Zum Ende des Wahlkampfs ums Weiße Haus treibt US-Präsident Donald Trump seine Attacken gegen Herausforderer Joe Biden auf die Spitze. Im umkämpften Staat Minnesota bezeichnete Trump den früheren Vizepräsidenten am Freitagabend unter anderem als "schmierigen, schmuddeligen, korrupten Politiker", der sich an China verkauft habe. Zugleich versuchte der Präsident abermals, die Corona-Pandemie trotz rapide steigender Infektionen herunterzuspielen.
Die Ärzte überhöhten die Zahlen, weil sie für Corona-Fälle mehr Geld bekämen, wiederholte der amerikanische Präsident eine im Internet herumgeisternde Verschwörungstheorie. Biden verurteilte bei seinen Wahlkampfauftritten umgehend Trumps Attacke auf die Ärzte: Er "sollte aufhören, sie anzugreifen und stattdessen anfangen, seinen Job zu machen". Trump habe vor dem Virus kapituliert.
Die USA bewegen sich in Richtung der Marke von 100.000 Neuinfektionen pro Tag. Am Freitag verzeichneten dies USA einen neuen Rekordwert an Neuinfektionen. Rund 900 Menschen sterben täglich. Trumps Sohn Donald Trump Jr. behauptete unterdessen in einem Interview des Senders Fox News, Medien fokussierten sich auf die Infektionszahlen, weil so gut wie niemand sterbe.
Die weltweit angesehene medizinische Fachzeitschrift "The Lancet" bezeichnete die Corona-Politik Trumps als "katastrophal". Die Präsidentenwahl am 3. November sei "der richtige Moment, um Veränderungen zum Besseren einzuleiten", hieß es am Freitag in einem Leitartikel. Darin wurde allerdings auch nicht Biden unterstützt. Die USA hätten nicht angemessen auf die "größte Gesundheitskrise seit einem Jahrhundert" reagiert, schrieb "The Lancet". Unter anderem kritisierte der Leitartikel "das ausgefranste soziale Sicherheitsnetz" in den USA, die politische Einmischung in das öffentliche Gesundheitswesen sowie das erodierte Vertrauen in den öffentlichen Sektor. Diese und andere Faktoren hätten eine "katastrophale Reaktion der USA auf die Corona-Pandemie" zur Folge gehabt.
14 Reden an einem Tag
Trump, der in Umfragen sowohl landesweit als auch in mehreren möglicherweise entscheidenden Staaten hinter Biden liegt, setzt auf eine Flut von Wahlkampfauftritten, um seine Anhänger zu mobilisieren. Am Wochenende und Montag will er 14 Reden halten, mehrere davon in Michigan und Pennsylvania. Unterdessen nutzten bereits rund 87 Millionen Amerikaner die Möglichkeit, schon vor dem offiziellen Termin am 3. November per Brief oder in im Voraus geöffneten Wahllokalen abzustimmen.
Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten, die gemäß dem Ergebnis in den einzelnen Staaten abstimmen. Für den Sieg sind 270 Stimmen von Wahlleuten nötig. Pennsylvania gehört mit 20 Wahlleuten zu den besonders wichtigen, umkämpften Staaten. Michigan stellt 16 Wahlleute. Trump hatte 2016 überraschend beide Staaten gewonnen. Biden liegt in ihnen laut Umfragen vorn, aber relativ knapp.
Rennen bis zum Schluss
Biden tritt am Samstag zwei Mal zusammen mit dem Ex-Präsidenten Barack Obama in Michigan auf, dessen Vize er war. In Detroit soll Sänger Stevie Wonder zu ihnen stoßen. Bidens Vize-Kandidatin Kamala Harris fliegt nach Florida, wo es ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Kandidaten gibt. Wenn Biden Florida mit 29 Wahlleuten für sich entscheidet, hätte Trump nach Einschätzung von Experten nur noch wenig Chancen auf einen Sieg.
Trump plant für Samstag vier Auftritte in Pennsylvania. Am Sonntag will er in Michigan, Iowa, North Carolina, Georgia und Florida auftreten. Am Montag sollten dann erneut North Carolina, Pennsylvania und Michigan sowie Wisconsin folgen. Die Auftritte sind üblicherweise eine bis eineinhalb Stunden lang. Am Freitagabend verkürzte Trump seine Rede in Minnesota aber auf 20 Minuten - möglicherweise weil wegen Corona-Beschränkungen nur 250 seiner Anhänger dabei sein durften.
Trump erneuerte unterdessen seine Forderung nach einer zeitnahen Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Eine Entscheidung des Obersten Gerichts, die Auszählung von Briefwahlstimmen in North Carolina noch neun Tage nach der Abstimmung zu erlauben, bezeichnete er als "verrückt und schlecht für unser Land". Auf Twitter fragte er seine 87 Millionen Follower am Freitag: "Können Sie sich vorstellen, was während dieser First von neun Tagen passieren wird?" Trump hatte im Hinblick auf die Wahl am Dienstag mehrfach vor Wahlbetrug gewarnt und gefordert, es müsse noch in der Wahlnacht klar sein, wer die Abstimmung gewonnen habe. Bei den meisten vergangenen Wahlen wurde der Sieger tatsächlich noch in der Wahlnacht klar. Heuer warnen Verantwortliche in mehreren Staaten aber, dass es zu Verzögerungen kommen könnte. Der Hintergrund ist, dass in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie deutlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen.
Einschüchterungsversuche befürchtet
Eine "Armee" von Wahlbeobachtern will US-Präsident Donald Trump am 3. November in die Wahlbüros schicken - bei vielen löst das Sorgen aus. Aggressive Trump-Anhänger, so die Befürchtung, könnten für Chaos sorgen und Wähler der oppositionellen Demokraten von Präsidentschaftskandidat Joe Biden einschüchtern. Selbst das Auftauchen bewaffneter rechtsradikaler Gruppierungen vor Wahllokalen ist nicht auszuschließen.
Grundsätzlich haben die Parteien das Recht, Beobachter in die Wahllokale zu entsenden. Für diese Aufgabe registrierte Bürger können dann überwachen, dass die Wahl reibungslos abläuft, dass die Regeln eingehalten werden und dass bei der Stimmenauszählung alles korrekt läuft. Sie können unter anderem die Wahlverantwortlichen informieren, wenn sie verdächtiges Verhalten beobachten, und auch, wenn sie Zweifel haben, dass jemand stimmberechtigt ist. Wähler direkt ansprechen dürfen Wahlbeobachter nicht.
Trumps Republikanische Partei hatte als Ziel ausgegeben, 50.000 Wahlbeobachter zu rekrutieren. Beobachter befürchten, dass diese am 3. November massenhaft Einsprüche einlegen und damit die Grundlage für langwierige juristische Auseinandersetzungen um den Wahlausgang schaffen könnten.
Martialische Rhetorik
Sorgen bereitet auch die martialische Rhetorik: Das Wahlkampfteam des Amtsinhabers, der immer wieder angeblichen Wahlbetrug anprangert, spricht von einer "Armee" für den Präsidenten.
"Die radikale Linke legt die Grundlagen, um meinem Vater diese Wahl zu stehlen", sagte Trumps Sohn Don Jr. kürzlich in einem Online-Video. "Wir brauchen jeden tauglichen Mann und jede taugliche Frau für die Operation Wahlsicherheit der Armee für Trump." Solche Formulierungen wecken Befürchtungen, dass es zu einem aggressiven Auftreten der republikanischen Wahlbeobachter kommen könnte.
Trump setzt allerdings nicht nur auf reguläre, angemeldete Wahlbeobachter. Der Präsident hat seine Anhänger wiederholt aufgefordert, auch inoffiziell wie Wahlbeobachter aufzutreten. "Ich rufe meine Anhänger eindringlich auf, in die Wahllokale zu gehen und sehr genau hinzuschauen", sagte er etwa Ende September in seinem ersten TV-Duell mit Biden. (reuters/afp/dpa/apa)