Zumindest diese Frage wäre schon einmal geklärt. Falls Kanye West, der Rap-Star und Gatte von Kim Kardashian, zum 46. Präsident der USA gewählt wird, würde er Elon Musk zum Leiter des nationalen Raumfahrtprogramms ernennen. Eine naheliegende Wahl - nicht nur, weil Musk der Popstar der Technologie-Unternehmen ist und seine Ambitionen bis zur Mars-Eroberung reichen. Die beiden Männer erweisen sich auch in den Sozialen Medien als Brüder im Geiste: Dort lassen sie ihrem Sendungsbewusstsein und gern auch ihrem - sagen wir einmal - Temperament die Zügel schießen.

West hat in dieser Disziplin freilich die Nase vorn. Der Milliardär, Musiker und Modeschöpfer entstieß sich jüngst eine Serie bizarrer Tweets. Das meiste davon war unverständlich, urteilten die Nachrichtenagenturen, der Rest schien der Ausfluss eines wirren Geistes zu sein: "Wenn ich eingesperrt werde wie Mandela, dann wisst ihr alle warum", menetekelte West.

Gegner lasern mit Alienaugen

Derlei ist bei dem 43-Jährigen allerdings schon Folklore. Spätestens, seit er 2016 ein Konzert für eine Wutrede abbrach und dann etwa Mark Zuckerberg zürnte, weil der ihm (angeblich!) keine Milliarde Dollar borgt, gilt West als der dadaistische Wort-Vulkan Amerikas. Die Auslöser dieser Eruptionen sind strittig: Ehefrau Kardashian spricht von einer bipolaren Störung, Wests Gegnerschaft von Egomanie und Sensationsgier. Die Folge sind gleichwohl immer dieselben: Wests wunderliche Volten gehen als Entertainment um die Welt. Etwa, als der Star den Spöttern seiner Modelinie "Yeezy" drohte, sie "mit Alien-Augen zu lasern". Oder als er eine Wesensverwandtschaft zwischen sich und Donald Trump mit den Worten konstatierte: "Wir sind beide Drachenenergie!" Oder eben in diesem Sommer - als er seine Kandidatur für das höchste Amt im Staate bekanntgab. Wobei: So definitiv kann man das auch wieder nicht sagen. West - der als chancenarm gilt - hat zwar einen Parteinamen erdacht ("Birthday Party"!) und eine erste Wahlveranstaltung abgehalten, die schlagzeilenträchtig entgleiste. Den Stichtag für die Kandidatur in einigen Bundesstaaten hat er aber verpasst. Und er wird wohl weiterhin Kanye West bleiben und als solcher am Prinzip der rhetorischen Unschärfe festhalten - unwägbar also, ob er am 3. November tatsächlich die Kandidaten-Bühne betritt und dem Demokraten Joe Biden, bisher hoch in der Gunst der Afroamerikaner, ein wenig in die Suppe spuckt.

Es wäre freilich nicht das erste Mal, dass ein Künstler nach den Sternen der US-Politik greift. Frank Zappa zum Beispiel tat es - jedenfalls fast. Der Bürgerschreck mit dem Avantgarde-Rock und den grotesken Texten ("Jesus Thinks Your’re A Jerk") liebäugelte 1991 mit einer unabhängigen Kandidatur, musste dann aber krankheitsbedingt passen. Es wäre ihm durchaus ernst gewesen, erzählte sein Sohn Dweezil später. Natürlich: Ein Augenzwinkern war schon dabei, als sich Zappa für sein Album "Broadway The Hard Way" (1988) als spleeniger Staatsmann ablichten ließ und dazu einen Versprecher von Ronald Reagan abdruckte, nämlich "Facts are stupid things" (Reagan hatte versucht, Vorgänger John Adams zu zitieren: "Facts are stubborn things", also "sture Dinge"). Zappa wirkte aber durchaus hoffnungsfroh, als er der "San Diego Union Tribune" 1991 seine vermeintliche Eignung für das Oval Office darlegte: "Ich spiele nicht Golf, ich mache keinen Urlaub und denke, dass die US-Verfassung ein verdammt gutes Dokument ist und das Land besser arbeiten würde, wenn sich die Leute stärker daran hielten." Nur leider: Wenig später erlag der Freigeist einer Krebserkrankung.

In die gleiche Kategorie fallen die Bestrebungen eines gewissen Jello Biafra, geboren als Eric Reed Boucher. Bis 1979 nur unter Punk-Fans beliebt, ritterte er unverhofft um den Bürgermeisterposten von San Francisco. Das hatte zwar nur zur Folge, dass Wahlkämpfe unter Künstlernamen verboten wurden. Der Sänger der Dead Kennedys ging dennoch aufs Ganze und bewarb sich im Jahr 2000 bei der Grünen Partei als Präsidentschaftskandidat. Ein Auszug aus seinem Ideen-Füllhorn: Einführung eines Höchstgehalts, Legalisierung aller Drogen, Auflösung des Militärs und - als Blitzkur für die Politikverdrossenheit der Jugend - ein Wahlrecht ab fünf Jahren. Die Grünen winkten ab: Es roch wohl selbst für die Mini-Partei zu sehr nach Minderheitenprogramm.

America "Fucking Awesome"

Nicht ganz ernst dürfte es Vermin Love Supreme mit seinen wiederkehrenden Kandidaturen meinen. Der Aktionskünstler trägt einen Gummistiefel auf dem bartumrauschten Haupt und eine Riesenzahnbürste als Zepter. Letztere verweist auf seine Kernforderung: die Einführung einer bundesweiten Zahnputzpflicht. Im Gegenzug verheißt Love Supreme allen Amerikanern das Recht auf ein Gratis-Pony. Die Wissenschaftsgelder würde er in die Zeitreisenforschung pumpen - und dann in der Vergangenheit Adolf Hitler töten. Ja, darf so ein Irrwisch denn antreten? Zumindest diesbezüglich ist Amerika das Land der "unbegrenzten Möglichkeiten". Jedoch ohne echte Chancen für den Kauz.

Das gilt auch für Cherie DeVille, ein Starlet aus der, nun sagen wir: Erwachsenen-Filmunterhaltung. Die Frau mit dem bürgerlichen Namen Carolyn Paparozzi wollte ihr Land heuer mit dem Slogan "Make America Fucking Awesome Again" beglücken, beendete ihre Kandidatur aber mangels Geldmittel. Schade eigentlich um durchwegs seriöse Forderungen wie kostenlose Ausbildung, mehr Schusswaffen-Kontrolle und Netzneutralität.

Aber wer weiß: Ganz ausgeschlossen ist es ja nicht, dass ein Vertreter des Showbusiness wieder einmal das Rennen macht. Ist ja auch einem Westernhelden namens Ronald Reagan gelungen.