Es mag Schlimmeres geben, als dass bei einer Großveranstaltung in letzter Minute ein prominenter Redner ausfällt - gerade in Zeiten einer globalen Pandemie, die bisher rund 170.000 Amerikaner das Leben gekostet hat. Was die Republikanische Partei angeht, stellen sich die Dinge aber trotzdem ein bisschen anders dar und das nicht nur, weil ihre Spitzen das Coronavirus monatelang wahlweise als "Schwindel der Demokraten" oder "Erfindung der Chinesen" abtaten, "was irgendwann auf magische Weise einfach verschwinden werde" (Originalton des US-Präsidenten, Donald Trump). Bis Freitagmorgen stand auf der Rednerliste der am Montag startenden, viertägigen Republican Convention 2020 ein gewisser Steve Bannon – inoffiziell. Doch dann kamen die aktuellen Geschehnisse dazwischen.
Denn ob der 66-Jährige Ex-Chefredakteur der Website "Breitbart News" und 2016 zu nationaler Prominenz aufgestiegene Wahlkampfmanager Trumps, der dem Ex-Reality-TV-Star nach dessen Einzug ins Weiße Haus knapp über ein halbes Jahr als Chefstratege diente, wirklich im Rahmen des Parteitags in Charlotte sprechen wird, steht in den Sternen. Am Donnerstag wurde Bannon von Polizisten des US Postal Service verhaftet, während er gerade vor der Küste Connecticuts auf der Luxusyacht "Lady May" ausspannte. Die Anklage lautet auf Betrug und Geldwäsche. Bannon und drei andere Proponenten der Bewegung "Make America great again" (MAGA) sollen sich aus einem Fonds selbst bedient haben, der dazu dienen hätte sollen, die Finanzierung einer Mauer an der mexikanischen Grenze aus Privatspenden zu lukrieren.
Über den Grund, warum die Organisatoren des Republican National Comittee (RNC) die Convention-Rednerliste so lange geheim hielten, schwiegen sie ebenfalls. Bis zuletzt enthielt die Website 2020gopconvention.com keinerlei diesbezüglichen Informationen. Nur soviel: Von allen konservativen Ex-Präsidenten, ehemaligen Vizepräsidenten und früheren Kandidaten fürs höchste Amt im Staat ist kein einziger eingeladen. Ein paar Sprecher sickerten im Laufe der Woche dennoch durch: Nikki Haley, zuletzt UN-Botschafterin (2017-2018) und Ex-Gouverneurin von South Carolina; Kevin McCarthy, Sprecher der Minderheitsfraktion im Abgeordnetenhaus; Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota; Tim Scott, als Senator von South Carolina der einzige Afroamerikaner in den Reihen der Konservativen im Oberhaus; Trumps Ehefrau Melania und eben Bannon, dessen Auftritt nunmehr zweifelhaft ist. Offen ist ebenso, in welchem Ausmaß der Parteitag über die virtuelle und wie über die reale Bühne gehen wird.
"Werte der Partei"
Eingerahmt werden sollen die Wortspenden jedenfalls von einer Handvoll ausgewählter Leute, die die "Werte der Partei" repräsentieren. Da ist etwa das Ehepaar Patricia und Mark McCloskey aus St. Louis, das im Juli Bekanntheit erlangte, als es halbautomatische Waffen auf friedliche Demonstranten der "Black Lives Matter"-Bewegung richtete. Oder Nicholas Sandmann, bis vor kurzem Schüler der elitären Covington Catholic High School in Kentucky, der im Jänner 2019 zu Berühmtheit kam, als er sich, wie der Rest seiner Kommilitonen mit einem roten "MAGA"-Baseball-Cap ausgestattet, mit einem Trommel schlagenden Ureinwohner einen Anstarr-Wettbewerb lieferte. Oder die Anti-Abtreibungs-Aktivistin Abby Johnson.
Angesichts der Umfragen, in denen Trump wie 2016 teils massiv hinterherhinkt, haben sie eine Menge Überzeugungsarbeit vor sich. Steve Bannon hätte sich in die Liste indes nahtlos eingegliedert, wenn er und seine Freunde nicht laut Anklageschrift – unter anderem – Millionen Dollar für Luxusreisen und die Anschaffung von Yachten abgezweigt hätten. Das Schiff, das er selbst in Handschellen verließ, gehört allerdings nicht ihm, sondern dem mit ihm und Trump befreundeten chinesischen Milliardär Guo Wengui.