Wien. Es war der lange erwartete Auftritt eines Popstars: Der französische Ökonom und Forscher über soziale Ungleichheit gab live vor rund 600 Zuschauern in der Arbeiterkammer Wien (und noch einmal so vielen, die seine mit Grafiken gespickte Vorlesung via Videowall verfolgten) eine Kurzversion seines bereits über 500.000 mal verkauften Bestsellers "Capital in the 21st Century" zum Besten.
Piketty ist in diesen Tagen ein hochwillkommener Gast in der Arbeiterkammer, liefert er doch in seinem Buch den Befürwortern von Vermögenssteuern ausreichend Munition. "Man braucht keine Weltregierung oder ein globales Steuersystem um große Vermögen zu besteuern, man kann auch einiges auf nationaler Ebene erreichen", sagte der Ökonom Thomas Piketty am Freitag bei einem Pressegespräch in der Wiener Arbeiterkammer. "Die Idee, dass man in Österreich keine Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer durchsetzen kann, ist falsch. Es gibt in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA Steuern auf Erbschaften mit Top-Steuerraten von bis zu 30, 40 Prozent. Angela Merkel, David Cameron schlagen auch nicht vor, diese Steuern auf null zu senken", sagt Piketty, "es ist einfach vernünftig - gerade in Zeiten geringen Wachstums - vermögen etwas mehr und Arbeit etwas weniger zu besteuern". Das würde auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen helfen.
Piketty entschuldigt sich dann bei seinem Vortrag dafür, ein "so dickes Buch" geschrieben zu haben, aber "die Frage von Einkommen und Vermögen ist zu wichtig, um sie nur den Ökonomen zu überlassen", sagt er. Einer der zentralen Argumente in Pikettys Buch ist die Gefahr wachsender Ungleichheit zwischen Reich und Arm, weil Kapitalerträge langfristig höher seien als das Wirtschaftswachstum. Die Antwort: Progressive Vermögensteuern. Dafür sei aber auch mehr Transparenz notwendig, sagte Piketty. Banken sollten automatisch Daten ihrer Kunden an die Steuerbehörden weiterleiten müssen. Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer verweist bei seiner Vorstellung Pikettys am Beginn der Veranstaltung auf den einzigen Hinweis auf Österreich im Buch, nämlich die Kritik an Österreich und Luxemburg, die Weitergabe von Daten über Steuerpflichtige an EU-Partner hintertrieben zu haben.
Auf die Frage der "Wiener Zeitung", was er von der Aussage von Matteo Renzi hält, dass es an der Zeit sei, die Seele Europas wiederzuentdecken, sagte er, das soziale Modell sei Teil der europäischen Identität. Die europäischen Institutionen würden nicht gut arbeiten. Die Staatsverschuldung war nicht größer als in anderen Teilen der Welt. Man könne ohne Inflation und Wachstum diese Schuldenlast nicht loswerden. "Die gute Nachricht: Unser Kontinent ist reich. Es geht darum, die Lasten neu zu verteilen." Mit dem Steuer- und Abgabenwettbewerb sowie den Spekulationsmöglichkeiten dank der Zinsdifferenziale zwischen den Staatsanleihen europäischer Länder würde Europa sich selbst schaden. "So wie wir Europa führen mit dieser Austeritätspolitik - das funktioniert einfach nicht."
Video von Pikettys Präsentation in der Arbeiterkammer:
http://wien.arbeiterkammer.at/piketty