Brüssel/Kiew/Moskau. (vee) Dünne Beweislage gegen Russland, schwierige EU-Rechtslage - und ohnehin sei es weiser, auf Diplomatie zu setzen. Dies waren in den vergangenen Wochen die Antworten aus Brüssel, warum man im Konflikt um die Ukraine und angesichts der angeblichen Unterstützung der Aufständischen durch Moskau noch keine scharfen Sanktionen gegen den Kreml verhängt habe. Der tragische Absturz der Malaysia-Airlines in der Ostukraine hat den Druck innerhalb der Union, eine härtere Gangart an den Tag zu legen, allerdings erhöht. Die EU-Außenminister drohten Russland am Dienstag mit einem Waffenembargo. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz erklärte in Brüssel, die EU-Kommission werde in den nächsten Tagen konkrete Vorschläge im Bereich von "Militärgütern oder Schlüsseltechnologien" präsentieren.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte bereits vor Beginn des EU-Außenministerrates gesagt, dass Europa sich bemüht habe, zur Entschärfung der Lage beizutragen. "Niemand kann uns den Vorwurf machen, dass wir nicht das Gespräch gesucht hätten", so Steinmeier. Gleichwohl habe Russland seine Verabredungen nicht im erforderlichen Ausmaße erfüllt und habe "insbesondere über viele Tage keinerlei Distanz zu dem Verhalten der Separatisten erkennen lassen". Moskau hätte sich aber auch nicht bemüht, die Grenzen zu schließen und das Einsickern von Kämpfern und Waffen hintanzuhalten.
Wie bisher sind sich die EU-Staaten aber wenig einig über konkrete Vorgangsweisen. Kurz erklärte, er selbst hätte am liebsten sofort ein Waffenembargo. Aber es sollte jedenfalls "besser früher als später" kommen. Frankreich wiederum will weiterhin ein Kriegsschiff an Russland liefern. Der erste der beiden Hubschrauberträger vom Typ Mistral sei nahezu fertig und werde wie geplant im Oktober ausgeliefert, sagte Präsident Francois Hollande. Ob das zweite Schiff nach seiner Fertigstellung ebenfalls übergeben werde, hänge vom Verhalten Russlands ab.
Die Außenminister wollten sich am Dienstag mit Drohungen gen Moskau aber offenbar nicht auf den Rüstungsbereich beschränken. Eine Ausweitung der Strafmaßnahmen könnte laut dem niederländischen Außenminister Frans Timmermans auch Finanz- und Energieunternehmen betreffen. Nähere Details nannte er jedoch nicht. In den vergangenen Tage haben sich vor allem Briten, Polen und die baltischen Staaten für eine Ausweitung der Strafmaßnahmen ausgesprochen. "Das Klima gegenüber Moskau hat sich wesentlich verschärft", hieß es aus Brüsseler Kreisen. Trotz der Rhetorik fehlt es aber weiter an konkreten Beschlüssen.
Zur Frage der vorige Woche vom EU-Gipfel beschlossenen Sanktionen gegen Russland, deren detaillierte Ausgestaltung offen ist, sagte Kurz, es seien dabei "zielgerichtete Maßnahmen und nicht ganze Sektoren betroffen." Die Außenminister hätten am Dienstag nicht über klassische Wirtschaftssanktionen gesprochen. Diese fielen in die Kompetenz der Staats- und Regierungschefs.
Putin signalisiert Einlenken
Parallel zu den Beratungen in Brüssel hat der russische Staatschef Wladimir Putin zugesagt, seinen Einfluss auf die prorussischen Rebellen in der Ostukraine zur Aufklärung des Absturzes der Malaysia-Airlines-Maschine zu nutzen. "Wir werden alles in unserer Macht stehende tun", sagte Putin laut russischen Nachrichtenagenturen. Aber auch der Westen müsse seinen Einfluss auf Kiew geltend machen, damit die Kämpfe in der Ostukraine aufhörten.
Gleichzeitig warnte er den Westen davor, sich in die inneren Angelegenheiten seines Landes einzumischen. Zudem seien angesichts der Aktivitäten der Nato in Osteuropa Maßnahmen zur Stärkung der militärischen Kapazitäten Russlands erforderlich. Er wolle aber auch zusätzliche Schritte zur Verringerung der Abhängigkeit der russischen Wirtschaft und des Finanzsystems von "äußeren Faktoren" ausarbeiten.
Teilmobilmachung in Ukraine
Die Ukraine beschloss unterdessen eine Teilmobilmachung der Bevölkerung. Das Parlament in Kiew bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Erlass des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Die Teilmobilmachung bedeutet die Masseneinberufung von Männern im wehrdienstfähigen Alter, sowie von Reservisten. Die Oberste Rada stimmte mit knapper Mehrheit von 232 Stimmen für den umstrittenen Schritt. Mit den zusätzlichen Kräften will Poroschenko noch härter gegen die Aufständischen vorgehen. Die Armee konnte indes am Dienstag die 110.000-Einwohner-Stadt Sewernodonezk zurückerobern.
In Wien wurde das Mandat für die OSZE-Beobachtermission in der Ukraine um weitere sechs Monate verlängert. Die Einspruchsfrist gegen den Entscheid des Ständigen Rats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verstrich am Dienstagmittag ungenutzt.