbeitsplätze sein werden. Es kann sein, dass Managementstrukturen aus dem Ausland bedient werden, aber ich gehe davon aus, dass die fachliche Qualifikation aus der Region Wien kommen wird", erklärt er. Er sieht darüber hinaus die jahrelange Kooperation der TU mit der Stadt Wien als Garant für ausreichend vorhandenes Fachpersonal. "Das wird für den Wiener Arbeitsmarkt ein hochqualifizierter Turbo-Boost sein."

Dass interessierte Unternehmen dann aber doch ausbleiben, kann sich der Chef der Wirtschaftsagentur schwer vorstellen. "Wir haben überhaupt erst mit den Erweiterungsplänen begonnen, als wir festgestellt haben, dass sich in Aspern eine ausreichende Standortdynamik entwickelt hat." Zudem erwartet er sich von der Pilotfabrik eine ausreichende Sogwirkung, um andere Firmen anzulocken und das Technologiezentrum nochmals zu vergrößern. "Es sind insgesamt drei Ausbaustufen möglich, das wird dann aber verwertungsabhängig entschieden", so Hirczi.