Pennsylvania rauf, Pennsylvania runter, Pennsylvania, die Endlosschleife: Wer bei der zweiten und letzten Debatte der Kandidaten zur US-Präsidentschaft am Donnerstag genau zuhörte, konnte sich irgendwann kaum mehr des Eindrucks erwehren, dass das Schicksal der westlichen Welt Anfang des 21. Jahrhunderts zwischen Pittsburgh, Scranton, Harrisburg und Philadelphia entschieden wird. Nicht umsonst, kommt dem rund 13 Millionen Einwohner zählenden Bundesstaat im Kampf zwischen Präsident Donald Trump und Joe Biden doch heuer eine Rolle zu, an die er sich noch nicht gewöhnt hat; der eines sogenannten Swing State, ohne dessen 20 Wahlmänner ein (Wieder-) Einzug ins Weiße Haus unmöglich scheint.

Unterschätzte weiße Wähler

Entsprechend brachten der Präsident wie sein Herausforderer Pennsylvania bei ihrem TV-Duell bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Sprache. Egal, ob es um das Coronavirus, die Klima- und Energiepolitik oder um die Frage ging, wie rassistisch die USA jetzt wirklich sind: Stets fanden der 74-jährige Ex-Reality-TV-Star und sein drei Jahre älterer Widersacher rhetorische Mittel und Wege, um mal mehr, mal weniger subtil an die Wählerinnen und Wähler in Pennsylvania zu appellieren. Vor vier Jahren gewann Trump den Ostküsten-Bundesstaat mit einem Vorsprung von 44.292 Stimmen bei über sechs Millionen abgebenen. Ein Dammbruch, mit dem bis dahin kein ernst zu nehmender Analyst gerechnet hatte.

Glaubt man den Umfragen, liegt Biden dort derzeit mit zwischen fünf und zehn Prozent vorn - und kommt damit genau an der Stelle zu liegen, an der sich auch Hillary Clinton kurz vor dem Wahlgang 2016 befand. Was damals quer durch die Bank in allen Swing States wie in einigen bis dahin ebenfalls als Hochburgen der Demokraten eingeschätzten Bundesstaaten (Michigan, Wisconsin) den Unterschied ausmachte, waren, wie man heute weiß, allen voran zwei Faktoren, die niemand auf der Rechnung hatte.

Einerseits ein unerhört hoher Anteil an weißen Wählern ohne höhere Bildung, die sich 2016 erstmals als Zünglein an der Waage erwiesen. Andererseits die Last-Minute-Manöver des damaligen FBI-Direktors James Comey, der dem politischen Druck der Republikaner nicht stand hielt und die Kandidatur Clintons unterminierte, indem er in der Woche vor der Wahl einen Brief an den Kongress schrieb, in dem er die eigentlich längst abgeschlossene und rechtlich folgenlose Untersuchung ihres privaten E-Mail-Servers wieder eröffnete. Das Urteil von Nate Silver, dem Gründer des populären Meinungsforschungs-Portals "FiveThirtyEight", lässt keine Unzweideutigkeiten zu: "Wenn Comey diesen Brief nicht geschrieben hätte, wäre Clinton wahrscheinlich Präsidentin." Was erklärt, warum Trump angesichts seiner schlechten Umfrage-Ergebnisse auch 2020 auf den Comey-Effekt hofft und diese Woche den Druck auf Justizminister Bill Barr und FBI-Direktor Christopher Wray entsprechend massiv erhöhte, bis zur Wahl für ähnliche "Überraschungen" zu sorgen.

Sollten sie sich dem verweigern - im Fall Wrays wahrscheinlich, weshalb er ihm bereits mit Rauswurf gedroht hat - muss sich Trump darauf verlassen, dass alle Swing-States-Bewohner, die ihm 2016 seinen "Make America Great"-Slogan abkauften, das wieder tun. Laut den Umfragen schaut es genau damit aber nicht gut aus.

Wähler-Rekord möglich

Wie in Pennsylvania liegt Trump in Arizona, Michigan, Wisconsin, North Carolina, Iowa und Florida - alles Bundesstaaten, die er vor vier Jahren mehr oder weniger deutlich gewann - derzeit hinten. Sogar in konservativen Festungen wie Texas und Georgia sieht es kurz vor der Wahl am 3. November so aus, als ob Biden zumindest eine kleine Chance hätte. Ende der Woche zeichnete sich zudem eine Rekord-Wahlbeteiligung ab. Laut "Washington Post" haben schon jetzt knapp über 47 Millionen Amerikaner ihre Stimme abgegeben. Hält der Trend an, könnten am Ende 150 Millionen zusammen kommen - was einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent entspräche, der höchsten seit 1908. Bei näherem Hinsehen heißt das trotzdem immer noch nicht viel. Nicht nur, dass republikanische Wähler dazu neigen, nicht per Brief, sondern am Wahltag ihre Stimme abzugeben, zahlen die Partei und ihre Gönner in jedem einzelnen Swing State seit Monaten ihren Anwälten hunderte Millionen Dollar.

Deren einziger Auftrag: Wählern der Demokraten, allen voran den Angehörigen von ethnischen Minderheiten, die Stimmabgabe mit neuen Vorschriften so schwer wie möglich zu machen. Als willige Vollstrecker ihrer Einwürfe erweisen sich dabei von den Konservativen ernannte Richter, die sich - wie sich mittlerweile dutzendfach faktisch belegen lässt - mit überwältigender Mehrheit nicht unbedingt Recht und Gerechtigkeit, sondern eher der Erfüllung der Trump’schen Agenda verpflichtet fühlen.

Die Liste der diesbezüglichen Vorwürfe ist mittlerweile fast so lang wie die der Lügen und Halbwahrheiten, die der Präsident verbreitet. Sie reicht von der willkürlichen Streichung hunderttausender Wähler aus den Registern über die Nicht-Anerkennung von per Briefwahl abgegebenen Stimmen wegen angeblicher Identifikationsprobleme (laut einem Bericht der "New York Times" schon jetzt auf Rekordniveau) über die Einschränkung der Postzustellung bis hin zur Schließung von Wahllokalen.