Die Grundpfeiler der aktuellen US-Außenpolitik liegen klar auf der Hand: "America first" lautet die Devise Donald Trumps; Multilateralismus und internationale Organisationen sind das große Feindbild. Der republikanische Präsident ist gegen - kostspielige - militärische Abenteuer und deshalb ein Freund von Truppenabzügen.

Trump hat sich auf ökonomischer Ebene den Protektionismus an die Fahne geheftet, Freihandel ist aus seiner Sicht etwas für schwache Anführer, die sich über den Tisch ziehen lassen. Dazu kommt, dass Trump ganz klar Politik gegen Länder macht, die er als "sozialistisch" betrachtet - hier hat er vor allem Kuba und Venezuela im Visier.

Moderat, flexibel, vorsichtig

Im November wird gewählt, und Trumps Beliebtheit hat zuletzt vor allem wegen seines fehlerhaften Corona-Managements gelitten. Nicht auszuschließen also, dass bald Barack Obamas ehemaliger Vizepräsident Joe Biden im Weißen Haus sitzt. Doch was würde der 77-Jährige außenpolitisch anders machen?

Biden, der den Spitznamen "Uncle Joe" verpasst bekam, ist ein moderater Demokrat, flexibel und hat im Laufe seiner langen politischen Laufbahn lernen müssen, auf unterschiedliche Interessen Rücksicht zu nehmen. Polit-Experten haben das Grundgefühl analysiert, von dem er in außenpolitischen Fragen geleitet wird. Demnach würde er sich als nächster US-Präsident vorsichtig durch das Minenfeld der internationalen Politik bewegen, bestrebt, die andere Seite zu erreichen, ohne in die Luft zu fliegen.

Radikale Brüche sind Bidens Sache nicht

Radikale Brüche sind also Joe Bidens Sache nicht. Auf der anderen Seite war Trumps Außenpolitik oft selbst aus republikanischer Sicht so extrem, dass eine deutliche Kurskorrektur unumgänglich sein wird. Zumal Bidens Wähler, die von Trump die Nase voll haben, genau das erwarten.

Unter Biden hätte keines der Trumpschen Grundprinzipien Bestand. Das Motto "Stärke durch Abschottung" hat der Republikaner konsequent verfolgt, Biden setzt dem das Prinzip "Stärke durch Annäherung und Weltoffenheit" entgegen. Dass sich der Demokrat für Kamala Harris als "Running mate" entschieden hat, unterstreicht diese Überzeugung. Die Tochter erfolgreicher Einwanderer steht für das neue, tolerante Amerika, das sich als Gegenentwurf zu Donald Trump versteht.

Während der aktuelle Präsident gerade seine engsten Partner regelmäßig vor den Kopf stößt, wäre Biden hier viel vorsichtiger und diplomatischer. Eine Europa-Tour unter Umgehung Deutschlands, wie sie jetzt US-Außenminister Mike Pompeo unternimmt, wäre unter Biden nicht denkbar. Der Demokrat ist acht lange Jahre Vizepräsident unter Barack Obama gewesen, er wird im Fall eines Wahlsieges ab 2021 die damalige prinzipielle Ausrichtung nicht so einfach über Bord werfen.

Keine Rückkehr zu den Obama-Jahren

Klar ist aber auch, dass es die von vielen herbeigesehnte Rückkehr der Obama-Jahre nicht geben wird. Die Welt hat sich in den letzten Jahren weitergedreht, mit einer reinen Rückbesinnung würden die USA in ihrer Weltgeltung nicht vorwärtskommen.

Zumal auf außenpolitischer Ebene die Bruchlinien zwischen Obama und Trump nicht so scharf gezackt sind, wie man annehmen möchte. Viele Probleme, mit denen die USA jetzt kämpfen, haben ihre Wurzel in den Obama-Jahren. Der erste farbige US-Präsident wollte die Endlos-Kriege im Irak und in Afghanistan beenden und hat im Irak auf Streitkräfte gesetzt, die sich als reiner Papiertiger erwiesen haben und vom IS hinweggefegt wurden. In Afghanistan ist es Obama nicht gelungen, die Taliban zu besiegen oder zu befrieden und den Konflikt zu beenden.

Biden will, wie Trump, die USA wieder zum unumstrittenen Weltführer machen. Allerdings mit anderen Mitteln. Der Demokrat setzt auf internationale Zusammenarbeit unter US-Führung, der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO würde rückgängig gemacht, das hat Biden angekündigt. Wobei auch er in der Vergangenheit nicht zimperlich war, wenn es um die Missachtung von Völkerrecht ging. So hat er den Krieg der USA gegen den Irak unterstützt, auch wenn kein Beweis vorlag, dass Machthaber Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hortet.

Zugehen auf Europa

Das westliche Verteidigungsbündnis Nato, das von Trump zunächst völlig in Frage gestellt wurde, bekäme unter Biden wieder etwas Rückenwind. Trump hat die Sinnhaftigkeit der Nato in Zweifel gezogen, für Verunsicherung gesorgt und dann die Mitglieder unter Druck gesetzt, bei der Finanzierung tiefer in die Tasche zu greifen. Allerdings hat es dieses Bestreben bereits unter Obama gegeben, die Diskussion wird auch Biden den Bündnispartnern nicht ersparen.

Europa, das sich vor vier Jahren plötzlich auf sich selbst gestellt sah, wird wieder enger mit den USA kooperieren. Die Bemühungen, ein eigenes, rein europäisches Verteidigungsbündnis auf die Beine zu stellen, werden dann wohl wieder gebremst.

Wieder mehr Freihandel

Während Trump auf Protektionismus gesetzt hat, um so die angeschlagene US-Industrie zu stützen, würde Biden wieder das Hohelied des Freihandels anstimmen. Nicht zuletzt deshalb wünscht sich Peking sehnlich einen Erfolg Bidens bei der Wahl.

Stellt sich die Frage, wie ein möglicher neuer US-Präsident mit dem Thema Migration umgehen würde. Ein Bereich, in dem Trump mit Panikmache zu punkten versuchte. Der geplante Mauerbau an der US-mexikanischen Grenze ist bis dato nicht umgesetzt worden und hat als Lachnummer geendet. Die von Trump behaupteten "Horden gewaltbereiter Terroristen" haben es bis jetzt noch nicht vermocht, ihre Gefährlichkeit konkret unter Beweis zu stellen. Linke Demokraten werfen Biden vor, unter Obama Massenabschiebungen von illegal eingewanderten Migranten mitgetragen zu haben. Biden entgegnet, dass es unter ihm künftig so etwas nicht geben werde.

Ausgaben für Rüstung würden nicht sinken

Die "America first"-Politik Trumps hat die USA nicht nur isoliert, sondern auch geschwächt. Washington, einst unumstrittener Anführer der "Freien Welt", ist heute in vielen bestimmenden Fragen an den Rand gedrängt: zum Beispiel in Syrien. Hier stellen längst Russland, der Iran und die Türkei die Regeln auf. In Libyen spielen die USA eine marginale Rolle, die Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt ist weg, der große außenpolitische Erfolg im Fall Nordkorea blieb aus. Überall stoßen andere regionale Mächte in das Vakuum vor, das die USA hinterlassen.

Barack Obama hat zu Beginn seiner Amtszeit Initiativen zur atomaren Abrüstung gesetzt. Ein Umstand, der in Vergessenheit geraten ist und von Trump schließlich ins Gegenteil verkehrt wurde.

Mächtige Rüstungslobby

In der politischen Realität wird es eine signifikante Reduktion der Verteidigungsausgaben unter Biden nicht geben. Die US-Rüstungsindustrie und die dazugehörige Lobby sind zu mächtig, als dass man sie vor den Kopf stoßen könnte. Das kontroverse Drohnen-Programm, mit dem die USA Terroristen ferngesteuert aus der Luft bombardieren, fällt in die Zeit der Obama-Biden-Regierung.

Trumps Isolationismus bringt es mit sich, dass die USA aktiv keinen Krieg begonnen haben und sich in keinen verwickeln ließen. Auch Joe Biden strebt das an, er wird sich von den internationalen Brennpunkten tendenziell ebenfalls zurückziehen und einen schleichenden Bedeutungsverlust der USA auf der Weltbühne in Kauf nehmen müssen.